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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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dem i, ohne welchen die Dekrete keine Geltung haben und absolut nichts weiter.
Je früher und je deutlicher dieser erste und wesentlichste Artikel im Katechismus
des constitutionellen Glaubens zur Realität gebracht wird, je heilsamer ist es für
die Sache des deutschen Nieichs.

Die eigentliche Regierung, das Neichsministerinm, ist noch immer nicht ver¬
vollständigt. Die Gerüchte, die darüber cursiren, haben zu wenig Glaubwürdig¬
keit. Dagegen hat die Physiognomie der Nationalversammlung seit der letzten
Zeit einen bestimmtem Charakter angenommen. Das ist kein Wunder, denn durch
die Einsetzung der Centralgewalt ist der Rechtsboden gefunden, von welchem ans
die Prinzipien sich scheiden müssen. Die rechte und die linke Seite stehen sich nun
bestimmter gegenüber, denn sie nehmen gegen dieses Rechtsprinzip eine bestimmte
Stellung ein und daher haben sich auch viele Punkte der Verständigung gefunden.
In den internationalen Fragen tritt beides hervor.

Man wird sich erinnern, daß 1792 die rechte Seite der Versammlung in Paris die
kriegerische war, während die Jakobiner unter Robespierre den Frieden predigten.
Ein ähnliches Verhältniß stellt sich anch diesmal bei uns heraus. Die Verhand¬
lungen über die Volksbewaffnung haben über das Wesen der beiden Parteien sehr
belehrende Aufschlüsse gegeben.

Zunächst ist es wohl aus innern Gründen zu begreifen, daß die conservative
Partei sich für Vermehrung der stehenden Heere, die revolutionäre für Verminde¬
rung ausspricht, denn ein starkes, disciplinirtes Heer ist eine sehr wesentliche Vor¬
mauer gegen die Revolution, so lange es in den Staatsorganismus eingefügt ist.
Mit Lösung der monarchischen Verhältnisse würde sich freilich die Sache ändern;
in einer Republik, uuter einem Directorium ist das Schwert gefährlich für die
Toga und der beste Senat wird durch einen glücklichen Feldherrn in Schatten
gestellt. --

Allein beide Parteien -- mit Ausnahme einer kleinen Fraction der Linken,
waren darin einig, Deutschland mächtig und stark zu wollen. Selbst jene Fraction,
wenn sie auch das deutsche Reich gleichsam unter die Flügel des Gallischen Hahns
stecken wollte, hatte doch Gelüste zu einer Propaganda gegen die russischen Bar¬
baren. Zu einer derartigen Propaganda sind aber Waffen nöthig. Wenn man
auf der äußersten Linken von einem Völkercongreß sprach, der alle Angelegenheiten
des Staats und der iuternationellen Politik nach den Grundsätzen des "Humanis¬
mus" auf die friedlichste und zugleich philosophischste Weise arrangiren sollte, so
brachte diese Idee doch nur ein sehr blasses, trübes und unbestimmtes Bild her¬
vor und trat selbst in dem Vortrag des Wortführers jener Partei, Herrn Arnold
Rüge, sehr bald in die romantische Dämmerung eines zukünftigen Paradieses
zurück und die allgemeine Entwaffnung wurde i" OI?o<liti- Kruen"" zurückgestellt.

Im Uebrigen wollte man allgemeine Bewaffnung; nur sprach die Linke von
einer Volksbewaffnung, während die Rechte an einer zweckmäßigeren Organisation


dem i, ohne welchen die Dekrete keine Geltung haben und absolut nichts weiter.
Je früher und je deutlicher dieser erste und wesentlichste Artikel im Katechismus
des constitutionellen Glaubens zur Realität gebracht wird, je heilsamer ist es für
die Sache des deutschen Nieichs.

Die eigentliche Regierung, das Neichsministerinm, ist noch immer nicht ver¬
vollständigt. Die Gerüchte, die darüber cursiren, haben zu wenig Glaubwürdig¬
keit. Dagegen hat die Physiognomie der Nationalversammlung seit der letzten
Zeit einen bestimmtem Charakter angenommen. Das ist kein Wunder, denn durch
die Einsetzung der Centralgewalt ist der Rechtsboden gefunden, von welchem ans
die Prinzipien sich scheiden müssen. Die rechte und die linke Seite stehen sich nun
bestimmter gegenüber, denn sie nehmen gegen dieses Rechtsprinzip eine bestimmte
Stellung ein und daher haben sich auch viele Punkte der Verständigung gefunden.
In den internationalen Fragen tritt beides hervor.

Man wird sich erinnern, daß 1792 die rechte Seite der Versammlung in Paris die
kriegerische war, während die Jakobiner unter Robespierre den Frieden predigten.
Ein ähnliches Verhältniß stellt sich anch diesmal bei uns heraus. Die Verhand¬
lungen über die Volksbewaffnung haben über das Wesen der beiden Parteien sehr
belehrende Aufschlüsse gegeben.

Zunächst ist es wohl aus innern Gründen zu begreifen, daß die conservative
Partei sich für Vermehrung der stehenden Heere, die revolutionäre für Verminde¬
rung ausspricht, denn ein starkes, disciplinirtes Heer ist eine sehr wesentliche Vor¬
mauer gegen die Revolution, so lange es in den Staatsorganismus eingefügt ist.
Mit Lösung der monarchischen Verhältnisse würde sich freilich die Sache ändern;
in einer Republik, uuter einem Directorium ist das Schwert gefährlich für die
Toga und der beste Senat wird durch einen glücklichen Feldherrn in Schatten
gestellt. —

Allein beide Parteien — mit Ausnahme einer kleinen Fraction der Linken,
waren darin einig, Deutschland mächtig und stark zu wollen. Selbst jene Fraction,
wenn sie auch das deutsche Reich gleichsam unter die Flügel des Gallischen Hahns
stecken wollte, hatte doch Gelüste zu einer Propaganda gegen die russischen Bar¬
baren. Zu einer derartigen Propaganda sind aber Waffen nöthig. Wenn man
auf der äußersten Linken von einem Völkercongreß sprach, der alle Angelegenheiten
des Staats und der iuternationellen Politik nach den Grundsätzen des „Humanis¬
mus" auf die friedlichste und zugleich philosophischste Weise arrangiren sollte, so
brachte diese Idee doch nur ein sehr blasses, trübes und unbestimmtes Bild her¬
vor und trat selbst in dem Vortrag des Wortführers jener Partei, Herrn Arnold
Rüge, sehr bald in die romantische Dämmerung eines zukünftigen Paradieses
zurück und die allgemeine Entwaffnung wurde i» OI?o<liti- Kruen»« zurückgestellt.

Im Uebrigen wollte man allgemeine Bewaffnung; nur sprach die Linke von
einer Volksbewaffnung, während die Rechte an einer zweckmäßigeren Organisation


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/200>, abgerufen am 22.07.2024.