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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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bewegen lerne", er soll Spaten, Hobel, Säge u. s. w. handhaben können, soll
nützliche Pflanzen und Bänme selbst gezogen haben und so fort; das Mädchen soll
ebenso die technischen Fertigkeiten der Häuslichkeit gewinnen. Deshalb muß die
Volksschule einen größeren Theil des Tages umfassen und ohne die Einwirkung
der Familie auf ihr Kind zu beeinträchtigen, länger und gesünder als bisher für
das Leben vorbereiten. Damit dies aber geschehen könne, muß die Gemeinde
auch der Familie gegenüber größere Rechte erhalten. Wenn sie die hohe Verpflich¬
tung hat, die künftigen Bürger eines demokratischen Staates zu ziehn, muß sie
anch das Recht haben, die schädlichen Einflüsse eines vergifteten Familienlebens
von ihren Schülern abzuhalten. Die Kinder der Verbrecher, Bettler u. s. w.
müssen durch ein Expropriationsgesetz der elterlichen Gewalt entzogen und von der
Gemeinde oder dem Kreise erzogen werden; denn die Laster des Proletariats sind
erblich, wie Skrophulose Krankheiten. Die Verwaltung der Vormundschaften muß
den Gemeinden übertragen werden; bei allen Kindern der Gemeinde muß die
Wahl des Lebensberufes uach vollendeter Schulzeit durch die Eltern oder Vor¬
münder den dazu bevollmächtigten Mitgliedern des Gcmeindevorstands angezeigt,
und ihre, der Commune, Ansicht und Beistimmung eingeholt werden. Es ist sehr
nöthig, der schlechten Wahl des künftigen Berufes, welche durch beschränkte Eltern
stattfindet und abgestorbenen Industriezweigen immer neue Opfer zuführt, durch
eine Einwirkung der Gemeinde, welche das Selbstgefühl der Familie nicht ver¬
letzt, entgegenzuarbeiten. Und es wird gut sein, wenn mit dieser Wahl des Beru¬
fes ein öffentlicher Akt, eine Vorstellung der Kinder vor der versammelten Gemeinde
verbunden ist. Wir haben bis jetzt solche dramatische Momente nur in der Kirche,
bei Firmelung oder Konfirmation gehabt; die Gegenwart fordert, daß sie auf den
Markt hinaustreten. -- Während der Lehrzeit soll die Gemeinde Aufsicht und
Einwirkung auf den Lehrling und Lehrherrn, haben; sie hat das Recht und die
Pflicht zu verbieten, daß ein unredlicher oder untüchtiger Mann Andere für sei¬
nen Beruf erziehe. Werden endlich die jungen Vögel flügge und verlassen sie das
Nest ihrer Gemeinde um in die Welt zu gehen, so bleibt ihnen ihre Heimath un¬
ter allen Umständen so lange, bis, sie eine neue gewinnen, als Mitglieder in einen
andern Gemeindeverband treten. Nur durch ein neues Heimathsrecht wird das
alte aufgehoben. Das Gemeindeleben ist durch nichts mehr geschwächt worden, als
durch die falschen Bestimmungen über Erlangung deö Bürgerrechts und über Frei¬
zügigkeit. So wenig einer Commune freistehen darf, frisches Blut und Zuwachs
aus egoistischen Zunft- oder Vermögensrückstchten von sich abzuhalten, ebensowe¬
nig darf ihr das Recht bestritten werden, von den Fremden, welche ihr zuziehen,
entweder Sicherung über ihre Subsistenzmittel oder Beweise über ihre geschäftliche
Tüchtigkeit zu fordern. Große oder vermögende Gemeinden werden sonst demora^
lisirt und ausgelöst durch eine massenhafte Anhäufung von schmarozerischem Zudrang.
Und da jede Gemeinde die Pflicht hat für ihre Bürger zu stehen, die Einzelnen


bewegen lerne», er soll Spaten, Hobel, Säge u. s. w. handhaben können, soll
nützliche Pflanzen und Bänme selbst gezogen haben und so fort; das Mädchen soll
ebenso die technischen Fertigkeiten der Häuslichkeit gewinnen. Deshalb muß die
Volksschule einen größeren Theil des Tages umfassen und ohne die Einwirkung
der Familie auf ihr Kind zu beeinträchtigen, länger und gesünder als bisher für
das Leben vorbereiten. Damit dies aber geschehen könne, muß die Gemeinde
auch der Familie gegenüber größere Rechte erhalten. Wenn sie die hohe Verpflich¬
tung hat, die künftigen Bürger eines demokratischen Staates zu ziehn, muß sie
anch das Recht haben, die schädlichen Einflüsse eines vergifteten Familienlebens
von ihren Schülern abzuhalten. Die Kinder der Verbrecher, Bettler u. s. w.
müssen durch ein Expropriationsgesetz der elterlichen Gewalt entzogen und von der
Gemeinde oder dem Kreise erzogen werden; denn die Laster des Proletariats sind
erblich, wie Skrophulose Krankheiten. Die Verwaltung der Vormundschaften muß
den Gemeinden übertragen werden; bei allen Kindern der Gemeinde muß die
Wahl des Lebensberufes uach vollendeter Schulzeit durch die Eltern oder Vor¬
münder den dazu bevollmächtigten Mitgliedern des Gcmeindevorstands angezeigt,
und ihre, der Commune, Ansicht und Beistimmung eingeholt werden. Es ist sehr
nöthig, der schlechten Wahl des künftigen Berufes, welche durch beschränkte Eltern
stattfindet und abgestorbenen Industriezweigen immer neue Opfer zuführt, durch
eine Einwirkung der Gemeinde, welche das Selbstgefühl der Familie nicht ver¬
letzt, entgegenzuarbeiten. Und es wird gut sein, wenn mit dieser Wahl des Beru¬
fes ein öffentlicher Akt, eine Vorstellung der Kinder vor der versammelten Gemeinde
verbunden ist. Wir haben bis jetzt solche dramatische Momente nur in der Kirche,
bei Firmelung oder Konfirmation gehabt; die Gegenwart fordert, daß sie auf den
Markt hinaustreten. — Während der Lehrzeit soll die Gemeinde Aufsicht und
Einwirkung auf den Lehrling und Lehrherrn, haben; sie hat das Recht und die
Pflicht zu verbieten, daß ein unredlicher oder untüchtiger Mann Andere für sei¬
nen Beruf erziehe. Werden endlich die jungen Vögel flügge und verlassen sie das
Nest ihrer Gemeinde um in die Welt zu gehen, so bleibt ihnen ihre Heimath un¬
ter allen Umständen so lange, bis, sie eine neue gewinnen, als Mitglieder in einen
andern Gemeindeverband treten. Nur durch ein neues Heimathsrecht wird das
alte aufgehoben. Das Gemeindeleben ist durch nichts mehr geschwächt worden, als
durch die falschen Bestimmungen über Erlangung deö Bürgerrechts und über Frei¬
zügigkeit. So wenig einer Commune freistehen darf, frisches Blut und Zuwachs
aus egoistischen Zunft- oder Vermögensrückstchten von sich abzuhalten, ebensowe¬
nig darf ihr das Recht bestritten werden, von den Fremden, welche ihr zuziehen,
entweder Sicherung über ihre Subsistenzmittel oder Beweise über ihre geschäftliche
Tüchtigkeit zu fordern. Große oder vermögende Gemeinden werden sonst demora^
lisirt und ausgelöst durch eine massenhafte Anhäufung von schmarozerischem Zudrang.
Und da jede Gemeinde die Pflicht hat für ihre Bürger zu stehen, die Einzelnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/71>, abgerufen am 22.07.2024.