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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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welcher das Reichsministcrium die Aufforderung erließ, nicht passend, doch jetzt ist
keine Zeit, wo man ein Recht hat, ängstlich an Formen zu mäkeln. Vereinigung
des Kommandos in einer Hand ist nothwendig; daß an die Stelle eines Bundes¬
feldherrn der Reichsverweser getreten, ist der Sache nach durchaus nicht bedenklich.
Ader auch in der Zukunft möge Ihr Ministerium den wichtigen Grundsatz fest¬
halten, daß eine Opposition gegen die Paulskirche im Interesse Deutschlands, im
Interesse Preußens so lange zu vermeiden ist, als die Versammlung und ihre
Executivgewalt die nationalen Interessen Deutschlands nicht verletzen, daß Preu¬
ßen aus Klugheitsgründen am meisten Opposition zu scheuen hat. Und vorläufig
ist nicht zu fürchten, daß die Beschlüsse der Versammlung zu einer Gefahr werden.
Sollte aber je der Tag kommen, wo eine unselige Eile oder Bedenklichkeit, etwa
in der italienischen Frage, oder in den gefährlichen Punkten, wo die östreichischen
und deutschen Interessen nicht Hand in Hand gehen, zu Tage käme, in diesem
Falle, der jedem deutscheu Mann als ein großes Unglück erscheinen müßte, gibt
es sür Ihr Ministerium, für Preußen nur den einen gesetzlichen Weg des Wider¬
standes, daß Sie, wenn Ihre Vorstellungen in Frankfurt ungehört verhallen, den
Vertretern des preußischen Volkes die Frage zur Entscheidung und Beschlußnahme
vorlegen. In solchem Fall aber darf die Krone Preußens nicht mit Anträgen
und Beschwerden vor ihr Volk treten, sondern sie dürste nichts thun als offen
und männlich den Rath und das Urtheil ihrer Constituante erbitten.

Zweierlei aber mag das preußische Volk in allen seinen politischen Fractionen
vor Augen behalten, erstens, daß Preußen die innige Verbindung mit dem übri¬
gen Deutschland eben so wenig entbehren kann, als die kleinen Staaten die Ver¬
einigung mit Preußen, und zweitens, daß die Stellung und das Ansehen, welches
jeder einzelne Staat in der neuen Vereinigung einnehmen wird, nicht durch pro¬
visorische Beschlüsse und Stimmungen, auch nicht durch historisches Selbstgefühl
und abschließendes Vertrauen ans die gegenwärtige Macht bewirkt werden kann,
sondern abhängig ist von dem Grade, in welchem eS den einzelnen Völkern, gro¬
ßen oder kleinen, gelingt, in ihrem Hauswesen sich vernünftig und tüchtig zu or-
ganisiren. Und wenn Preußen, wie wir Alle hoffen, dies bei sich durchsetzt, so
wird und muß es einst die Führerschaft Deutschlands übernehmen. Es wird dies
keine Hegemonie der Regierung über andere Regierungen, sondern eine Folge der
Achtung und Zuneigung sein, welche der Größte und Tüchtigste sich unter freien
Gl ? eichberechtigten gewinnt.




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welcher das Reichsministcrium die Aufforderung erließ, nicht passend, doch jetzt ist
keine Zeit, wo man ein Recht hat, ängstlich an Formen zu mäkeln. Vereinigung
des Kommandos in einer Hand ist nothwendig; daß an die Stelle eines Bundes¬
feldherrn der Reichsverweser getreten, ist der Sache nach durchaus nicht bedenklich.
Ader auch in der Zukunft möge Ihr Ministerium den wichtigen Grundsatz fest¬
halten, daß eine Opposition gegen die Paulskirche im Interesse Deutschlands, im
Interesse Preußens so lange zu vermeiden ist, als die Versammlung und ihre
Executivgewalt die nationalen Interessen Deutschlands nicht verletzen, daß Preu¬
ßen aus Klugheitsgründen am meisten Opposition zu scheuen hat. Und vorläufig
ist nicht zu fürchten, daß die Beschlüsse der Versammlung zu einer Gefahr werden.
Sollte aber je der Tag kommen, wo eine unselige Eile oder Bedenklichkeit, etwa
in der italienischen Frage, oder in den gefährlichen Punkten, wo die östreichischen
und deutschen Interessen nicht Hand in Hand gehen, zu Tage käme, in diesem
Falle, der jedem deutscheu Mann als ein großes Unglück erscheinen müßte, gibt
es sür Ihr Ministerium, für Preußen nur den einen gesetzlichen Weg des Wider¬
standes, daß Sie, wenn Ihre Vorstellungen in Frankfurt ungehört verhallen, den
Vertretern des preußischen Volkes die Frage zur Entscheidung und Beschlußnahme
vorlegen. In solchem Fall aber darf die Krone Preußens nicht mit Anträgen
und Beschwerden vor ihr Volk treten, sondern sie dürste nichts thun als offen
und männlich den Rath und das Urtheil ihrer Constituante erbitten.

Zweierlei aber mag das preußische Volk in allen seinen politischen Fractionen
vor Augen behalten, erstens, daß Preußen die innige Verbindung mit dem übri¬
gen Deutschland eben so wenig entbehren kann, als die kleinen Staaten die Ver¬
einigung mit Preußen, und zweitens, daß die Stellung und das Ansehen, welches
jeder einzelne Staat in der neuen Vereinigung einnehmen wird, nicht durch pro¬
visorische Beschlüsse und Stimmungen, auch nicht durch historisches Selbstgefühl
und abschließendes Vertrauen ans die gegenwärtige Macht bewirkt werden kann,
sondern abhängig ist von dem Grade, in welchem eS den einzelnen Völkern, gro¬
ßen oder kleinen, gelingt, in ihrem Hauswesen sich vernünftig und tüchtig zu or-
ganisiren. Und wenn Preußen, wie wir Alle hoffen, dies bei sich durchsetzt, so
wird und muß es einst die Führerschaft Deutschlands übernehmen. Es wird dies
keine Hegemonie der Regierung über andere Regierungen, sondern eine Folge der
Achtung und Zuneigung sein, welche der Größte und Tüchtigste sich unter freien
Gl ? eichberechtigten gewinnt.




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[0197] welcher das Reichsministcrium die Aufforderung erließ, nicht passend, doch jetzt ist keine Zeit, wo man ein Recht hat, ängstlich an Formen zu mäkeln. Vereinigung des Kommandos in einer Hand ist nothwendig; daß an die Stelle eines Bundes¬ feldherrn der Reichsverweser getreten, ist der Sache nach durchaus nicht bedenklich. Ader auch in der Zukunft möge Ihr Ministerium den wichtigen Grundsatz fest¬ halten, daß eine Opposition gegen die Paulskirche im Interesse Deutschlands, im Interesse Preußens so lange zu vermeiden ist, als die Versammlung und ihre Executivgewalt die nationalen Interessen Deutschlands nicht verletzen, daß Preu¬ ßen aus Klugheitsgründen am meisten Opposition zu scheuen hat. Und vorläufig ist nicht zu fürchten, daß die Beschlüsse der Versammlung zu einer Gefahr werden. Sollte aber je der Tag kommen, wo eine unselige Eile oder Bedenklichkeit, etwa in der italienischen Frage, oder in den gefährlichen Punkten, wo die östreichischen und deutschen Interessen nicht Hand in Hand gehen, zu Tage käme, in diesem Falle, der jedem deutscheu Mann als ein großes Unglück erscheinen müßte, gibt es sür Ihr Ministerium, für Preußen nur den einen gesetzlichen Weg des Wider¬ standes, daß Sie, wenn Ihre Vorstellungen in Frankfurt ungehört verhallen, den Vertretern des preußischen Volkes die Frage zur Entscheidung und Beschlußnahme vorlegen. In solchem Fall aber darf die Krone Preußens nicht mit Anträgen und Beschwerden vor ihr Volk treten, sondern sie dürste nichts thun als offen und männlich den Rath und das Urtheil ihrer Constituante erbitten. Zweierlei aber mag das preußische Volk in allen seinen politischen Fractionen vor Augen behalten, erstens, daß Preußen die innige Verbindung mit dem übri¬ gen Deutschland eben so wenig entbehren kann, als die kleinen Staaten die Ver¬ einigung mit Preußen, und zweitens, daß die Stellung und das Ansehen, welches jeder einzelne Staat in der neuen Vereinigung einnehmen wird, nicht durch pro¬ visorische Beschlüsse und Stimmungen, auch nicht durch historisches Selbstgefühl und abschließendes Vertrauen ans die gegenwärtige Macht bewirkt werden kann, sondern abhängig ist von dem Grade, in welchem eS den einzelnen Völkern, gro¬ ßen oder kleinen, gelingt, in ihrem Hauswesen sich vernünftig und tüchtig zu or- ganisiren. Und wenn Preußen, wie wir Alle hoffen, dies bei sich durchsetzt, so wird und muß es einst die Führerschaft Deutschlands übernehmen. Es wird dies keine Hegemonie der Regierung über andere Regierungen, sondern eine Folge der Achtung und Zuneigung sein, welche der Größte und Tüchtigste sich unter freien Gl ? eichberechtigten gewinnt. Grenzboten. in. izzz25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/197>, abgerufen am 22.07.2024.