Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.einer Concurrenz der Pflichten, z. B. beim Wehrdienst stets die Pflicht gegen den Aus dem Gesagten erhellt, daß die Einwohner einer Gemeinde, je nachdem Jedes freie Mitglied der Gemeinde muß Antheil an allen Gemeinderechten Leben, Thätigkeit und Verwaltung einer Gemeinde gehen nach zwei Richtun- einer Concurrenz der Pflichten, z. B. beim Wehrdienst stets die Pflicht gegen den Aus dem Gesagten erhellt, daß die Einwohner einer Gemeinde, je nachdem Jedes freie Mitglied der Gemeinde muß Antheil an allen Gemeinderechten Leben, Thätigkeit und Verwaltung einer Gemeinde gehen nach zwei Richtun- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0077" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276833"/> <p xml:id="ID_198" prev="#ID_197"> einer Concurrenz der Pflichten, z. B. beim Wehrdienst stets die Pflicht gegen den<lb/> Staat als die höchste Einheit, den Vorzug vor der Gemeindepflicht haben muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_199"> Aus dem Gesagten erhellt, daß die Einwohner einer Gemeinde, je nachdem<lb/> sie direct oder indirect, selbstständig oder abhängig, als Freie oder als Genossen<lb/> in ihr stehen, anch in Pflichten und Rechten verschieden organisirt sein müssen.<lb/> Die Gemeindelasten der Genossen dürfen nur gering sein, sie werden durch ihren<lb/> Schützer abgeführt, dessen Person und Erklärung den Genossen bei der Gemeinde<lb/> vertritt. Die Rechte der Genossen sind Benutzung der allgemeinen Gemeinderechte,<lb/> welche durch das Wohnen am Ort bedingt werden (Beleuchtung, Wasser, Ge¬<lb/> richtsbarkeit, Polizeiordnung) oder aus Menschlichkeit allen gemeinsam werden<lb/> müssen (Schulunterricht der Kinder). Am Gemeindevermögen haben sie keinen An¬<lb/> theil, eben so wenig an der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten, im Fall<lb/> nicht die Gemeinde selbst dies von Einzelnen fordern sollte. Daß Allmosenempfän-<lb/> ger und alle Solche, welche wegen Krankheit, Schwäche, Alter von der Gemeinde<lb/> erhalten werden müssen, eben so wenig als Verbrecher uuter polizeilicher Aufsicht<lb/> ihre sonstigen Rechte der directen Mitgliedschaft ausüben dürfen, versteht sich<lb/> von selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_200"> Jedes freie Mitglied der Gemeinde muß Antheil an allen Gemeinderechten<lb/> und Pflichten haben, also am Genuß des Gemeindelebens, des Vermögens, der<lb/> Verwaltung theilnehmen, persönliche und Rcallasten tragen und als ein Theil des<lb/> Ganzen sein Interesse und sein Wissen dem Wohl des Ganzen nicht entziehen.<lb/> Der Grundsatz: die Gemeinde regiert sich in allen innern Angelegenheiten selbst,<lb/> ohne Einwirkung des Staats, bedarf einer kurzen Erklärung, was unter Ge-<lb/> meindeangelegenheiten zu verstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_201" next="#ID_202"> Leben, Thätigkeit und Verwaltung einer Gemeinde gehen nach zwei Richtun-<lb/> gen, sie reichen entweder nach außen hinüber in größere Sphären des Staates,<lb/> oder sie beziehen sich auf die Innerlichkeit der Gemeinde selbst. In so fern die<lb/> Gemeinde Interessen vertritt und verwaltet, welche über sie hinausgehen und sie<lb/> mit größeren Kreisen des Staatslebens oder dem Gesammtstaat in Verbindung<lb/> setzen, wird sie diesen größeren Einheiten oder dem Staat verantwortlich. Daraus<lb/> folgt, daß dem Ganzen oder seinen größeren Theilen in solchen Angelegenheiten<lb/> eine Controle den Gemeinden Zustehen muß. Das Gegentheil hieße den Staat<lb/> in eine Masse von egoistischen Scparatinteresseu auflösen. Diese Aussicht und Ein¬<lb/> wirkung auf die Gemeinden muß schnell, einfach, energisch sein, aber auch ihre<lb/> Grenzen müssen genau bestimmt werden. Zu den allgemeinen Interessen des Ge¬<lb/> meindelebens gehört zunächst die Erziehung der Jugend und Erhaltung der Un¬<lb/> fähigen. Der Staat muß das Recht haben, säumige Gemeinden zur Erfüllung<lb/> ihrer Elternpflichten anzuhalten; ferner die Landespolizeisachcn nicht nur die Le¬<lb/> gitimation Fremder und Verfolgung der Verbrecher, sondern auch Ordnung der<lb/> Land - und Wasserstraßen, Beschränkung gefährlicher Industriezweige, Bestimnmu-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
einer Concurrenz der Pflichten, z. B. beim Wehrdienst stets die Pflicht gegen den
Staat als die höchste Einheit, den Vorzug vor der Gemeindepflicht haben muß.
Aus dem Gesagten erhellt, daß die Einwohner einer Gemeinde, je nachdem
sie direct oder indirect, selbstständig oder abhängig, als Freie oder als Genossen
in ihr stehen, anch in Pflichten und Rechten verschieden organisirt sein müssen.
Die Gemeindelasten der Genossen dürfen nur gering sein, sie werden durch ihren
Schützer abgeführt, dessen Person und Erklärung den Genossen bei der Gemeinde
vertritt. Die Rechte der Genossen sind Benutzung der allgemeinen Gemeinderechte,
welche durch das Wohnen am Ort bedingt werden (Beleuchtung, Wasser, Ge¬
richtsbarkeit, Polizeiordnung) oder aus Menschlichkeit allen gemeinsam werden
müssen (Schulunterricht der Kinder). Am Gemeindevermögen haben sie keinen An¬
theil, eben so wenig an der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten, im Fall
nicht die Gemeinde selbst dies von Einzelnen fordern sollte. Daß Allmosenempfän-
ger und alle Solche, welche wegen Krankheit, Schwäche, Alter von der Gemeinde
erhalten werden müssen, eben so wenig als Verbrecher uuter polizeilicher Aufsicht
ihre sonstigen Rechte der directen Mitgliedschaft ausüben dürfen, versteht sich
von selbst.
Jedes freie Mitglied der Gemeinde muß Antheil an allen Gemeinderechten
und Pflichten haben, also am Genuß des Gemeindelebens, des Vermögens, der
Verwaltung theilnehmen, persönliche und Rcallasten tragen und als ein Theil des
Ganzen sein Interesse und sein Wissen dem Wohl des Ganzen nicht entziehen.
Der Grundsatz: die Gemeinde regiert sich in allen innern Angelegenheiten selbst,
ohne Einwirkung des Staats, bedarf einer kurzen Erklärung, was unter Ge-
meindeangelegenheiten zu verstehen.
Leben, Thätigkeit und Verwaltung einer Gemeinde gehen nach zwei Richtun-
gen, sie reichen entweder nach außen hinüber in größere Sphären des Staates,
oder sie beziehen sich auf die Innerlichkeit der Gemeinde selbst. In so fern die
Gemeinde Interessen vertritt und verwaltet, welche über sie hinausgehen und sie
mit größeren Kreisen des Staatslebens oder dem Gesammtstaat in Verbindung
setzen, wird sie diesen größeren Einheiten oder dem Staat verantwortlich. Daraus
folgt, daß dem Ganzen oder seinen größeren Theilen in solchen Angelegenheiten
eine Controle den Gemeinden Zustehen muß. Das Gegentheil hieße den Staat
in eine Masse von egoistischen Scparatinteresseu auflösen. Diese Aussicht und Ein¬
wirkung auf die Gemeinden muß schnell, einfach, energisch sein, aber auch ihre
Grenzen müssen genau bestimmt werden. Zu den allgemeinen Interessen des Ge¬
meindelebens gehört zunächst die Erziehung der Jugend und Erhaltung der Un¬
fähigen. Der Staat muß das Recht haben, säumige Gemeinden zur Erfüllung
ihrer Elternpflichten anzuhalten; ferner die Landespolizeisachcn nicht nur die Le¬
gitimation Fremder und Verfolgung der Verbrecher, sondern auch Ordnung der
Land - und Wasserstraßen, Beschränkung gefährlicher Industriezweige, Bestimnmu-
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