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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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jede Stunde zur Abwehr der Feinde gerüstet sei". Als nun die Hermannstädter
Bürgcrversammluug die Vorfälle in Pesth und die Abreise ihrer Abgeordneten er¬
fuhr, sagte sie sich am 2ti. Sept. von Ungarn los und rief im Vorgefühl der
blutigen Zukunft, der Siebenbürgen nun entgegeneilte, muthig ihren Brüdern in
den übrigen sächsischen Kreisen zu: "Der ungarische Reichstag hat mit der sächsi¬
schen Nation gebrochen, denn er tritt ihre Rechte mit Füßen und reißt sie ge¬
waltsam in den Bürgerkrieg hinein, den seine Tyrannei in Ungarn entzündet hat.
Die Gefahr unsers Deutschthums drängt, die heilige Pflicht, die die beschworene
pragmatische Sanction uns auf die Seele bindet, mahnt, und das Gefühl der
unerschütterlichen Treue und Anhänglichkeit an das deutsche Kaiserhaus, die dem
sächsischen Bürger im Herzen wohnt, treibt die Nation jetzt mehr denn je, ent¬
schieden und fest entschlossen sich dahin zu stellen, von wannen ihr allein Rettung
kommt.... Die Stunde der Entscheidung schlägt. Länger säumen dürfen wir
nicht." Noch entschiedener trat die Hermannstädter Stuhlsversammlnng am 29.
Sept. auf. Sie billigte das muthige Benehmen ihrer beiden Reichstagsabgeord-
neten, verwarf die Union seitens der sächsischen Nation und erklärte feierlich, kei¬
nem magyarischen Ministerium, es bestehe aus welchen Personen immer, weiter
Folge zu leisten. Die Stuhlsversammlnng stellte sich unter das Ministerium der
östreichischen Gesammtmonarchie und alle walachischen Dorfsabgcordneten betheuer¬
ten, mit ihren sächsischen Brüdern einen Weg gehen zu wollen.

"Der ungarische Reichstag, wie auch das ungarische Ministerium," schrieb
die Stuhlsversammlnng an den Magistrat, "mit den ihm zu Theil gewordenen
Errungenschaften nicht zufrieden, hat verwegen eine Bahn betreten, welche diesel¬
ben nicht nur von den Herzen der Völker, welche sie für sich gewinnen wollten,
sondern auch aus dem Verbände der zur östreichischen Monarchie gehörigen Län¬
der, sowie von der Dynastie immer mehr entfernt und dem Lande Ungarn eine
der Gesammtmonarchie feindselige Richtung gibt. Zwar gibt man vor, noch alles
im Namen des Königs Ferdinand zu thun, doch hat man den König von Ungarn
in eine so feindselige Stellung mit dem ihm identischen Kaiser von Oestreich zu
bringen gewußt, daß eine Vereinigung dieser beiden Kronen auf einem und dem¬
selben Haupte bei den dermaligen Verhältnissen nicht mehr möglich ist. Kurz,
Ungarn hat sich, was man auch immer dagegen einwenden wolle, nicht nur von der
Gesammtmonarchie schon factisch losgerissen, sondern auch eine Richtung eingeschla¬
gen, welche zwischen Ungarn und Oestreich unvermeidlich einen Krieg herbeiführen
muß; -- die pragmatische Sanction wird von Ungarn nicht mehr anerkannt, der
Beherrscher Oestreichs ist nicht mehr als der legitime, seine Herrschergewalt auf
seine Nachkommen vererbende Regent von Ungarn anzusehen. Und in Ungarn
selbst wie beschränkt, ja wie bis zum bloßen Titel herabgewürdigt ist die königliche
Macht, ein bloßes Aushängschild, hinter welchem eine dem Königthum abholde
Faction ihre ehrgeizigen, auf den Glanz und die Macht eines einzigen Stammes


jede Stunde zur Abwehr der Feinde gerüstet sei». Als nun die Hermannstädter
Bürgcrversammluug die Vorfälle in Pesth und die Abreise ihrer Abgeordneten er¬
fuhr, sagte sie sich am 2ti. Sept. von Ungarn los und rief im Vorgefühl der
blutigen Zukunft, der Siebenbürgen nun entgegeneilte, muthig ihren Brüdern in
den übrigen sächsischen Kreisen zu: „Der ungarische Reichstag hat mit der sächsi¬
schen Nation gebrochen, denn er tritt ihre Rechte mit Füßen und reißt sie ge¬
waltsam in den Bürgerkrieg hinein, den seine Tyrannei in Ungarn entzündet hat.
Die Gefahr unsers Deutschthums drängt, die heilige Pflicht, die die beschworene
pragmatische Sanction uns auf die Seele bindet, mahnt, und das Gefühl der
unerschütterlichen Treue und Anhänglichkeit an das deutsche Kaiserhaus, die dem
sächsischen Bürger im Herzen wohnt, treibt die Nation jetzt mehr denn je, ent¬
schieden und fest entschlossen sich dahin zu stellen, von wannen ihr allein Rettung
kommt.... Die Stunde der Entscheidung schlägt. Länger säumen dürfen wir
nicht." Noch entschiedener trat die Hermannstädter Stuhlsversammlnng am 29.
Sept. auf. Sie billigte das muthige Benehmen ihrer beiden Reichstagsabgeord-
neten, verwarf die Union seitens der sächsischen Nation und erklärte feierlich, kei¬
nem magyarischen Ministerium, es bestehe aus welchen Personen immer, weiter
Folge zu leisten. Die Stuhlsversammlnng stellte sich unter das Ministerium der
östreichischen Gesammtmonarchie und alle walachischen Dorfsabgcordneten betheuer¬
ten, mit ihren sächsischen Brüdern einen Weg gehen zu wollen.

„Der ungarische Reichstag, wie auch das ungarische Ministerium," schrieb
die Stuhlsversammlnng an den Magistrat, „mit den ihm zu Theil gewordenen
Errungenschaften nicht zufrieden, hat verwegen eine Bahn betreten, welche diesel¬
ben nicht nur von den Herzen der Völker, welche sie für sich gewinnen wollten,
sondern auch aus dem Verbände der zur östreichischen Monarchie gehörigen Län¬
der, sowie von der Dynastie immer mehr entfernt und dem Lande Ungarn eine
der Gesammtmonarchie feindselige Richtung gibt. Zwar gibt man vor, noch alles
im Namen des Königs Ferdinand zu thun, doch hat man den König von Ungarn
in eine so feindselige Stellung mit dem ihm identischen Kaiser von Oestreich zu
bringen gewußt, daß eine Vereinigung dieser beiden Kronen auf einem und dem¬
selben Haupte bei den dermaligen Verhältnissen nicht mehr möglich ist. Kurz,
Ungarn hat sich, was man auch immer dagegen einwenden wolle, nicht nur von der
Gesammtmonarchie schon factisch losgerissen, sondern auch eine Richtung eingeschla¬
gen, welche zwischen Ungarn und Oestreich unvermeidlich einen Krieg herbeiführen
muß; — die pragmatische Sanction wird von Ungarn nicht mehr anerkannt, der
Beherrscher Oestreichs ist nicht mehr als der legitime, seine Herrschergewalt auf
seine Nachkommen vererbende Regent von Ungarn anzusehen. Und in Ungarn
selbst wie beschränkt, ja wie bis zum bloßen Titel herabgewürdigt ist die königliche
Macht, ein bloßes Aushängschild, hinter welchem eine dem Königthum abholde
Faction ihre ehrgeizigen, auf den Glanz und die Macht eines einzigen Stammes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/474>, abgerufen am 22.07.2024.