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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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mag, weil sie ihrem Volk immer das Beste auf Erden zugetraut haben, produk¬
tive Lebenskraft.

Die Gemeinde und ihre Sphäre.

Gemeinde ist die staatliche Verbindung aller Individuen und Grundstücke,
deren Wohnsitz oder Lage unter einem Ortsnamen zusammengefaßt wird. Ein¬
heit des Ortes ist die wesentliche Voraussetzung jedes Gemeindelebens, der Orts¬
name wird Name der Gemeinde. Wo mehrere kleine Ortschaften oder einzeln ge¬
legene Grundstücke mit besonderem Namen zu einer Gcmeindeeinhcit zusammenge¬
fügt werden, drückt sich in dem Gesammtnamen der neuen Einheit die Combination
ans, so wird auch im entgegengesetzten Fall wo ein Ort, z. V. ein meilenlanges
Gebirgsdorf in mehrere getrennte Communen getheilt ist, diese Theilung durch
einen Zusatz zum Ortsnamen bezeichnet werden. Beide Ausnahmen sind also nur
scheinbar.

Jedes Grundstück muß zu einer Gemeinde gehören.

Jeder Staatsbürger muß einer Gemeinde angehören, nur durch die Gemeinde
wird der Einzelne zum Staatsbürger. Dieser Grundsatz ist der wichtigste von
Allen, er gibt die einzige sichere Bürgschaft für eine freie tüchtige Entwicklung
des Gemeindelebens. Bis jetzt war es nirgend so, der Staat besaß alle Einzel¬
nen, der Communalverband der Einzelne" ging nebenbei und sehr oft hatte ein
Staatsbürger, selbst ohne im Ausland zu leben, keine Gemeinde, welcher er an¬
gehörte. Offiziere, Beamten, Künstler n. s. w. standen in sehr lockerem, oder
gar keinem Zusammenhang mit der Commune, in welcher sie zufällig lebten. Das
soll geändert werden. Die Gemeinde wird dem Staat verantwortlich für Leben,
Wohlfahrt, bis zu einem bestimmten Grade auch für die Verbrechen der Einzel¬
nen , welche zu ihr gehören; und damit sie dies könne, ist nothwendig, daß das
Band, welches die Einzelnen an sie fesselt, für Alle gelte und so stark und ehr¬
würdig gemacht werde, als möglich. Deshalb muß ein neues Commuualgesetz
ausgehen von den Pflichten und Rechten des Einzelnen in Bezug auf die Gemeinde.
Die Pflichten der Commune gegen das Individuum sind zunächst Erziehung sei¬
ner Jugend; die Schule wird von den Gemeinden unter Oberaufsicht des Staa¬
tes erhalten, die Grundsätze nach denen unterrichtet werden soll, Lehrer und Schul¬
bücher werden durch den Staat sanktionirt, die Gemeinde wählt die Lehrer, erhält
ihre Schule". Ueber den Inhalt des neuen Schulunterrichts hier nur kurze Be¬
merkungen. Der Schüler soll für das Leben gebildet werden, er soll aus der
Elementarschule nicht nnr die Möglichkeiten weiterer theoretischer Fortbildung durch
Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen und die Grundsätze bürgerlicher Moral, son¬
dern anch Gewandtheit, praktischen Blick, technische Fertigkeiten für das Leben
gewinnen. Der Knabe soll Leibesübungen mit bestimmter Rücksicht aus den Kriegs¬
dienst vornehmen, soll turnen, marschiren, sich in geschlossener Masse kriegerisch


mag, weil sie ihrem Volk immer das Beste auf Erden zugetraut haben, produk¬
tive Lebenskraft.

Die Gemeinde und ihre Sphäre.

Gemeinde ist die staatliche Verbindung aller Individuen und Grundstücke,
deren Wohnsitz oder Lage unter einem Ortsnamen zusammengefaßt wird. Ein¬
heit des Ortes ist die wesentliche Voraussetzung jedes Gemeindelebens, der Orts¬
name wird Name der Gemeinde. Wo mehrere kleine Ortschaften oder einzeln ge¬
legene Grundstücke mit besonderem Namen zu einer Gcmeindeeinhcit zusammenge¬
fügt werden, drückt sich in dem Gesammtnamen der neuen Einheit die Combination
ans, so wird auch im entgegengesetzten Fall wo ein Ort, z. V. ein meilenlanges
Gebirgsdorf in mehrere getrennte Communen getheilt ist, diese Theilung durch
einen Zusatz zum Ortsnamen bezeichnet werden. Beide Ausnahmen sind also nur
scheinbar.

Jedes Grundstück muß zu einer Gemeinde gehören.

Jeder Staatsbürger muß einer Gemeinde angehören, nur durch die Gemeinde
wird der Einzelne zum Staatsbürger. Dieser Grundsatz ist der wichtigste von
Allen, er gibt die einzige sichere Bürgschaft für eine freie tüchtige Entwicklung
des Gemeindelebens. Bis jetzt war es nirgend so, der Staat besaß alle Einzel¬
nen, der Communalverband der Einzelne» ging nebenbei und sehr oft hatte ein
Staatsbürger, selbst ohne im Ausland zu leben, keine Gemeinde, welcher er an¬
gehörte. Offiziere, Beamten, Künstler n. s. w. standen in sehr lockerem, oder
gar keinem Zusammenhang mit der Commune, in welcher sie zufällig lebten. Das
soll geändert werden. Die Gemeinde wird dem Staat verantwortlich für Leben,
Wohlfahrt, bis zu einem bestimmten Grade auch für die Verbrechen der Einzel¬
nen , welche zu ihr gehören; und damit sie dies könne, ist nothwendig, daß das
Band, welches die Einzelnen an sie fesselt, für Alle gelte und so stark und ehr¬
würdig gemacht werde, als möglich. Deshalb muß ein neues Commuualgesetz
ausgehen von den Pflichten und Rechten des Einzelnen in Bezug auf die Gemeinde.
Die Pflichten der Commune gegen das Individuum sind zunächst Erziehung sei¬
ner Jugend; die Schule wird von den Gemeinden unter Oberaufsicht des Staa¬
tes erhalten, die Grundsätze nach denen unterrichtet werden soll, Lehrer und Schul¬
bücher werden durch den Staat sanktionirt, die Gemeinde wählt die Lehrer, erhält
ihre Schule». Ueber den Inhalt des neuen Schulunterrichts hier nur kurze Be¬
merkungen. Der Schüler soll für das Leben gebildet werden, er soll aus der
Elementarschule nicht nnr die Möglichkeiten weiterer theoretischer Fortbildung durch
Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen und die Grundsätze bürgerlicher Moral, son¬
dern anch Gewandtheit, praktischen Blick, technische Fertigkeiten für das Leben
gewinnen. Der Knabe soll Leibesübungen mit bestimmter Rücksicht aus den Kriegs¬
dienst vornehmen, soll turnen, marschiren, sich in geschlossener Masse kriegerisch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/70>, abgerufen am 03.07.2024.