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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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dungs - und Gemeindeverhältnisse bestehen. Das Gemcindeleben ist dort weit mehr
eine freie Association zu bestimmten Zwecken, als eine feste staatliche Organisation,
eS ist so geworden, weil die Hälfte der Nation auf der Wanderschaft lebt, die
Gemeinden entstehen und vergehen in ewigem Wechsel, sie verhalten sich zu den
deutschen, wie ein Feldlager zu einer Festung. Ihre Einrichtungen in Deutsch¬
land nachahmen zu wollen, wäre ein Zurückkehren in rohe Verhältnisse; wollte
man aber New-Uorkische Commnnal-Institute hier einführen, sie würden nicht
den Eindruck übermäßiger Liberalität machen.

Eine zweite Klasse der Abhängigen sind dieTagearbeiter eines bestimmten
Gutes oder Geschäfts und Alle, welche in entsprechender Lage leben. Sie haben
Wohnung und Heerd für sich, entweder nach freier Wahl oder im Eigenthum des
Brotgebcrs, haben ein eigenes Familienleben und außer dem Tagewerk mit be¬
stimmten Arbeitstunden freie Bewegung. Diese zahlreiche und nützliche Klasse von
Staatsbürgern wird durch die Aufhebung der Roboten und servitutem für das
flache Land eine ungeheure Wichtigkeit und Ausdehnung gewinnen, denn alle
größeren Grundbesitzer werden durch sie die Feldarbeit bestreikn müssen. Da,
wo ihre Thätigkeit seit längerer Zeit besteht, z. B. in der Mark Brandenburg,
einem Theil von Sachsen, hat sich in ihnen ein gesundes, tüchtiges Leben ent¬
wickelt. Dort sind sie durch Einrichtung einer kleinen Häuslichkeit., durch Accvrd-
arbeiten und Antheile am Erndteertrage bereits fast mit dem Organismus des
Gutes verwachsen, und eine praktische sociale Verbindung zwischen dem Gutsherrn
und ihnen ist entstanden. Wenn das freie Coutraktverhältuiß, in welchem sie zu
ihren Arbeitgebern stehn, noch durch Association und Gesetze Garantien für ihr
Alter geben wird, mögen sie unter allen Eigenthumslosen am glücklichsten zu prei¬
sen sein. Ihre Stellung zu der Commune, in welcher sie leben, ist der Lage der
Fabrikarbeiter sehr ähnlich. Noch ist die gesellschaftliche Organisation der
Fabriken sehr unvollständig, aber die Anfänge derselben brechen überall hervor und
eine neue Gesetzgebung hat fördernd und vorsehend Rücksichten zu nehmen auf den
Drang des Volkes gerade in dieser Richtung, eine Versöhnung zwischen Capitel,
Intelligenz und Arbeitskraft durch die Bande einer freien Genossenschaft hervor¬
zubringen. Sämmtliche Genossen eiuer Fabrik, vom Fabrikherrn bis zum Hand¬
langer bilden einen Verein, welcher durch Kranken- und Jnvalidenkassen, Selbst-
Polizei, gemeinsames Abendlokal sür Geselligkeit und Fortbildung, im Nothfall
mich durch Fabrikschulen, die Existenz der Einzelnen stützt und sichert "). Die



Am Vollständigsten, ja pedantisch im Detail, ist dieser gesunde Socialismus ausgebil¬
det bei dem Berg- und Hüttenwesen der meisten deutschen Länder. Die Knappschaften find
trotz aller gerügten Mängel die vollkommensten und großartigsten socialistischen Vereine, welche
mir bis jetzt haben. Unsere Theoretiker, die sich natürlich um dergleichen Bestehendes nicht
Zimmern, würden erstaunen, daß hier Alles schon lange dagewesen, was sie zum Theil der
Menschheit erfinden wollen, und zwar kühn und im großartigen Maßstabe. (Eintheilung dcrKure).

dungs - und Gemeindeverhältnisse bestehen. Das Gemcindeleben ist dort weit mehr
eine freie Association zu bestimmten Zwecken, als eine feste staatliche Organisation,
eS ist so geworden, weil die Hälfte der Nation auf der Wanderschaft lebt, die
Gemeinden entstehen und vergehen in ewigem Wechsel, sie verhalten sich zu den
deutschen, wie ein Feldlager zu einer Festung. Ihre Einrichtungen in Deutsch¬
land nachahmen zu wollen, wäre ein Zurückkehren in rohe Verhältnisse; wollte
man aber New-Uorkische Commnnal-Institute hier einführen, sie würden nicht
den Eindruck übermäßiger Liberalität machen.

Eine zweite Klasse der Abhängigen sind dieTagearbeiter eines bestimmten
Gutes oder Geschäfts und Alle, welche in entsprechender Lage leben. Sie haben
Wohnung und Heerd für sich, entweder nach freier Wahl oder im Eigenthum des
Brotgebcrs, haben ein eigenes Familienleben und außer dem Tagewerk mit be¬
stimmten Arbeitstunden freie Bewegung. Diese zahlreiche und nützliche Klasse von
Staatsbürgern wird durch die Aufhebung der Roboten und servitutem für das
flache Land eine ungeheure Wichtigkeit und Ausdehnung gewinnen, denn alle
größeren Grundbesitzer werden durch sie die Feldarbeit bestreikn müssen. Da,
wo ihre Thätigkeit seit längerer Zeit besteht, z. B. in der Mark Brandenburg,
einem Theil von Sachsen, hat sich in ihnen ein gesundes, tüchtiges Leben ent¬
wickelt. Dort sind sie durch Einrichtung einer kleinen Häuslichkeit., durch Accvrd-
arbeiten und Antheile am Erndteertrage bereits fast mit dem Organismus des
Gutes verwachsen, und eine praktische sociale Verbindung zwischen dem Gutsherrn
und ihnen ist entstanden. Wenn das freie Coutraktverhältuiß, in welchem sie zu
ihren Arbeitgebern stehn, noch durch Association und Gesetze Garantien für ihr
Alter geben wird, mögen sie unter allen Eigenthumslosen am glücklichsten zu prei¬
sen sein. Ihre Stellung zu der Commune, in welcher sie leben, ist der Lage der
Fabrikarbeiter sehr ähnlich. Noch ist die gesellschaftliche Organisation der
Fabriken sehr unvollständig, aber die Anfänge derselben brechen überall hervor und
eine neue Gesetzgebung hat fördernd und vorsehend Rücksichten zu nehmen auf den
Drang des Volkes gerade in dieser Richtung, eine Versöhnung zwischen Capitel,
Intelligenz und Arbeitskraft durch die Bande einer freien Genossenschaft hervor¬
zubringen. Sämmtliche Genossen eiuer Fabrik, vom Fabrikherrn bis zum Hand¬
langer bilden einen Verein, welcher durch Kranken- und Jnvalidenkassen, Selbst-
Polizei, gemeinsames Abendlokal sür Geselligkeit und Fortbildung, im Nothfall
mich durch Fabrikschulen, die Existenz der Einzelnen stützt und sichert "). Die



Am Vollständigsten, ja pedantisch im Detail, ist dieser gesunde Socialismus ausgebil¬
det bei dem Berg- und Hüttenwesen der meisten deutschen Länder. Die Knappschaften find
trotz aller gerügten Mängel die vollkommensten und großartigsten socialistischen Vereine, welche
mir bis jetzt haben. Unsere Theoretiker, die sich natürlich um dergleichen Bestehendes nicht
Zimmern, würden erstaunen, daß hier Alles schon lange dagewesen, was sie zum Theil der
Menschheit erfinden wollen, und zwar kühn und im großartigen Maßstabe. (Eintheilung dcrKure).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/74>, abgerufen am 26.12.2024.