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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Ohne die Stimme des Friedens, die der commandirende General, die Sach¬
sen und Walachen noch einmal an die Magyaren richteten, auch nur im gering¬
sten zu beachten, fuhren diese ohne Unterlaß fort, an den vornehmsten Walachen,
deren sie habhaft werden konnten, standrechtliche Urtheile auf eine Weise zu voll¬
ziehen, wie man sie im 19. Jahrhundert in Siebenbürgen nicht erwartet hatte.
So wurden in Klausenburg am 12. October zwei junge walachische Hauptleute
der Nationalgarde und ein Geistlicher wegen "Aufwieglung" mit dem Strang hin¬
gerichtet und an demselben Tage in Maros - Varsahely ein junger Walache buch¬
stäblich gekreuzigt; es wurden ihm Füße und Ohren abgeschnitten, die Augen aus-
gestochen und derselbe zuletzt noch gehängt. Die Magyaren dachten nicht daran,
die wuthentbrannten Walachen könnten mit ihnen dereinst Rechnung abhalten!
Sie vertrauten allzuviel auf den eingebildeten Sieg über Jellachich bei Stuhl¬
weißenburg und auf die Szekler, die sich nahe an 40,000 Mann stark bei Agyag-
falu zwischen Schäßburg und Udvarhely unter dem Verwände einer Volksver¬
sammlung bewaffnet eingefunden und nichts anders im Sinne hatten, als in den
Thälern des Mcirosch und der beiden Kokeln hinabziehend die Feinde des magya¬
rischen Ministeriums zu züchtigen und aus immer zu unterwerfen. Es standen sich
demnach die Feinde bereits zu Tausenden gegenüber, als die Nachricht von der
Erhebung Wiens ankam und zur Entscheidung drängte. Jetzt, wo Alles auf dem
Spiele stand, mußten die Kriegswürfel fallen.'




Wenzel Meffenhaufer.



Harte Urtheile und unnütze Schmähungen haben den unseligen Mann, wel¬
cher in der Wiener Katastrophe eine Zeitungsberühmtheit geworden war, noch
nach seinem Tode verfolgt. Er hat blutig gesühnt, was er gefehlt hatte und der
Parteihaß hat ihm gegenüber kein Recht mehr. Wohl aber ist es die Pflicht guter
Cameradschaft auch das Ehrcnwerthe in seinem Wesen nicht zu verschweigen. Eine
kurze Darstellung seiner Persönlichkeit ist schon deshalb von Interesse, weil in
dem Leben dieses Mannes sich Vieles von dem abspiegelt, was der gesammten
östreichischen Jugend unsrer Zeit als Segen und Fluch für ihre und des Vater¬
landes Entwickelung mitgegeben ist.

Im Januar dieses Jahres traf ich auf der Eisenbahn vor Dresden mit einem
östreichischen Offizier zusammen. Eine schlanke Gestalt von mittler Größe, schwarzes
Haar, langes scharfgeschnittenes Gesicht und feurige Augen, vor Allem aber ein
recht tüchtiger, hausbackener Wiener Dialect, machten den Mann bemerkbar. Aus


Ohne die Stimme des Friedens, die der commandirende General, die Sach¬
sen und Walachen noch einmal an die Magyaren richteten, auch nur im gering¬
sten zu beachten, fuhren diese ohne Unterlaß fort, an den vornehmsten Walachen,
deren sie habhaft werden konnten, standrechtliche Urtheile auf eine Weise zu voll¬
ziehen, wie man sie im 19. Jahrhundert in Siebenbürgen nicht erwartet hatte.
So wurden in Klausenburg am 12. October zwei junge walachische Hauptleute
der Nationalgarde und ein Geistlicher wegen „Aufwieglung" mit dem Strang hin¬
gerichtet und an demselben Tage in Maros - Varsahely ein junger Walache buch¬
stäblich gekreuzigt; es wurden ihm Füße und Ohren abgeschnitten, die Augen aus-
gestochen und derselbe zuletzt noch gehängt. Die Magyaren dachten nicht daran,
die wuthentbrannten Walachen könnten mit ihnen dereinst Rechnung abhalten!
Sie vertrauten allzuviel auf den eingebildeten Sieg über Jellachich bei Stuhl¬
weißenburg und auf die Szekler, die sich nahe an 40,000 Mann stark bei Agyag-
falu zwischen Schäßburg und Udvarhely unter dem Verwände einer Volksver¬
sammlung bewaffnet eingefunden und nichts anders im Sinne hatten, als in den
Thälern des Mcirosch und der beiden Kokeln hinabziehend die Feinde des magya¬
rischen Ministeriums zu züchtigen und aus immer zu unterwerfen. Es standen sich
demnach die Feinde bereits zu Tausenden gegenüber, als die Nachricht von der
Erhebung Wiens ankam und zur Entscheidung drängte. Jetzt, wo Alles auf dem
Spiele stand, mußten die Kriegswürfel fallen.'




Wenzel Meffenhaufer.



Harte Urtheile und unnütze Schmähungen haben den unseligen Mann, wel¬
cher in der Wiener Katastrophe eine Zeitungsberühmtheit geworden war, noch
nach seinem Tode verfolgt. Er hat blutig gesühnt, was er gefehlt hatte und der
Parteihaß hat ihm gegenüber kein Recht mehr. Wohl aber ist es die Pflicht guter
Cameradschaft auch das Ehrcnwerthe in seinem Wesen nicht zu verschweigen. Eine
kurze Darstellung seiner Persönlichkeit ist schon deshalb von Interesse, weil in
dem Leben dieses Mannes sich Vieles von dem abspiegelt, was der gesammten
östreichischen Jugend unsrer Zeit als Segen und Fluch für ihre und des Vater¬
landes Entwickelung mitgegeben ist.

Im Januar dieses Jahres traf ich auf der Eisenbahn vor Dresden mit einem
östreichischen Offizier zusammen. Eine schlanke Gestalt von mittler Größe, schwarzes
Haar, langes scharfgeschnittenes Gesicht und feurige Augen, vor Allem aber ein
recht tüchtiger, hausbackener Wiener Dialect, machten den Mann bemerkbar. Aus


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[0478] Ohne die Stimme des Friedens, die der commandirende General, die Sach¬ sen und Walachen noch einmal an die Magyaren richteten, auch nur im gering¬ sten zu beachten, fuhren diese ohne Unterlaß fort, an den vornehmsten Walachen, deren sie habhaft werden konnten, standrechtliche Urtheile auf eine Weise zu voll¬ ziehen, wie man sie im 19. Jahrhundert in Siebenbürgen nicht erwartet hatte. So wurden in Klausenburg am 12. October zwei junge walachische Hauptleute der Nationalgarde und ein Geistlicher wegen „Aufwieglung" mit dem Strang hin¬ gerichtet und an demselben Tage in Maros - Varsahely ein junger Walache buch¬ stäblich gekreuzigt; es wurden ihm Füße und Ohren abgeschnitten, die Augen aus- gestochen und derselbe zuletzt noch gehängt. Die Magyaren dachten nicht daran, die wuthentbrannten Walachen könnten mit ihnen dereinst Rechnung abhalten! Sie vertrauten allzuviel auf den eingebildeten Sieg über Jellachich bei Stuhl¬ weißenburg und auf die Szekler, die sich nahe an 40,000 Mann stark bei Agyag- falu zwischen Schäßburg und Udvarhely unter dem Verwände einer Volksver¬ sammlung bewaffnet eingefunden und nichts anders im Sinne hatten, als in den Thälern des Mcirosch und der beiden Kokeln hinabziehend die Feinde des magya¬ rischen Ministeriums zu züchtigen und aus immer zu unterwerfen. Es standen sich demnach die Feinde bereits zu Tausenden gegenüber, als die Nachricht von der Erhebung Wiens ankam und zur Entscheidung drängte. Jetzt, wo Alles auf dem Spiele stand, mußten die Kriegswürfel fallen.' Wenzel Meffenhaufer. Harte Urtheile und unnütze Schmähungen haben den unseligen Mann, wel¬ cher in der Wiener Katastrophe eine Zeitungsberühmtheit geworden war, noch nach seinem Tode verfolgt. Er hat blutig gesühnt, was er gefehlt hatte und der Parteihaß hat ihm gegenüber kein Recht mehr. Wohl aber ist es die Pflicht guter Cameradschaft auch das Ehrcnwerthe in seinem Wesen nicht zu verschweigen. Eine kurze Darstellung seiner Persönlichkeit ist schon deshalb von Interesse, weil in dem Leben dieses Mannes sich Vieles von dem abspiegelt, was der gesammten östreichischen Jugend unsrer Zeit als Segen und Fluch für ihre und des Vater¬ landes Entwickelung mitgegeben ist. Im Januar dieses Jahres traf ich auf der Eisenbahn vor Dresden mit einem östreichischen Offizier zusammen. Eine schlanke Gestalt von mittler Größe, schwarzes Haar, langes scharfgeschnittenes Gesicht und feurige Augen, vor Allem aber ein recht tüchtiger, hausbackener Wiener Dialect, machten den Mann bemerkbar. Aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/478>, abgerufen am 22.07.2024.