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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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neu hat, der Umstand, daß die preußische Klassensteuer, deren Vertheilung und
Aufbringung durch die Communen der vernünftigen Abgabenform, einer Einkom¬
mensteuer, welche durch das Volk selbst erhoben und in die Staatskasse geliefert
wird, näher kommt als das Steuersystem irgend eines andern Staates. Dazu
kommt, daß Preußen in der Städteordnung und der Cristallisation der Commu¬
nen zu einzelnen Kreisen vortreffliche Basen für ein Selbstrcgiment des Volkes
findet. Kein anderer Staat hat ferner mit solcher Mäßigung, Ausdauer und Ge¬
setzeskraft so schwierige Verhältnisse zu reguliren begonnen, als der preußische bei
Entschädigung einzelner Gewerbegerechtigkeiten in den Städten, bei Lösung der
bäuerlichen und gutsherrlichen Verbindung zu überwinden hatte. Was man auch
im Einzelnen an den Prinzipien der bäuerlichen Ablösungen aussetzen und ändern
muß, im Großen betrachtet ist die fünfnudzwanzigjährige Thätigkeit der Ablösungs¬
commissionen eine so weise Maßregel gewesen, daß die Wirkungen derselben zu¬
meist dazu beigetragen haben, den preußischen Staat zu einem Vertreter deutscher
Freiheit gegen die patriarchalische Hörigkeit slavischen Lebens zu machen. Selbst
in der gründlichen Bildung seiner Beamten, der großen Kraft und Ehrlichkeit sei¬
nes Nichterstandes besitzt Preußen eine Macht, welche, wie auch ihre bisherige
Verwendung war, von jetzt ab viel dazu beitragen wird, Erfahrung und Weisheit
in den neuen Lebensformen heimisch zu machen. Rechnen Sie noch den Umstand
dazu, daß Preußen in der Zeit eines unbeschränkten Monarchismus sehr glücklich
vermieden hat, eine schädliche Centralisation der Intelligenz und der Verwaltung
in seiner Residenzstadt zu bewirken, so daß die einzelnen Provinzen freie Verbün¬
dete und nicht Knechte Berlins geblieben sind, lassen Sie auch den Vortheil gel¬
ten, daß Preußen in diese finanziell schwierige Zeit ein, mit Ausnahme der Ost¬
bahn , fertiges Eisenbahnnetz gebracht hat; ja lassen Sie selbst ein großes Unglück
Preußens nicht aus der Rechnung, den Umstand nämlich, daß die furchtbare Hilf¬
losigkeit, an welcher einzelne Theile des Landes leiden, die Paßdistricte Ober¬
schlesiens, die Bezirke der Weber und Spinner, dem Staat die zwingende Noth¬
wendigkeit auslegt, eine Versöhnung socialistischer Ideale mit dem praktischen
Staatsleben durchzusetzen; bringen Sie Alles dies in Rechnung, so finden Sie
darin einen Antrieb und eine Bürgschaft dafür, daß die Entwickelung preußischer
Kraft und preußischen Volkslebens eine energische, imponirende und heilvolle wer¬
den muß. Da die Aufgabe Ihres Volkes und Ihrer Regierung eine so große
und viel verheißende ist, so mögen Sie, so mag das preußische Volk auch mit ruhi¬
gem Vertrauen und mit Hoffnung die Verwickelungen ansehen, in welche vielleicht
das preußische Selbstgefühl dem der übrigen Stämme gegenüber kommen kann.

Was Ihre Regierung bis jetzt gethan hat, den Beschlüssen der Paulskirche
entgegen zu kommen, war loyal und verständig, anch die Erklärung des Minister¬
präsidenten von Auerswald wegen Uebernahme der preußischen Kriegsmacht durch
den Reichsverweser, war eben so klug als offen. Vielleicht war die Form, in


neu hat, der Umstand, daß die preußische Klassensteuer, deren Vertheilung und
Aufbringung durch die Communen der vernünftigen Abgabenform, einer Einkom¬
mensteuer, welche durch das Volk selbst erhoben und in die Staatskasse geliefert
wird, näher kommt als das Steuersystem irgend eines andern Staates. Dazu
kommt, daß Preußen in der Städteordnung und der Cristallisation der Commu¬
nen zu einzelnen Kreisen vortreffliche Basen für ein Selbstrcgiment des Volkes
findet. Kein anderer Staat hat ferner mit solcher Mäßigung, Ausdauer und Ge¬
setzeskraft so schwierige Verhältnisse zu reguliren begonnen, als der preußische bei
Entschädigung einzelner Gewerbegerechtigkeiten in den Städten, bei Lösung der
bäuerlichen und gutsherrlichen Verbindung zu überwinden hatte. Was man auch
im Einzelnen an den Prinzipien der bäuerlichen Ablösungen aussetzen und ändern
muß, im Großen betrachtet ist die fünfnudzwanzigjährige Thätigkeit der Ablösungs¬
commissionen eine so weise Maßregel gewesen, daß die Wirkungen derselben zu¬
meist dazu beigetragen haben, den preußischen Staat zu einem Vertreter deutscher
Freiheit gegen die patriarchalische Hörigkeit slavischen Lebens zu machen. Selbst
in der gründlichen Bildung seiner Beamten, der großen Kraft und Ehrlichkeit sei¬
nes Nichterstandes besitzt Preußen eine Macht, welche, wie auch ihre bisherige
Verwendung war, von jetzt ab viel dazu beitragen wird, Erfahrung und Weisheit
in den neuen Lebensformen heimisch zu machen. Rechnen Sie noch den Umstand
dazu, daß Preußen in der Zeit eines unbeschränkten Monarchismus sehr glücklich
vermieden hat, eine schädliche Centralisation der Intelligenz und der Verwaltung
in seiner Residenzstadt zu bewirken, so daß die einzelnen Provinzen freie Verbün¬
dete und nicht Knechte Berlins geblieben sind, lassen Sie auch den Vortheil gel¬
ten, daß Preußen in diese finanziell schwierige Zeit ein, mit Ausnahme der Ost¬
bahn , fertiges Eisenbahnnetz gebracht hat; ja lassen Sie selbst ein großes Unglück
Preußens nicht aus der Rechnung, den Umstand nämlich, daß die furchtbare Hilf¬
losigkeit, an welcher einzelne Theile des Landes leiden, die Paßdistricte Ober¬
schlesiens, die Bezirke der Weber und Spinner, dem Staat die zwingende Noth¬
wendigkeit auslegt, eine Versöhnung socialistischer Ideale mit dem praktischen
Staatsleben durchzusetzen; bringen Sie Alles dies in Rechnung, so finden Sie
darin einen Antrieb und eine Bürgschaft dafür, daß die Entwickelung preußischer
Kraft und preußischen Volkslebens eine energische, imponirende und heilvolle wer¬
den muß. Da die Aufgabe Ihres Volkes und Ihrer Regierung eine so große
und viel verheißende ist, so mögen Sie, so mag das preußische Volk auch mit ruhi¬
gem Vertrauen und mit Hoffnung die Verwickelungen ansehen, in welche vielleicht
das preußische Selbstgefühl dem der übrigen Stämme gegenüber kommen kann.

Was Ihre Regierung bis jetzt gethan hat, den Beschlüssen der Paulskirche
entgegen zu kommen, war loyal und verständig, anch die Erklärung des Minister¬
präsidenten von Auerswald wegen Uebernahme der preußischen Kriegsmacht durch
den Reichsverweser, war eben so klug als offen. Vielleicht war die Form, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/196>, abgerufen am 22.07.2024.