Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gyarismus hindernd in den Weg trat, richteten sich nun vorzugsweise die Flüche
und Schmähungen der magyarischen Presse; ja in Somlyo und Deva hatten die
Magyaren ohne Anlaß das wenige dort stehende Militär bereits angegriffen. Also
dankten die Magyaren dem Militär, das doch an vielen Orten, z. B. in der
hunyader Gespanschaft, wo zwischen den Magyaren und Walachen täglich blutige
Reibungen vorfielen, ein allgemeines Blutbad von den Magyaren zurückhielt.
Allein die Spannung wuchs; walachische Emissäre riefen ihr Voll überall zu den
Waffen.

Die zahlreichen sächsischen Burgen in Städten, Märkten und Dörfern, die
man seit den Kuruzerkriegen (Anfang des vorigen Jahrhunderts) nicht mehr ge¬
braucht und theilweise schon abgetragen hatte, wurden wieder in Vertheidigungs¬
zustand gesetzt; in die östlichen Theile des Sachsenlandes, gegen das Szeklerland
zu, wurden starke Militärabtheilnngen mit schwerem Geschütz verlegt, unter den
Sachsen mobile Corps errichtet, bei Hermannstadt wurde ein großes Feldmanöver
von Nationalgarten der Umgegend gehalten -- kurz, das ganze Sachsenland hatte
ein sehr kriegerisches Aussehen und die Sachsen, denen ihre magyarischen Gegner
bisher alle Tapferkeit abzusprechen eifrig bemüht gewesen waren, brannten vor
Ungeduld, um sich gerade an ihren stolzen Verächtern die ersten Sporen zu
verdienen.

In diesem Zustande traf Siebenbürgen die Wiener Zeitung vom 5. October
mit dem k. Rescript vom !!., demzufolge der Pesther Reichstag aufgelöst und Jel-
lachich zum bevollmächtigten Kommissar ernannt wurde.

Die Magyaren trieben es von Tag zu Tage toller. Vollends reizten sie den
lange zurückgehaltenen Groll des Militärs durch Berichte der magyarischen Zei¬
tungen, in denen hö hieß, der Hauptmann Zöller von Preußens Infanterie, der
von Wien als Kurier ans siebenbürgische GeiMalcommando kam, sei in Udvar-
hely ermordet und seine Depeschen geraubt worden *). Das hatte der magyarischen
Sache selbst in den Angen magyarischer Soldaten einen gewaltigen Stoß gegeben.
Hatte sich doch schon vorher das Grenadierbataillvn Aranea, das größtentheils
aus Magyaren bestehend vom magyarischen Ministerium aus Hermannstadt weg
zum Kampf gegen Jellachich nach Pesth gerufen worden, durch alle Ränke der Magya¬
ren nicht irre führen lassen und war aus einen Gegenbefehl aus Wien in Eilmär¬
schen nach Hermannstadt zurückgekehrt! Wie hätten sie aber auch durch die Ver¬
lockungen und Versprechungen der Magyaren zum Uebertritt in die Reihen der
Freischaaren und Nationalgarten sich bewegen lassen können, da sie hier die grä߬
lichste Unordnung und Demoralisation wahrnahmen!



*) Es war dies wieder eine Unwahrheit, die für die Magyaren blutige Früchte trug. Man
fand den Hauptmann ZöUcr bei der Einnahme von Moros-Varsahely im Kerker, wo man ihn
wochenlang durch tägliche Androhung einer grausamen Todesart so gemartert hatte, daß er
nach seiner Befreiung in Hermannstadt ernstlich erkrankte.
Grenzboten. IV. lsis. 60

gyarismus hindernd in den Weg trat, richteten sich nun vorzugsweise die Flüche
und Schmähungen der magyarischen Presse; ja in Somlyo und Deva hatten die
Magyaren ohne Anlaß das wenige dort stehende Militär bereits angegriffen. Also
dankten die Magyaren dem Militär, das doch an vielen Orten, z. B. in der
hunyader Gespanschaft, wo zwischen den Magyaren und Walachen täglich blutige
Reibungen vorfielen, ein allgemeines Blutbad von den Magyaren zurückhielt.
Allein die Spannung wuchs; walachische Emissäre riefen ihr Voll überall zu den
Waffen.

Die zahlreichen sächsischen Burgen in Städten, Märkten und Dörfern, die
man seit den Kuruzerkriegen (Anfang des vorigen Jahrhunderts) nicht mehr ge¬
braucht und theilweise schon abgetragen hatte, wurden wieder in Vertheidigungs¬
zustand gesetzt; in die östlichen Theile des Sachsenlandes, gegen das Szeklerland
zu, wurden starke Militärabtheilnngen mit schwerem Geschütz verlegt, unter den
Sachsen mobile Corps errichtet, bei Hermannstadt wurde ein großes Feldmanöver
von Nationalgarten der Umgegend gehalten — kurz, das ganze Sachsenland hatte
ein sehr kriegerisches Aussehen und die Sachsen, denen ihre magyarischen Gegner
bisher alle Tapferkeit abzusprechen eifrig bemüht gewesen waren, brannten vor
Ungeduld, um sich gerade an ihren stolzen Verächtern die ersten Sporen zu
verdienen.

In diesem Zustande traf Siebenbürgen die Wiener Zeitung vom 5. October
mit dem k. Rescript vom !!., demzufolge der Pesther Reichstag aufgelöst und Jel-
lachich zum bevollmächtigten Kommissar ernannt wurde.

Die Magyaren trieben es von Tag zu Tage toller. Vollends reizten sie den
lange zurückgehaltenen Groll des Militärs durch Berichte der magyarischen Zei¬
tungen, in denen hö hieß, der Hauptmann Zöller von Preußens Infanterie, der
von Wien als Kurier ans siebenbürgische GeiMalcommando kam, sei in Udvar-
hely ermordet und seine Depeschen geraubt worden *). Das hatte der magyarischen
Sache selbst in den Angen magyarischer Soldaten einen gewaltigen Stoß gegeben.
Hatte sich doch schon vorher das Grenadierbataillvn Aranea, das größtentheils
aus Magyaren bestehend vom magyarischen Ministerium aus Hermannstadt weg
zum Kampf gegen Jellachich nach Pesth gerufen worden, durch alle Ränke der Magya¬
ren nicht irre führen lassen und war aus einen Gegenbefehl aus Wien in Eilmär¬
schen nach Hermannstadt zurückgekehrt! Wie hätten sie aber auch durch die Ver¬
lockungen und Versprechungen der Magyaren zum Uebertritt in die Reihen der
Freischaaren und Nationalgarten sich bewegen lassen können, da sie hier die grä߬
lichste Unordnung und Demoralisation wahrnahmen!



*) Es war dies wieder eine Unwahrheit, die für die Magyaren blutige Früchte trug. Man
fand den Hauptmann ZöUcr bei der Einnahme von Moros-Varsahely im Kerker, wo man ihn
wochenlang durch tägliche Androhung einer grausamen Todesart so gemartert hatte, daß er
nach seiner Befreiung in Hermannstadt ernstlich erkrankte.
Grenzboten. IV. lsis. 60
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277233"/>
          <p xml:id="ID_1446" prev="#ID_1445"> gyarismus hindernd in den Weg trat, richteten sich nun vorzugsweise die Flüche<lb/>
und Schmähungen der magyarischen Presse; ja in Somlyo und Deva hatten die<lb/>
Magyaren ohne Anlaß das wenige dort stehende Militär bereits angegriffen. Also<lb/>
dankten die Magyaren dem Militär, das doch an vielen Orten, z. B. in der<lb/>
hunyader Gespanschaft, wo zwischen den Magyaren und Walachen täglich blutige<lb/>
Reibungen vorfielen, ein allgemeines Blutbad von den Magyaren zurückhielt.<lb/>
Allein die Spannung wuchs; walachische Emissäre riefen ihr Voll überall zu den<lb/>
Waffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1447"> Die zahlreichen sächsischen Burgen in Städten, Märkten und Dörfern, die<lb/>
man seit den Kuruzerkriegen (Anfang des vorigen Jahrhunderts) nicht mehr ge¬<lb/>
braucht und theilweise schon abgetragen hatte, wurden wieder in Vertheidigungs¬<lb/>
zustand gesetzt; in die östlichen Theile des Sachsenlandes, gegen das Szeklerland<lb/>
zu, wurden starke Militärabtheilnngen mit schwerem Geschütz verlegt, unter den<lb/>
Sachsen mobile Corps errichtet, bei Hermannstadt wurde ein großes Feldmanöver<lb/>
von Nationalgarten der Umgegend gehalten &#x2014; kurz, das ganze Sachsenland hatte<lb/>
ein sehr kriegerisches Aussehen und die Sachsen, denen ihre magyarischen Gegner<lb/>
bisher alle Tapferkeit abzusprechen eifrig bemüht gewesen waren, brannten vor<lb/>
Ungeduld, um sich gerade an ihren stolzen Verächtern die ersten Sporen zu<lb/>
verdienen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1448"> In diesem Zustande traf Siebenbürgen die Wiener Zeitung vom 5. October<lb/>
mit dem k. Rescript vom !!., demzufolge der Pesther Reichstag aufgelöst und Jel-<lb/>
lachich zum bevollmächtigten Kommissar ernannt wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1449"> Die Magyaren trieben es von Tag zu Tage toller. Vollends reizten sie den<lb/>
lange zurückgehaltenen Groll des Militärs durch Berichte der magyarischen Zei¬<lb/>
tungen, in denen hö hieß, der Hauptmann Zöller von Preußens Infanterie, der<lb/>
von Wien als Kurier ans siebenbürgische GeiMalcommando kam, sei in Udvar-<lb/>
hely ermordet und seine Depeschen geraubt worden *). Das hatte der magyarischen<lb/>
Sache selbst in den Angen magyarischer Soldaten einen gewaltigen Stoß gegeben.<lb/>
Hatte sich doch schon vorher das Grenadierbataillvn Aranea, das größtentheils<lb/>
aus Magyaren bestehend vom magyarischen Ministerium aus Hermannstadt weg<lb/>
zum Kampf gegen Jellachich nach Pesth gerufen worden, durch alle Ränke der Magya¬<lb/>
ren nicht irre führen lassen und war aus einen Gegenbefehl aus Wien in Eilmär¬<lb/>
schen nach Hermannstadt zurückgekehrt! Wie hätten sie aber auch durch die Ver¬<lb/>
lockungen und Versprechungen der Magyaren zum Uebertritt in die Reihen der<lb/>
Freischaaren und Nationalgarten sich bewegen lassen können, da sie hier die grä߬<lb/>
lichste Unordnung und Demoralisation wahrnahmen!</p><lb/>
          <note xml:id="FID_22" place="foot"> *) Es war dies wieder eine Unwahrheit, die für die Magyaren blutige Früchte trug. Man<lb/>
fand den Hauptmann ZöUcr bei der Einnahme von Moros-Varsahely im Kerker, wo man ihn<lb/>
wochenlang durch tägliche Androhung einer grausamen Todesart so gemartert hatte, daß er<lb/>
nach seiner Befreiung in Hermannstadt ernstlich erkrankte.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. lsis. 60</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] gyarismus hindernd in den Weg trat, richteten sich nun vorzugsweise die Flüche und Schmähungen der magyarischen Presse; ja in Somlyo und Deva hatten die Magyaren ohne Anlaß das wenige dort stehende Militär bereits angegriffen. Also dankten die Magyaren dem Militär, das doch an vielen Orten, z. B. in der hunyader Gespanschaft, wo zwischen den Magyaren und Walachen täglich blutige Reibungen vorfielen, ein allgemeines Blutbad von den Magyaren zurückhielt. Allein die Spannung wuchs; walachische Emissäre riefen ihr Voll überall zu den Waffen. Die zahlreichen sächsischen Burgen in Städten, Märkten und Dörfern, die man seit den Kuruzerkriegen (Anfang des vorigen Jahrhunderts) nicht mehr ge¬ braucht und theilweise schon abgetragen hatte, wurden wieder in Vertheidigungs¬ zustand gesetzt; in die östlichen Theile des Sachsenlandes, gegen das Szeklerland zu, wurden starke Militärabtheilnngen mit schwerem Geschütz verlegt, unter den Sachsen mobile Corps errichtet, bei Hermannstadt wurde ein großes Feldmanöver von Nationalgarten der Umgegend gehalten — kurz, das ganze Sachsenland hatte ein sehr kriegerisches Aussehen und die Sachsen, denen ihre magyarischen Gegner bisher alle Tapferkeit abzusprechen eifrig bemüht gewesen waren, brannten vor Ungeduld, um sich gerade an ihren stolzen Verächtern die ersten Sporen zu verdienen. In diesem Zustande traf Siebenbürgen die Wiener Zeitung vom 5. October mit dem k. Rescript vom !!., demzufolge der Pesther Reichstag aufgelöst und Jel- lachich zum bevollmächtigten Kommissar ernannt wurde. Die Magyaren trieben es von Tag zu Tage toller. Vollends reizten sie den lange zurückgehaltenen Groll des Militärs durch Berichte der magyarischen Zei¬ tungen, in denen hö hieß, der Hauptmann Zöller von Preußens Infanterie, der von Wien als Kurier ans siebenbürgische GeiMalcommando kam, sei in Udvar- hely ermordet und seine Depeschen geraubt worden *). Das hatte der magyarischen Sache selbst in den Angen magyarischer Soldaten einen gewaltigen Stoß gegeben. Hatte sich doch schon vorher das Grenadierbataillvn Aranea, das größtentheils aus Magyaren bestehend vom magyarischen Ministerium aus Hermannstadt weg zum Kampf gegen Jellachich nach Pesth gerufen worden, durch alle Ränke der Magya¬ ren nicht irre führen lassen und war aus einen Gegenbefehl aus Wien in Eilmär¬ schen nach Hermannstadt zurückgekehrt! Wie hätten sie aber auch durch die Ver¬ lockungen und Versprechungen der Magyaren zum Uebertritt in die Reihen der Freischaaren und Nationalgarten sich bewegen lassen können, da sie hier die grä߬ lichste Unordnung und Demoralisation wahrnahmen! *) Es war dies wieder eine Unwahrheit, die für die Magyaren blutige Früchte trug. Man fand den Hauptmann ZöUcr bei der Einnahme von Moros-Varsahely im Kerker, wo man ihn wochenlang durch tägliche Androhung einer grausamen Todesart so gemartert hatte, daß er nach seiner Befreiung in Hermannstadt ernstlich erkrankte. Grenzboten. IV. lsis. 60

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/477>, abgerufen am 22.07.2024.