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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Mitglieder eines solchen Vereins werden die Garantieen für ihr Leben weit mehr
ans ihrer Association hernehmen, als ans der Gemeinde, welcher sie zufällig an¬
gehören; durch günstige Lage eines Ortes, z. B. Beschaffenheit des Wassers, Nähe
großer Verbindungsstraßen werden sie vielleicht in großer Masse einer kleinen
Commune zugeführt, ihr Aufenthalt in derselben ist abhängig von dem Gedeihen
der Fabrik, nicht der Gemeinde, sie ziehen die Nahrung für ihr Leben nicht aus
dem Boden der Gemeinde, sondern ihres Fabrikherrn, wie bei den Tagelöhnern
großer Güter ist ihr Aufenthalt gebunden an ein einzelnes Institut, eine einzelne
Person, an die Firma des Geschäfts. Deshalb dürfen weder Beamte noch Arbeiter
eines Guts oder einer Fabrik ohne Weiteres als vollberechtigte Mitglieder der Ge¬
meinde betrachtet werden. Ihr Heimathsrecht an die Orte, aus denen sie zugezogen,
wird erst nach längerer Zeit erlöschen dürfen, sie werden zu der Gemeinde in einSchutz-
vcrhältniß treten, bei welchem ihr Schützer und Vertreter, der Gutsherr oder die
Fabrik die Bürgschaften für sie zu übernehmen hat. Ihre Kinder aber haben un¬
ter allen Umständen ihre Heimath in der Gemeinde, in welcher sie erzogen werden.

Eine andere Klasse der mittelbaren Gemeindemitglieder sind die Gesellen des
Handwerks. Es ist ein allgemeiner deutscher Brauch, und zwar ein vortrefflicher,
daß der junge Handwerker seine Ausbildung auf der Wanderschaft sucht, und wenn
irgendwo, hat sich noch in dieser Klasse der Vermögenslosen ein Rest der Keck¬
heit, Selbstgefühl und brüderlicher Herzlichkeit erhalten, der sie überall zusammen¬
führt und in der neuesten Zeit ehrenwerthe und nützliche Vereinigungen derselben
hervorgerufen hat. Auch in den traurigsten Momenten ihres Wanderlebens hält
diese jungen Männer der Gedanke an eine behagliche Zukunft, an Eigenthum,
eine hübsche Meisterin und all das Gedeihen, dessen das Leben eines Handwerkers
und Bürgers fähig ist, aufrecht. Der Gesell ist entschiedener Demokrat, aber er
ehrt den Erwerb, kämpft für das Eigenthum und fleht in dem Wohlhabenden noch
nicht seinen Feind. Da er lebhaft, eifrig, aufgeweckt und als gereifter Mann
ein vielgelteudes und einflußreiches Element aller Volksbewegungen ist, so mögen
wir Deutsche grade in ihm ein Gegengewicht gegen communistische Gelüste und
socialistische Theorien finde". Den Gemeinden, in welchen er arbeitet, gehört er
nicht an, sein Heimathrccht ist ihm in seinem Wanderbuch gesichert, sein Aufent¬
halt in der Gemeinde davou abhängig, ob er "einen Meister" findet; selbst dann,
wenn er jahrelang an demselben Orte arbeitet und von einer Werkstatt in eine
andere übergeht, liegt in seiner Stellung noch keine Veranlassung, ihn als Mit¬
glied der Commun zu betrachten, denn nnter allen Umständen hat er einen be¬
stimmten Arbeitgeber und nur durch diesen hängt er mit der Gemeinde zusammen.
Nebenbei sei hier bemerkt, daß der Gesell seine allgemeinen Staatsbürgerrechte,
z. B. das Wahlrecht, so lange dieses an dem Haupt des Einzelnen hängt, überall
ausüben soll; der deutsche Gesell wird z. B. überall, wo er arbeitet, für Frank¬
furt, der östreichische oder sächsische Gesell überall in Oestreich oder Sachsen für


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Mitglieder eines solchen Vereins werden die Garantieen für ihr Leben weit mehr
ans ihrer Association hernehmen, als ans der Gemeinde, welcher sie zufällig an¬
gehören; durch günstige Lage eines Ortes, z. B. Beschaffenheit des Wassers, Nähe
großer Verbindungsstraßen werden sie vielleicht in großer Masse einer kleinen
Commune zugeführt, ihr Aufenthalt in derselben ist abhängig von dem Gedeihen
der Fabrik, nicht der Gemeinde, sie ziehen die Nahrung für ihr Leben nicht aus
dem Boden der Gemeinde, sondern ihres Fabrikherrn, wie bei den Tagelöhnern
großer Güter ist ihr Aufenthalt gebunden an ein einzelnes Institut, eine einzelne
Person, an die Firma des Geschäfts. Deshalb dürfen weder Beamte noch Arbeiter
eines Guts oder einer Fabrik ohne Weiteres als vollberechtigte Mitglieder der Ge¬
meinde betrachtet werden. Ihr Heimathsrecht an die Orte, aus denen sie zugezogen,
wird erst nach längerer Zeit erlöschen dürfen, sie werden zu der Gemeinde in einSchutz-
vcrhältniß treten, bei welchem ihr Schützer und Vertreter, der Gutsherr oder die
Fabrik die Bürgschaften für sie zu übernehmen hat. Ihre Kinder aber haben un¬
ter allen Umständen ihre Heimath in der Gemeinde, in welcher sie erzogen werden.

Eine andere Klasse der mittelbaren Gemeindemitglieder sind die Gesellen des
Handwerks. Es ist ein allgemeiner deutscher Brauch, und zwar ein vortrefflicher,
daß der junge Handwerker seine Ausbildung auf der Wanderschaft sucht, und wenn
irgendwo, hat sich noch in dieser Klasse der Vermögenslosen ein Rest der Keck¬
heit, Selbstgefühl und brüderlicher Herzlichkeit erhalten, der sie überall zusammen¬
führt und in der neuesten Zeit ehrenwerthe und nützliche Vereinigungen derselben
hervorgerufen hat. Auch in den traurigsten Momenten ihres Wanderlebens hält
diese jungen Männer der Gedanke an eine behagliche Zukunft, an Eigenthum,
eine hübsche Meisterin und all das Gedeihen, dessen das Leben eines Handwerkers
und Bürgers fähig ist, aufrecht. Der Gesell ist entschiedener Demokrat, aber er
ehrt den Erwerb, kämpft für das Eigenthum und fleht in dem Wohlhabenden noch
nicht seinen Feind. Da er lebhaft, eifrig, aufgeweckt und als gereifter Mann
ein vielgelteudes und einflußreiches Element aller Volksbewegungen ist, so mögen
wir Deutsche grade in ihm ein Gegengewicht gegen communistische Gelüste und
socialistische Theorien finde». Den Gemeinden, in welchen er arbeitet, gehört er
nicht an, sein Heimathrccht ist ihm in seinem Wanderbuch gesichert, sein Aufent¬
halt in der Gemeinde davou abhängig, ob er „einen Meister" findet; selbst dann,
wenn er jahrelang an demselben Orte arbeitet und von einer Werkstatt in eine
andere übergeht, liegt in seiner Stellung noch keine Veranlassung, ihn als Mit¬
glied der Commun zu betrachten, denn nnter allen Umständen hat er einen be¬
stimmten Arbeitgeber und nur durch diesen hängt er mit der Gemeinde zusammen.
Nebenbei sei hier bemerkt, daß der Gesell seine allgemeinen Staatsbürgerrechte,
z. B. das Wahlrecht, so lange dieses an dem Haupt des Einzelnen hängt, überall
ausüben soll; der deutsche Gesell wird z. B. überall, wo er arbeitet, für Frank¬
furt, der östreichische oder sächsische Gesell überall in Oestreich oder Sachsen für


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[0075] Mitglieder eines solchen Vereins werden die Garantieen für ihr Leben weit mehr ans ihrer Association hernehmen, als ans der Gemeinde, welcher sie zufällig an¬ gehören; durch günstige Lage eines Ortes, z. B. Beschaffenheit des Wassers, Nähe großer Verbindungsstraßen werden sie vielleicht in großer Masse einer kleinen Commune zugeführt, ihr Aufenthalt in derselben ist abhängig von dem Gedeihen der Fabrik, nicht der Gemeinde, sie ziehen die Nahrung für ihr Leben nicht aus dem Boden der Gemeinde, sondern ihres Fabrikherrn, wie bei den Tagelöhnern großer Güter ist ihr Aufenthalt gebunden an ein einzelnes Institut, eine einzelne Person, an die Firma des Geschäfts. Deshalb dürfen weder Beamte noch Arbeiter eines Guts oder einer Fabrik ohne Weiteres als vollberechtigte Mitglieder der Ge¬ meinde betrachtet werden. Ihr Heimathsrecht an die Orte, aus denen sie zugezogen, wird erst nach längerer Zeit erlöschen dürfen, sie werden zu der Gemeinde in einSchutz- vcrhältniß treten, bei welchem ihr Schützer und Vertreter, der Gutsherr oder die Fabrik die Bürgschaften für sie zu übernehmen hat. Ihre Kinder aber haben un¬ ter allen Umständen ihre Heimath in der Gemeinde, in welcher sie erzogen werden. Eine andere Klasse der mittelbaren Gemeindemitglieder sind die Gesellen des Handwerks. Es ist ein allgemeiner deutscher Brauch, und zwar ein vortrefflicher, daß der junge Handwerker seine Ausbildung auf der Wanderschaft sucht, und wenn irgendwo, hat sich noch in dieser Klasse der Vermögenslosen ein Rest der Keck¬ heit, Selbstgefühl und brüderlicher Herzlichkeit erhalten, der sie überall zusammen¬ führt und in der neuesten Zeit ehrenwerthe und nützliche Vereinigungen derselben hervorgerufen hat. Auch in den traurigsten Momenten ihres Wanderlebens hält diese jungen Männer der Gedanke an eine behagliche Zukunft, an Eigenthum, eine hübsche Meisterin und all das Gedeihen, dessen das Leben eines Handwerkers und Bürgers fähig ist, aufrecht. Der Gesell ist entschiedener Demokrat, aber er ehrt den Erwerb, kämpft für das Eigenthum und fleht in dem Wohlhabenden noch nicht seinen Feind. Da er lebhaft, eifrig, aufgeweckt und als gereifter Mann ein vielgelteudes und einflußreiches Element aller Volksbewegungen ist, so mögen wir Deutsche grade in ihm ein Gegengewicht gegen communistische Gelüste und socialistische Theorien finde». Den Gemeinden, in welchen er arbeitet, gehört er nicht an, sein Heimathrccht ist ihm in seinem Wanderbuch gesichert, sein Aufent¬ halt in der Gemeinde davou abhängig, ob er „einen Meister" findet; selbst dann, wenn er jahrelang an demselben Orte arbeitet und von einer Werkstatt in eine andere übergeht, liegt in seiner Stellung noch keine Veranlassung, ihn als Mit¬ glied der Commun zu betrachten, denn nnter allen Umständen hat er einen be¬ stimmten Arbeitgeber und nur durch diesen hängt er mit der Gemeinde zusammen. Nebenbei sei hier bemerkt, daß der Gesell seine allgemeinen Staatsbürgerrechte, z. B. das Wahlrecht, so lange dieses an dem Haupt des Einzelnen hängt, überall ausüben soll; der deutsche Gesell wird z. B. überall, wo er arbeitet, für Frank¬ furt, der östreichische oder sächsische Gesell überall in Oestreich oder Sachsen für 9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/75>, abgerufen am 25.08.2024.