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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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und Heinr. Schmidt), Leschkirch (Brantsch und Friedenfeld) und Medrisch (Fabini
und Schnell) ans dem Reichstag auftraten; die Abgeordneten von Hermannstadt,
weil der Reichstag von dem Pfade der Gesetzlichkeit abgewichen sei; die Abgeord¬
neten von Leschkirch und Medrisch, weil sie es mit ihren Principien nicht für
vereinbar hielten, im Reichstag länger zu sitzen. Bei der Bekanntmachung dieser
Anstrittserklärungen erhob sich von allen Seiten ein ungeheurer Sturm. Kossuth
nannte Jeden, der dem Reichstag Ungesetzlichkeit vorwerfe, einen Anhänger Jel-
lachich's und beantragte, die sechs Abgeordneten nicht eher abreisen zu lassen, bis
nicht ihre Stellvertreter angekommen seien, ferner, den Szekler Abgeordneten Palffy
als Commissär nach Siebenbürgen zu senden, um die revolutionäre Bewegung da¬
selbst zu überwachen. Ja Palffy ging sogar so weit, die Köpfe der Verräther
zu fordern und drohte, die Aufwiegler, falls er als königlicher Kommissar nach
Siebenbürgen komme, mit eiserner Strenge zu verfolgen. Derselbe Palffy er¬
zählte noch, daß die sechs Abgeordneten schon vor drei Tagen Pesth verlas¬
sen hätten, eine Unwahrheit, die der Präsident Pazmandy, bei dem die Abgeord¬
neten doch kurz vor der Sitzung ihre Austrittserklärung persönlich eingereicht hat¬
ten, als ehrlicher Mann jedenfalls hätte berichtigen müssen. Palffy wurde jedoch
nicht als Commissär ausgeschickt, da der sächsische Abgeordnete von Neußmarkt,
Konrad Schmidt -- bei dessen Namensaufruf sich ein fürchterliches Toben erhob,
bis endlich der Präsident den Irrthum des Reichstags, als sei dieser der ausge¬
tretene Schmidt, berichtigte -- hiervon abrieth, indem man dadurch Argwohn ge¬
gen die sächsische Nation verrathe und sie reize; der Austritt der sechs Abgeord-
neten sei blos als eine individuelle Handlung derselben anzusehen. Das war
allerdings stark unter magyarischem Einfluß gesprochen, denn Schmidt und die
übrigen sächsischen Abgeordneten, die noch dasaßen, fühlten anders und entfernten
sich schon in den nächsten Tagen theils mit, theils ohne Urlaub aus Pesth, um
nie wieder in den Reichstag zu treten, der jene sechs Männer für Ausreißer
erklärt hatte und trotz jener Abmahnung Specialcvmmissarc an Vay's Stelle uach
Siebenbürgen zu senden beschloß. Die sächsische Nationaldeputation hatte sich eben¬
falls von Pesth nach Wien begeben, mit ihr auch der Graf der Sachsen.

Daß ein solch Verfahren des Pesther Reichstages anch die letzten Aussichten
ans eine friedliche Lösung der siebenbürgischen Frage unmöglich machte, ja daß
der doch von allen Seiten bedrängte Magyarismus geflissentlich einen Bürgerkrieg
in Siebenbürgen zu entflammen suchte, um dann mit Hilfe der für unüberwind-
lich gehaltenen Szekler die Sachsen und Walachen durch Waffengewalt unterwer¬
fen und mit ihnen nach Belieben schalten und walten zu können: dies ist nur zu
gewiß, wenn man bedenkt, daß der Szekler Abgeordnete Berzenczni zu Ende Au¬
gust ins Szeklerland abgeschickt worden war, um sür den serbischen Krieg Kossuth-
husaren zu werben, eigentlich aber, um die Szekler gegen die Sachsen zu reizen.
Einzelne, einem Angriffe der Szekler allzu sehr ausgesetzte sächsische Orte mußten


und Heinr. Schmidt), Leschkirch (Brantsch und Friedenfeld) und Medrisch (Fabini
und Schnell) ans dem Reichstag auftraten; die Abgeordneten von Hermannstadt,
weil der Reichstag von dem Pfade der Gesetzlichkeit abgewichen sei; die Abgeord¬
neten von Leschkirch und Medrisch, weil sie es mit ihren Principien nicht für
vereinbar hielten, im Reichstag länger zu sitzen. Bei der Bekanntmachung dieser
Anstrittserklärungen erhob sich von allen Seiten ein ungeheurer Sturm. Kossuth
nannte Jeden, der dem Reichstag Ungesetzlichkeit vorwerfe, einen Anhänger Jel-
lachich's und beantragte, die sechs Abgeordneten nicht eher abreisen zu lassen, bis
nicht ihre Stellvertreter angekommen seien, ferner, den Szekler Abgeordneten Palffy
als Commissär nach Siebenbürgen zu senden, um die revolutionäre Bewegung da¬
selbst zu überwachen. Ja Palffy ging sogar so weit, die Köpfe der Verräther
zu fordern und drohte, die Aufwiegler, falls er als königlicher Kommissar nach
Siebenbürgen komme, mit eiserner Strenge zu verfolgen. Derselbe Palffy er¬
zählte noch, daß die sechs Abgeordneten schon vor drei Tagen Pesth verlas¬
sen hätten, eine Unwahrheit, die der Präsident Pazmandy, bei dem die Abgeord¬
neten doch kurz vor der Sitzung ihre Austrittserklärung persönlich eingereicht hat¬
ten, als ehrlicher Mann jedenfalls hätte berichtigen müssen. Palffy wurde jedoch
nicht als Commissär ausgeschickt, da der sächsische Abgeordnete von Neußmarkt,
Konrad Schmidt — bei dessen Namensaufruf sich ein fürchterliches Toben erhob,
bis endlich der Präsident den Irrthum des Reichstags, als sei dieser der ausge¬
tretene Schmidt, berichtigte — hiervon abrieth, indem man dadurch Argwohn ge¬
gen die sächsische Nation verrathe und sie reize; der Austritt der sechs Abgeord-
neten sei blos als eine individuelle Handlung derselben anzusehen. Das war
allerdings stark unter magyarischem Einfluß gesprochen, denn Schmidt und die
übrigen sächsischen Abgeordneten, die noch dasaßen, fühlten anders und entfernten
sich schon in den nächsten Tagen theils mit, theils ohne Urlaub aus Pesth, um
nie wieder in den Reichstag zu treten, der jene sechs Männer für Ausreißer
erklärt hatte und trotz jener Abmahnung Specialcvmmissarc an Vay's Stelle uach
Siebenbürgen zu senden beschloß. Die sächsische Nationaldeputation hatte sich eben¬
falls von Pesth nach Wien begeben, mit ihr auch der Graf der Sachsen.

Daß ein solch Verfahren des Pesther Reichstages anch die letzten Aussichten
ans eine friedliche Lösung der siebenbürgischen Frage unmöglich machte, ja daß
der doch von allen Seiten bedrängte Magyarismus geflissentlich einen Bürgerkrieg
in Siebenbürgen zu entflammen suchte, um dann mit Hilfe der für unüberwind-
lich gehaltenen Szekler die Sachsen und Walachen durch Waffengewalt unterwer¬
fen und mit ihnen nach Belieben schalten und walten zu können: dies ist nur zu
gewiß, wenn man bedenkt, daß der Szekler Abgeordnete Berzenczni zu Ende Au¬
gust ins Szeklerland abgeschickt worden war, um sür den serbischen Krieg Kossuth-
husaren zu werben, eigentlich aber, um die Szekler gegen die Sachsen zu reizen.
Einzelne, einem Angriffe der Szekler allzu sehr ausgesetzte sächsische Orte mußten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/473>, abgerufen am 22.07.2024.