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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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graf Friedrich II. hat seine Noth gehabt, sie in Ordnung zu bringen. Wer es
aus der Geschichte nicht weiß, möge es in Härina/s "Roland von Berlin"
nachlesen. Häring ist ein echter Berliner: er hat in seinem berühmten Walladmor
die schottische Romantik verspotten wollen und hat sich selber hineingefaselt; mit
gleicher Virtuosität hat er sich in die divergirenden Richtungen der Restauration
hineingearbeitet und ist überall auf der Höhe der Zeit geblieben. Gerade als
echt Berliner Kind war sein Liberalismus in der Vossischen dem König des micien
r^imo fatal; höchst eigenhändig hat er ihn eingesalzt, um mich eines classischen
Ausdrucks zu bedienen.

Der Berliner ist aufsässig; mau konnte es schon vor der Revolution sehen.
Es fehlte ihm an Ideen oder besser an Devisen, er stürzte sich mit dem Hei߬
hunger eines Wolfs auf jede, die ihm geboten wurde. Zuerst war es die Rauch¬
freiheit im Thiergarten an Königs Geburtstag; die Neuerungen des polizeilichen
Absolutismus erregten ein mörderisches Gefecht. Dann kamen die Zeiten der Licht-
fteuudlicheu Proteste und der Bereine sür's Wohl der arbeitenden Klassen. Him¬
mel! welch' babylonische Verwirrung herrschte in dem Localverein, als man dem
Berliner nur das Recht lassen wollte, sein Geld beizusteuern für das Wohl seiner
Mitbrüder, aber nicht, sein Votum abzugeben über die Verwendung desselben. Es
war das Vorspiel unserer Constituante, doch muß man ihm die Gerechtigkeit wi¬
derfahren lassen, daß sein Verhalten viel gesetzlicher, würdevoller und verständiger
war, als der polnische Reichstag von oberschlesischen Bauern, Tagelöhnern, Flei¬
schern, Geheimeräthen und Advokaten, die gegenwärtig über Preußens Zukunft
berathen. Etwas idealistisch war freilich auch damals schon die Berliner Bewegung:
Buffey und Rande lieben einen weiten Horizont, schon der Ironie wegen, das
Naheliegende übersehen sie leicht. Bei der jüngsten Revolution hatte man längst
zu verschiednen Malen den Staat umgestürzt, man war aber nicht dahin gekommen,
den Stadtrath und die Stadtverordneten-Versammlung zu reorganisiren. Es war
zu frivol für den gebildeten Kosmopoliten.

Wenn wir die breiten, geraden^.Straßen ansehen, so schien es uns -- in je¬
nen grauen Tagen -- unmöglich,!in Berlin den Puukt zu suche", vou dem aus
die Sphinx der Revolution ihre Tatzen erheben könnte^ Wir täuschten uns und
doch hätte jede beliebige Volksheere uns eines Bessern belehren können. Wer dem
Sturme des souveränen Volks gegen den reactionären Kroll beiwohnte, der zu
Gunsten seiner prinzlichen Gäste in der berühmten italienischen Nacht die Gitter
seines Gartens verschloß -- ja wer auch nur Zeuge war von einer gewissen Revo¬
lution in der Königsmauer, in einer schönen Sylvesternacht, dem mußte es deut¬
lich werden, daß bei aller Frivolität des wahren Eckenstehers das Bewußtsein
einer souveränen Gewalt Scenen herbeiführen könnte, die den Parisern nichts nach¬
gaben. --

Es ist viel Gährungsstoff in diesem äußerlich so glatten Berlin! Als Eugen


graf Friedrich II. hat seine Noth gehabt, sie in Ordnung zu bringen. Wer es
aus der Geschichte nicht weiß, möge es in Härina/s „Roland von Berlin"
nachlesen. Häring ist ein echter Berliner: er hat in seinem berühmten Walladmor
die schottische Romantik verspotten wollen und hat sich selber hineingefaselt; mit
gleicher Virtuosität hat er sich in die divergirenden Richtungen der Restauration
hineingearbeitet und ist überall auf der Höhe der Zeit geblieben. Gerade als
echt Berliner Kind war sein Liberalismus in der Vossischen dem König des micien
r^imo fatal; höchst eigenhändig hat er ihn eingesalzt, um mich eines classischen
Ausdrucks zu bedienen.

Der Berliner ist aufsässig; mau konnte es schon vor der Revolution sehen.
Es fehlte ihm an Ideen oder besser an Devisen, er stürzte sich mit dem Hei߬
hunger eines Wolfs auf jede, die ihm geboten wurde. Zuerst war es die Rauch¬
freiheit im Thiergarten an Königs Geburtstag; die Neuerungen des polizeilichen
Absolutismus erregten ein mörderisches Gefecht. Dann kamen die Zeiten der Licht-
fteuudlicheu Proteste und der Bereine sür's Wohl der arbeitenden Klassen. Him¬
mel! welch' babylonische Verwirrung herrschte in dem Localverein, als man dem
Berliner nur das Recht lassen wollte, sein Geld beizusteuern für das Wohl seiner
Mitbrüder, aber nicht, sein Votum abzugeben über die Verwendung desselben. Es
war das Vorspiel unserer Constituante, doch muß man ihm die Gerechtigkeit wi¬
derfahren lassen, daß sein Verhalten viel gesetzlicher, würdevoller und verständiger
war, als der polnische Reichstag von oberschlesischen Bauern, Tagelöhnern, Flei¬
schern, Geheimeräthen und Advokaten, die gegenwärtig über Preußens Zukunft
berathen. Etwas idealistisch war freilich auch damals schon die Berliner Bewegung:
Buffey und Rande lieben einen weiten Horizont, schon der Ironie wegen, das
Naheliegende übersehen sie leicht. Bei der jüngsten Revolution hatte man längst
zu verschiednen Malen den Staat umgestürzt, man war aber nicht dahin gekommen,
den Stadtrath und die Stadtverordneten-Versammlung zu reorganisiren. Es war
zu frivol für den gebildeten Kosmopoliten.

Wenn wir die breiten, geraden^.Straßen ansehen, so schien es uns — in je¬
nen grauen Tagen — unmöglich,!in Berlin den Puukt zu suche», vou dem aus
die Sphinx der Revolution ihre Tatzen erheben könnte^ Wir täuschten uns und
doch hätte jede beliebige Volksheere uns eines Bessern belehren können. Wer dem
Sturme des souveränen Volks gegen den reactionären Kroll beiwohnte, der zu
Gunsten seiner prinzlichen Gäste in der berühmten italienischen Nacht die Gitter
seines Gartens verschloß -- ja wer auch nur Zeuge war von einer gewissen Revo¬
lution in der Königsmauer, in einer schönen Sylvesternacht, dem mußte es deut¬
lich werden, daß bei aller Frivolität des wahren Eckenstehers das Bewußtsein
einer souveränen Gewalt Scenen herbeiführen könnte, die den Parisern nichts nach¬
gaben. —

Es ist viel Gährungsstoff in diesem äußerlich so glatten Berlin! Als Eugen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/18>, abgerufen am 22.07.2024.