Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.kein rechter Berliner, seine Kritik war ihm Herzenssache, es fehlte ihm die wahre Nicolai hatte die allgemeine deutsche Bibliothek und den gesunden Menschen¬ In einer zweiten Metamorphose dieses Genius tritt die Freiheit in ein höhe¬ Als bei einem von den kleinen Krawatten, die trotz aller Legitimität schon in Das ist echt Falstaff'scher Humor. Er macht sich um so besser, da es diesen Die Berliner sind zu allen Zeiten ein aufsässiges Völkchen gewesen. Mark- kein rechter Berliner, seine Kritik war ihm Herzenssache, es fehlte ihm die wahre Nicolai hatte die allgemeine deutsche Bibliothek und den gesunden Menschen¬ In einer zweiten Metamorphose dieses Genius tritt die Freiheit in ein höhe¬ Als bei einem von den kleinen Krawatten, die trotz aller Legitimität schon in Das ist echt Falstaff'scher Humor. Er macht sich um so besser, da es diesen Die Berliner sind zu allen Zeiten ein aufsässiges Völkchen gewesen. Mark- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277447"/> <p xml:id="ID_31" prev="#ID_30"> kein rechter Berliner, seine Kritik war ihm Herzenssache, es fehlte ihm die wahre<lb/> Weihe der Race, die Frivolität.</p><lb/> <p xml:id="ID_32"> Nicolai hatte die allgemeine deutsche Bibliothek und den gesunden Menschen¬<lb/> verstand, das war die Achillesferse seiner Freiheit; er hatte ein Positives, an das<lb/> er glaubte. Herr Bussey ist Hausbesitzer; er ist auch uoch nicht der reine Bumm¬<lb/> ler. Der Genius ist an die Scholle geheftet.</p><lb/> <p xml:id="ID_33"> In einer zweiten Metamorphose dieses Genius tritt die Freiheit in ein höhe¬<lb/> res Stadium. Der Eckensteher, der abstracte Literat und das rein romantische<lb/> Genie, das nur in sich hereinsummt, sie tragen keine Fesseln, sie sind der freige-<lb/> wordene Witz, der bodenlos und stofflos im reinen Aether sich ergeht. Rande<lb/> Strumpf und die Aesthetiker des Phantasus oder der Serapionsbrüder, sowie die<lb/> Zeitungscvrrespondenten, die als echte Künstler nur des Correspondireus wegen<lb/> correspondiren, sie sind eine reinere Race, als der wohlwollende und gebildete<lb/> Hausbesitzer. Die Ironie greift weiter, sie geht in das eigene Innere zurück, sie<lb/> bekommt einen Anflug von Humor. Ans der wohlhäbigen Bourgeoisie kommen wir<lb/> in die Bewegung der Freiheit; die „ewige Lampe" hört ans, abstract zu leuchte»,<lb/> sie zündet.</p><lb/> <p xml:id="ID_34"> Als bei einem von den kleinen Krawatten, die trotz aller Legitimität schon in<lb/> dem alten Berlin vorkamen, die Gassenjugend dnrch einige Gensdarmen zersprengt<lb/> war, flüchteten sich einige Gamins auf die Mauern in der Nähe des Branden¬<lb/> burger Thors. Sie sahen von hier dem weitern Gedränge zu. Du, sagte der<lb/> Eine, in Paris würden wir uns so was nicht gefallen lassen!</p><lb/> <p xml:id="ID_35"> Das ist echt Falstaff'scher Humor. Er macht sich um so besser, da es diesen<lb/> Burschen gar nicht an Muth fehlt. Es sind durchtriebene Schelme, diese Ga¬<lb/> mins, und seit Einführung der Oeffentlichkeit bei den Berliner Gerichten hat das<lb/> Verbrechen eine Art wilder Poesie. Ein Schneiderjnnge hatte seinen Meister mit<lb/> vielen Stichen umgebracht; er ging, blutig wie er war, dus Messer in der Hand,<lb/> zu dem nächsten Wachtposten und sagt: Blcchknppe, arretire Er mir, ick bin ein<lb/> Mörder! Das Voigtland wimmelt von solchen Erscheinungen, die, zu Massen conso-<lb/> lidirt, das souveräne Volk mit derselben Virtuosität zur Geltung bringen werden,<lb/> als die Vorstädte in Pari«. --^Jn der Mordnacht vom 18. März hatte ein<lb/> Hause zerlumpter Gassenjungen eine Droschke umgestürzt und ans ihre Hand eine<lb/> Barrikade errichtet; nicht gerade um etwas auszurichten oder irgend etwas zu<lb/> bekämpfen, lediglich, weil es ihnen Spaß machte. Der eine Junge tanzte oben<lb/> auf der Barrikade herum, schwenkte einen rothen Lappen und verhöhnte die an<lb/> rückende Cavalcrie durch mehr geniale als anständige Pantomimen. Die Jungen<lb/> erhoben ein solches Zetergeschrei und warfen die Pflastersteine mit solcher Beharr¬<lb/> lichkeit, daß die Pferde scheu wurden und die Soldaten lehrt machten. Zuletzt<lb/> wurden sie freilich niedergemacht, aber sie hatten den Humor-von der Sache gehabt^</p><lb/> <p xml:id="ID_36" next="#ID_37"> Die Berliner sind zu allen Zeiten ein aufsässiges Völkchen gewesen. Mark-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
kein rechter Berliner, seine Kritik war ihm Herzenssache, es fehlte ihm die wahre
Weihe der Race, die Frivolität.
Nicolai hatte die allgemeine deutsche Bibliothek und den gesunden Menschen¬
verstand, das war die Achillesferse seiner Freiheit; er hatte ein Positives, an das
er glaubte. Herr Bussey ist Hausbesitzer; er ist auch uoch nicht der reine Bumm¬
ler. Der Genius ist an die Scholle geheftet.
In einer zweiten Metamorphose dieses Genius tritt die Freiheit in ein höhe¬
res Stadium. Der Eckensteher, der abstracte Literat und das rein romantische
Genie, das nur in sich hereinsummt, sie tragen keine Fesseln, sie sind der freige-
wordene Witz, der bodenlos und stofflos im reinen Aether sich ergeht. Rande
Strumpf und die Aesthetiker des Phantasus oder der Serapionsbrüder, sowie die
Zeitungscvrrespondenten, die als echte Künstler nur des Correspondireus wegen
correspondiren, sie sind eine reinere Race, als der wohlwollende und gebildete
Hausbesitzer. Die Ironie greift weiter, sie geht in das eigene Innere zurück, sie
bekommt einen Anflug von Humor. Ans der wohlhäbigen Bourgeoisie kommen wir
in die Bewegung der Freiheit; die „ewige Lampe" hört ans, abstract zu leuchte»,
sie zündet.
Als bei einem von den kleinen Krawatten, die trotz aller Legitimität schon in
dem alten Berlin vorkamen, die Gassenjugend dnrch einige Gensdarmen zersprengt
war, flüchteten sich einige Gamins auf die Mauern in der Nähe des Branden¬
burger Thors. Sie sahen von hier dem weitern Gedränge zu. Du, sagte der
Eine, in Paris würden wir uns so was nicht gefallen lassen!
Das ist echt Falstaff'scher Humor. Er macht sich um so besser, da es diesen
Burschen gar nicht an Muth fehlt. Es sind durchtriebene Schelme, diese Ga¬
mins, und seit Einführung der Oeffentlichkeit bei den Berliner Gerichten hat das
Verbrechen eine Art wilder Poesie. Ein Schneiderjnnge hatte seinen Meister mit
vielen Stichen umgebracht; er ging, blutig wie er war, dus Messer in der Hand,
zu dem nächsten Wachtposten und sagt: Blcchknppe, arretire Er mir, ick bin ein
Mörder! Das Voigtland wimmelt von solchen Erscheinungen, die, zu Massen conso-
lidirt, das souveräne Volk mit derselben Virtuosität zur Geltung bringen werden,
als die Vorstädte in Pari«. --^Jn der Mordnacht vom 18. März hatte ein
Hause zerlumpter Gassenjungen eine Droschke umgestürzt und ans ihre Hand eine
Barrikade errichtet; nicht gerade um etwas auszurichten oder irgend etwas zu
bekämpfen, lediglich, weil es ihnen Spaß machte. Der eine Junge tanzte oben
auf der Barrikade herum, schwenkte einen rothen Lappen und verhöhnte die an
rückende Cavalcrie durch mehr geniale als anständige Pantomimen. Die Jungen
erhoben ein solches Zetergeschrei und warfen die Pflastersteine mit solcher Beharr¬
lichkeit, daß die Pferde scheu wurden und die Soldaten lehrt machten. Zuletzt
wurden sie freilich niedergemacht, aber sie hatten den Humor-von der Sache gehabt^
Die Berliner sind zu allen Zeiten ein aufsässiges Völkchen gewesen. Mark-
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