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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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seinen lebhaften Fragen nach Leipziger Zuständen und literarischen Genossen war
zu merken, daß er ein schriftstellernder Oestreicher war, der seine erste Nordlandsreise
machte, um nach damaligem Brauch in Leipzig für seine heimlichen Geistesproducte
einen Verleger, für sich selbst Bekanntschaften und den wohlthuenden Schutz der
Leipziger Journalistik zu gewinnen, welche den östreichischen Censurflüchtlingen
vorzugsweise hold zu sein pflegte. Wir fanden im Coupe Behagen an einander,
besonders nachdem er die Liebenswürdigkeit gehabt hatte, sich unter den vielen
Andern, Rüge, Kuranda, Laube, Kühne, auch nach mir selber zu erkundigen, wo¬
durch ich Gelegenheit zu einer abenteuerlichen Selbstbeschreibung erhielt, die we¬
nigstens uns beide amüsirte. Lachend erkannten wir uns in Dresden wieder, als
er mich aufsuchte, und einige Tage heitern Zusammenseins waren die Folgen der
flüchtigen Reisebekanntschaft. Messenhauser war damals Oberlieutnant beim Regi¬
ment Deutschmeister und stand in Lemberg. Er war der Sohn eines östreichischen
Unteroffiziers, in einer militärischen Erziehungsanstalt erzogen und noch mit Leib
und Seele Soldat. Er machte jeden Augenblick den Eindruck eines Menschen, der
sich von unten herauf gearbeitet hat, und sowohl das Bestreben, als das Geschick
besitzt, sich die leichte Gewandheit guter Herkunft anzueignen. Wie bei den Mei¬
sten, welche durch eigne Kraft heraufgekommen sind, bedürfte sein Selbstgefühl
fortwährender Nahrung, er sprach gern und viel von sich, hatte ein gutes Auge
für das, was ihm fehlte und eine gute Meinung von dem, was er besaß. Vor
Allem war er der Ansicht, ihm fehle es in der deutschen Sprache und an elegantem
Styl, dagegen besitze er als Schriftsteller viel Erfindungskraft und als Mensch
viel Bravour und ein glückliches Geschick. Uns machte er einen lebhaften Ein¬
druck, der nicht ohne tiefes Bedauern war. Man war überzeugt, daß die starke
Lebenskraft, welche im Gespräch überall hervorsprudelte, wohl sähig sei, ihn zu
Bedeutenden zu treiben, und auf einen Punkt concentrirt, auch Tüchtiges zu schaf¬
fen; aber man mußte trauern über den Mangel an Kenntnissen und wissenschaft¬
licher Bildung, welcher überall zu Tage lag und nnr durch den naiven Leichtsinn
seines südlichen Naturells erträglich wurde. Wozu der norddeutsche von kleinauf
gezogen wird, zu einem nüchternen, verständigen Urtheil, zur objectiven Betrach-
ung der Außenwelt, davon besaß er sehr wenig. Was er ergriff, verwandelte
se> durch seine Phantasie in seltsame groteske Formen. Die Leiden Galiziens,
Streu des russischen Despotismus schilderte er uns mit einem gewissen unge-
heuvlichen Schwunge; man hörte ihm gern zu, denn er war dabei ganz Leben
und Bewegung und überzog Alles durch die Glut der Empfindung, wobei die
Klanse des Urtheils fehlte, aber er überzeugte deshalb auch nicht. Ueberall
aber lach ein glühender Ehrgeiz hervor, der ihm eine Sehnsucht nach unge-
wöhnliqn Erlebnissen und die Hoffnung auf staunenswerthe Thaten, die er noch
verrichtet werde, einflößte. Man mußte sich sagen, daß in solchem Ehrgeiz, der
so wenig irch vernünftige Ueberlegung geleitet war, etwas Unheimliches liege,


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seinen lebhaften Fragen nach Leipziger Zuständen und literarischen Genossen war
zu merken, daß er ein schriftstellernder Oestreicher war, der seine erste Nordlandsreise
machte, um nach damaligem Brauch in Leipzig für seine heimlichen Geistesproducte
einen Verleger, für sich selbst Bekanntschaften und den wohlthuenden Schutz der
Leipziger Journalistik zu gewinnen, welche den östreichischen Censurflüchtlingen
vorzugsweise hold zu sein pflegte. Wir fanden im Coupe Behagen an einander,
besonders nachdem er die Liebenswürdigkeit gehabt hatte, sich unter den vielen
Andern, Rüge, Kuranda, Laube, Kühne, auch nach mir selber zu erkundigen, wo¬
durch ich Gelegenheit zu einer abenteuerlichen Selbstbeschreibung erhielt, die we¬
nigstens uns beide amüsirte. Lachend erkannten wir uns in Dresden wieder, als
er mich aufsuchte, und einige Tage heitern Zusammenseins waren die Folgen der
flüchtigen Reisebekanntschaft. Messenhauser war damals Oberlieutnant beim Regi¬
ment Deutschmeister und stand in Lemberg. Er war der Sohn eines östreichischen
Unteroffiziers, in einer militärischen Erziehungsanstalt erzogen und noch mit Leib
und Seele Soldat. Er machte jeden Augenblick den Eindruck eines Menschen, der
sich von unten herauf gearbeitet hat, und sowohl das Bestreben, als das Geschick
besitzt, sich die leichte Gewandheit guter Herkunft anzueignen. Wie bei den Mei¬
sten, welche durch eigne Kraft heraufgekommen sind, bedürfte sein Selbstgefühl
fortwährender Nahrung, er sprach gern und viel von sich, hatte ein gutes Auge
für das, was ihm fehlte und eine gute Meinung von dem, was er besaß. Vor
Allem war er der Ansicht, ihm fehle es in der deutschen Sprache und an elegantem
Styl, dagegen besitze er als Schriftsteller viel Erfindungskraft und als Mensch
viel Bravour und ein glückliches Geschick. Uns machte er einen lebhaften Ein¬
druck, der nicht ohne tiefes Bedauern war. Man war überzeugt, daß die starke
Lebenskraft, welche im Gespräch überall hervorsprudelte, wohl sähig sei, ihn zu
Bedeutenden zu treiben, und auf einen Punkt concentrirt, auch Tüchtiges zu schaf¬
fen; aber man mußte trauern über den Mangel an Kenntnissen und wissenschaft¬
licher Bildung, welcher überall zu Tage lag und nnr durch den naiven Leichtsinn
seines südlichen Naturells erträglich wurde. Wozu der norddeutsche von kleinauf
gezogen wird, zu einem nüchternen, verständigen Urtheil, zur objectiven Betrach-
ung der Außenwelt, davon besaß er sehr wenig. Was er ergriff, verwandelte
se> durch seine Phantasie in seltsame groteske Formen. Die Leiden Galiziens,
Streu des russischen Despotismus schilderte er uns mit einem gewissen unge-
heuvlichen Schwunge; man hörte ihm gern zu, denn er war dabei ganz Leben
und Bewegung und überzog Alles durch die Glut der Empfindung, wobei die
Klanse des Urtheils fehlte, aber er überzeugte deshalb auch nicht. Ueberall
aber lach ein glühender Ehrgeiz hervor, der ihm eine Sehnsucht nach unge-
wöhnliqn Erlebnissen und die Hoffnung auf staunenswerthe Thaten, die er noch
verrichtet werde, einflößte. Man mußte sich sagen, daß in solchem Ehrgeiz, der
so wenig irch vernünftige Ueberlegung geleitet war, etwas Unheimliches liege,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/479>, abgerufen am 25.12.2024.