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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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sparniß eS aushalten, wenn eine kurze Zeit sein Verdienst spärlicher ausfällt. Der
Arbeitgeber aber, welcher viele Leute beschäftigt, ist bei stockenden Einnahmen in
einer schlimmeren Lage. Die wirkliche Einschränkung in seinen persönlichen Aus¬
gaben will in der Regel nicht viel bedeuten. Treibt er sein Geschäft also ohne
Vorrath, ohne Capital, so geräth er bei gestörten Geldznfluß in große Verlegen¬
heit, die sich von ihm auf alle diejenigen überträgt, die für ihn arbeiten und da¬
her ihr Lohn von ihm zu beziehen gewohnt sind. Je größer also das disponible
oder Betriebscapital ist, womit ein Arbeitsgeber sein Geschäft betreibt, desto grö¬
ßer ist für die Arbeiter die Sicherheit, daß sie ihren gewöhnlichen Verdienst ohne
Unterbrechung haben werden. Die Unternehmer und Arbeitgeber, welche stets
darauf bedacht sind, ihr Capital zu vermehren, sorgen daher nicht nur für sich,
sondern eben so sehr für diejenigen, welche sie beschäftigen.

Unter den Vorschlägen, die Lage der Arbeiter zu verbessern, ist auch der,
daß Alle, die in einer Unternehmung beschäftigt sind, durch Sparsamkeit das dazu
erforderliche Capital aufbringen möchten, um den Zinsengenuß, den ein solches
gewährt, neben dem Arbeitsverdienst zu erlangen. Dagegen lassen sich
aber erhebliche Bedenken aussprechen. Das erste ist, daß das Capital vor dem
Beginn jeder Unternehmung vorhanden sein muß. Nun hat aber das Ansammeln
eines Capitals bei Leuten, welche täglich essen müssen, welche für Wohnung, Klei¬
dung und viele andere Bedürfnisse zu sorgen haben, seine eigenthümlichen Schwie¬
rigkeiten, wie jedem bekannt sein wird, der die Menschen zu beobachten Gelegen¬
heit hatte. In den Zeiten, wo die größte Arbeitskraft vorhanden zu sein pflegt,
ist auch die Genußsucht am stärksten. Nur wenige gelangen dahin, diese zu re¬
geln, sich in der Gegenwart etwas zu versagen, um in der Zukunft größere, we¬
nigstens edlere Genüsse zu haben.

Zweitens erfordert die Verwaltung eines von vielen in kleinen Beträgen zu¬
sammengebrachtes Capital große Treue und Aufmerksamkeit, die nicht geringer
sein dürfte, als diejenige ist, welche die Unternehmer eines Geschäfts auf die Er¬
haltung und Vermehrung ihres Capitals verwenden müssen. Nun lehrt aber wie¬
der die bei allen Actienunternehmungcn sich herausstellende Erfahrung, daß das
Vermögen, welches vielen Theilnehmern gehört, sehr selten so vorsichtig verwaltet
wird, als das eigene. Aus beiden Ursachen ist daher von diesem Vorschlage für
die Verbesserung der Arbeiterzustände nicht viel zu hoffen.

Die Versuche mit der Association der Arbeiter, welche die Socialisten bisher
gemacht haben, indem sie ihre Lehre auf den Landbau anwenden wollten, sind, so
viel bekannt geworden ist, sämmtlich gescheitert. Wo es aus den Erwerb ankommt,
der ohne große und dauernde Anstrengung selten zu bewirken ist, da muß der
Eigennutz freien Spielraum haben. Der Einzelne muß wissen, daß seine Geschick-
lichkeit, sein Fleiß, seine Kraftäußerung nach dem Grade seiner Anstrengung be¬
lohnt werden. Arbeit und Ablehnung müssen daher nicht weit von einander ge-


sparniß eS aushalten, wenn eine kurze Zeit sein Verdienst spärlicher ausfällt. Der
Arbeitgeber aber, welcher viele Leute beschäftigt, ist bei stockenden Einnahmen in
einer schlimmeren Lage. Die wirkliche Einschränkung in seinen persönlichen Aus¬
gaben will in der Regel nicht viel bedeuten. Treibt er sein Geschäft also ohne
Vorrath, ohne Capital, so geräth er bei gestörten Geldznfluß in große Verlegen¬
heit, die sich von ihm auf alle diejenigen überträgt, die für ihn arbeiten und da¬
her ihr Lohn von ihm zu beziehen gewohnt sind. Je größer also das disponible
oder Betriebscapital ist, womit ein Arbeitsgeber sein Geschäft betreibt, desto grö¬
ßer ist für die Arbeiter die Sicherheit, daß sie ihren gewöhnlichen Verdienst ohne
Unterbrechung haben werden. Die Unternehmer und Arbeitgeber, welche stets
darauf bedacht sind, ihr Capital zu vermehren, sorgen daher nicht nur für sich,
sondern eben so sehr für diejenigen, welche sie beschäftigen.

Unter den Vorschlägen, die Lage der Arbeiter zu verbessern, ist auch der,
daß Alle, die in einer Unternehmung beschäftigt sind, durch Sparsamkeit das dazu
erforderliche Capital aufbringen möchten, um den Zinsengenuß, den ein solches
gewährt, neben dem Arbeitsverdienst zu erlangen. Dagegen lassen sich
aber erhebliche Bedenken aussprechen. Das erste ist, daß das Capital vor dem
Beginn jeder Unternehmung vorhanden sein muß. Nun hat aber das Ansammeln
eines Capitals bei Leuten, welche täglich essen müssen, welche für Wohnung, Klei¬
dung und viele andere Bedürfnisse zu sorgen haben, seine eigenthümlichen Schwie¬
rigkeiten, wie jedem bekannt sein wird, der die Menschen zu beobachten Gelegen¬
heit hatte. In den Zeiten, wo die größte Arbeitskraft vorhanden zu sein pflegt,
ist auch die Genußsucht am stärksten. Nur wenige gelangen dahin, diese zu re¬
geln, sich in der Gegenwart etwas zu versagen, um in der Zukunft größere, we¬
nigstens edlere Genüsse zu haben.

Zweitens erfordert die Verwaltung eines von vielen in kleinen Beträgen zu¬
sammengebrachtes Capital große Treue und Aufmerksamkeit, die nicht geringer
sein dürfte, als diejenige ist, welche die Unternehmer eines Geschäfts auf die Er¬
haltung und Vermehrung ihres Capitals verwenden müssen. Nun lehrt aber wie¬
der die bei allen Actienunternehmungcn sich herausstellende Erfahrung, daß das
Vermögen, welches vielen Theilnehmern gehört, sehr selten so vorsichtig verwaltet
wird, als das eigene. Aus beiden Ursachen ist daher von diesem Vorschlage für
die Verbesserung der Arbeiterzustände nicht viel zu hoffen.

Die Versuche mit der Association der Arbeiter, welche die Socialisten bisher
gemacht haben, indem sie ihre Lehre auf den Landbau anwenden wollten, sind, so
viel bekannt geworden ist, sämmtlich gescheitert. Wo es aus den Erwerb ankommt,
der ohne große und dauernde Anstrengung selten zu bewirken ist, da muß der
Eigennutz freien Spielraum haben. Der Einzelne muß wissen, daß seine Geschick-
lichkeit, sein Fleiß, seine Kraftäußerung nach dem Grade seiner Anstrengung be¬
lohnt werden. Arbeit und Ablehnung müssen daher nicht weit von einander ge-


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[0486] sparniß eS aushalten, wenn eine kurze Zeit sein Verdienst spärlicher ausfällt. Der Arbeitgeber aber, welcher viele Leute beschäftigt, ist bei stockenden Einnahmen in einer schlimmeren Lage. Die wirkliche Einschränkung in seinen persönlichen Aus¬ gaben will in der Regel nicht viel bedeuten. Treibt er sein Geschäft also ohne Vorrath, ohne Capital, so geräth er bei gestörten Geldznfluß in große Verlegen¬ heit, die sich von ihm auf alle diejenigen überträgt, die für ihn arbeiten und da¬ her ihr Lohn von ihm zu beziehen gewohnt sind. Je größer also das disponible oder Betriebscapital ist, womit ein Arbeitsgeber sein Geschäft betreibt, desto grö¬ ßer ist für die Arbeiter die Sicherheit, daß sie ihren gewöhnlichen Verdienst ohne Unterbrechung haben werden. Die Unternehmer und Arbeitgeber, welche stets darauf bedacht sind, ihr Capital zu vermehren, sorgen daher nicht nur für sich, sondern eben so sehr für diejenigen, welche sie beschäftigen. Unter den Vorschlägen, die Lage der Arbeiter zu verbessern, ist auch der, daß Alle, die in einer Unternehmung beschäftigt sind, durch Sparsamkeit das dazu erforderliche Capital aufbringen möchten, um den Zinsengenuß, den ein solches gewährt, neben dem Arbeitsverdienst zu erlangen. Dagegen lassen sich aber erhebliche Bedenken aussprechen. Das erste ist, daß das Capital vor dem Beginn jeder Unternehmung vorhanden sein muß. Nun hat aber das Ansammeln eines Capitals bei Leuten, welche täglich essen müssen, welche für Wohnung, Klei¬ dung und viele andere Bedürfnisse zu sorgen haben, seine eigenthümlichen Schwie¬ rigkeiten, wie jedem bekannt sein wird, der die Menschen zu beobachten Gelegen¬ heit hatte. In den Zeiten, wo die größte Arbeitskraft vorhanden zu sein pflegt, ist auch die Genußsucht am stärksten. Nur wenige gelangen dahin, diese zu re¬ geln, sich in der Gegenwart etwas zu versagen, um in der Zukunft größere, we¬ nigstens edlere Genüsse zu haben. Zweitens erfordert die Verwaltung eines von vielen in kleinen Beträgen zu¬ sammengebrachtes Capital große Treue und Aufmerksamkeit, die nicht geringer sein dürfte, als diejenige ist, welche die Unternehmer eines Geschäfts auf die Er¬ haltung und Vermehrung ihres Capitals verwenden müssen. Nun lehrt aber wie¬ der die bei allen Actienunternehmungcn sich herausstellende Erfahrung, daß das Vermögen, welches vielen Theilnehmern gehört, sehr selten so vorsichtig verwaltet wird, als das eigene. Aus beiden Ursachen ist daher von diesem Vorschlage für die Verbesserung der Arbeiterzustände nicht viel zu hoffen. Die Versuche mit der Association der Arbeiter, welche die Socialisten bisher gemacht haben, indem sie ihre Lehre auf den Landbau anwenden wollten, sind, so viel bekannt geworden ist, sämmtlich gescheitert. Wo es aus den Erwerb ankommt, der ohne große und dauernde Anstrengung selten zu bewirken ist, da muß der Eigennutz freien Spielraum haben. Der Einzelne muß wissen, daß seine Geschick- lichkeit, sein Fleiß, seine Kraftäußerung nach dem Grade seiner Anstrengung be¬ lohnt werden. Arbeit und Ablehnung müssen daher nicht weit von einander ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/486>, abgerufen am 22.07.2024.