Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sehr gefahrvollen Schritt gethan und dem herrschgierigen MagyarismuS und seinem
Ministerium ein einstimmiges Mißtrauensvotum gegeben, das nicht viel weniger
als eine Lossagung von Ofen-Pesth zu bedeuten hatte. -- Dieselbe Aufregung
hatte sich auch der Walachen bemächtigt; sie rotteten sich zu Tausenden zusammen
und leisteten den ausgeschickten Militärexecutionen sogar bewaffneten Widerstand.
Das ganze Land drohte sich gegen die Magyaren zu erheben, als das Gubernium
die Conscription Wirte. Die beiden walachischen Grcnzregimenter und die große,
in Blasendorf vom 16. --25. September abgehaltene walachische Volksversammlung
verlangten vollständige und sofortige Befreiung vom Terrorismus des magyari¬
schen Standrechts, erklärten jede Verbindung mit Ungarn und dem ungarischen
Ministerium für aufgehoben und verlangten eine provisorische Regierung, bestehend
ans Walachen, Sachsen und Magyaren, die bis zur Eröffnung eines siebenbür-
gischen Landtags die Landesgeschäfte leiten sollten. Vay kam selbst hin und mußte
dem Volke Alles versprechen, nachdem seine Drohung, mit Bomben und 6000
Szeklern die Versammlung auseinanderjagen zu lassen, falls sie nicht freiwillig
sich auflöse, nichts gefruchtet hatte. Die Walachen hatten demnach den Magyaren
nicht nachgegeben. Und dennoch sahen sich die Stimmführer der Walachen später
zur Widerlegung einer, angeblich im Namen dieser Versammlung am Pesther
Reichstag eingereichten Petition genöthigt, in welcher die Führer der Walachen
versprochen haben sollten, 20,000 Mann zur Verfügung des magyarischen Mini¬
steriums zu stellen, wenn dieses einige walachische Oberbeamte in den Gespan¬
schaften ernenne und das Volk gegen die Unterdrückung der Aristokraten und vor¬
züglich gegen jene der Sachsen (?!) schützen wolle. So ehrloser Mittel bedienten
sich also die Magyaren um Sachsen und Walachen auf einander zu Hetzen. Doch
diese wußten recht gut, was sie von derartigen Eingaben zu halten hatten.

Nicht das Rekrutirungsgesetz allein war es, das diese ungeheure Erbitterung
hervorgebracht hatte; dieser Ministerialverordnung waren noch einige andere, den
Nichtmagyaren im höchsten Grade feindselige Beschlüsse des Pesther Reichstags
vorausgegangen, so das neue Schulgesetz, das besonders die nationalen Interessen
der Sachsen aufs Empfindlichste verletzte und sie dem sichern Untergang entgegen¬
zufahren drohte. Dazu kam nun noch die Ausgabe der vom König nicht bestätig¬
ten ungarischen Banknoten, dem das magyarische Ministerium durch Androhung
des Stranges Credit verschaffen mußte, jedoch auch auf diese Weise im Sachsen¬
lande nicht verschaffen konnte. Es kam dazu die von Tag zu Tag größer wer¬
dende Spaltung zwischen dem magyarischen und östreichischen Ministerium, wes¬
halb das letztere sich zu der bekannten Denkschrift veranlaßt sah, in welcher es das
ungarische Kriegs - und Finanzministerium zurückverlangte. Es kam dazu, daß die
Gewalt des Königs von Ungarn jener Kossuths, der "im Namen des Königs"
thatsächlich den Dictator spielte, schon vollständig gewichen war, daß ein Krieg
mit Oestreich unvermeidlich war. Dies, sowie die schnöde Behandlung der sach-


sehr gefahrvollen Schritt gethan und dem herrschgierigen MagyarismuS und seinem
Ministerium ein einstimmiges Mißtrauensvotum gegeben, das nicht viel weniger
als eine Lossagung von Ofen-Pesth zu bedeuten hatte. — Dieselbe Aufregung
hatte sich auch der Walachen bemächtigt; sie rotteten sich zu Tausenden zusammen
und leisteten den ausgeschickten Militärexecutionen sogar bewaffneten Widerstand.
Das ganze Land drohte sich gegen die Magyaren zu erheben, als das Gubernium
die Conscription Wirte. Die beiden walachischen Grcnzregimenter und die große,
in Blasendorf vom 16. —25. September abgehaltene walachische Volksversammlung
verlangten vollständige und sofortige Befreiung vom Terrorismus des magyari¬
schen Standrechts, erklärten jede Verbindung mit Ungarn und dem ungarischen
Ministerium für aufgehoben und verlangten eine provisorische Regierung, bestehend
ans Walachen, Sachsen und Magyaren, die bis zur Eröffnung eines siebenbür-
gischen Landtags die Landesgeschäfte leiten sollten. Vay kam selbst hin und mußte
dem Volke Alles versprechen, nachdem seine Drohung, mit Bomben und 6000
Szeklern die Versammlung auseinanderjagen zu lassen, falls sie nicht freiwillig
sich auflöse, nichts gefruchtet hatte. Die Walachen hatten demnach den Magyaren
nicht nachgegeben. Und dennoch sahen sich die Stimmführer der Walachen später
zur Widerlegung einer, angeblich im Namen dieser Versammlung am Pesther
Reichstag eingereichten Petition genöthigt, in welcher die Führer der Walachen
versprochen haben sollten, 20,000 Mann zur Verfügung des magyarischen Mini¬
steriums zu stellen, wenn dieses einige walachische Oberbeamte in den Gespan¬
schaften ernenne und das Volk gegen die Unterdrückung der Aristokraten und vor¬
züglich gegen jene der Sachsen (?!) schützen wolle. So ehrloser Mittel bedienten
sich also die Magyaren um Sachsen und Walachen auf einander zu Hetzen. Doch
diese wußten recht gut, was sie von derartigen Eingaben zu halten hatten.

Nicht das Rekrutirungsgesetz allein war es, das diese ungeheure Erbitterung
hervorgebracht hatte; dieser Ministerialverordnung waren noch einige andere, den
Nichtmagyaren im höchsten Grade feindselige Beschlüsse des Pesther Reichstags
vorausgegangen, so das neue Schulgesetz, das besonders die nationalen Interessen
der Sachsen aufs Empfindlichste verletzte und sie dem sichern Untergang entgegen¬
zufahren drohte. Dazu kam nun noch die Ausgabe der vom König nicht bestätig¬
ten ungarischen Banknoten, dem das magyarische Ministerium durch Androhung
des Stranges Credit verschaffen mußte, jedoch auch auf diese Weise im Sachsen¬
lande nicht verschaffen konnte. Es kam dazu die von Tag zu Tag größer wer¬
dende Spaltung zwischen dem magyarischen und östreichischen Ministerium, wes¬
halb das letztere sich zu der bekannten Denkschrift veranlaßt sah, in welcher es das
ungarische Kriegs - und Finanzministerium zurückverlangte. Es kam dazu, daß die
Gewalt des Königs von Ungarn jener Kossuths, der „im Namen des Königs"
thatsächlich den Dictator spielte, schon vollständig gewichen war, daß ein Krieg
mit Oestreich unvermeidlich war. Dies, sowie die schnöde Behandlung der sach-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0471" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277227"/>
          <p xml:id="ID_1433" prev="#ID_1432"> sehr gefahrvollen Schritt gethan und dem herrschgierigen MagyarismuS und seinem<lb/>
Ministerium ein einstimmiges Mißtrauensvotum gegeben, das nicht viel weniger<lb/>
als eine Lossagung von Ofen-Pesth zu bedeuten hatte. &#x2014; Dieselbe Aufregung<lb/>
hatte sich auch der Walachen bemächtigt; sie rotteten sich zu Tausenden zusammen<lb/>
und leisteten den ausgeschickten Militärexecutionen sogar bewaffneten Widerstand.<lb/>
Das ganze Land drohte sich gegen die Magyaren zu erheben, als das Gubernium<lb/>
die Conscription Wirte. Die beiden walachischen Grcnzregimenter und die große,<lb/>
in Blasendorf vom 16. &#x2014;25. September abgehaltene walachische Volksversammlung<lb/>
verlangten vollständige und sofortige Befreiung vom Terrorismus des magyari¬<lb/>
schen Standrechts, erklärten jede Verbindung mit Ungarn und dem ungarischen<lb/>
Ministerium für aufgehoben und verlangten eine provisorische Regierung, bestehend<lb/>
ans Walachen, Sachsen und Magyaren, die bis zur Eröffnung eines siebenbür-<lb/>
gischen Landtags die Landesgeschäfte leiten sollten. Vay kam selbst hin und mußte<lb/>
dem Volke Alles versprechen, nachdem seine Drohung, mit Bomben und 6000<lb/>
Szeklern die Versammlung auseinanderjagen zu lassen, falls sie nicht freiwillig<lb/>
sich auflöse, nichts gefruchtet hatte. Die Walachen hatten demnach den Magyaren<lb/>
nicht nachgegeben. Und dennoch sahen sich die Stimmführer der Walachen später<lb/>
zur Widerlegung einer, angeblich im Namen dieser Versammlung am Pesther<lb/>
Reichstag eingereichten Petition genöthigt, in welcher die Führer der Walachen<lb/>
versprochen haben sollten, 20,000 Mann zur Verfügung des magyarischen Mini¬<lb/>
steriums zu stellen, wenn dieses einige walachische Oberbeamte in den Gespan¬<lb/>
schaften ernenne und das Volk gegen die Unterdrückung der Aristokraten und vor¬<lb/>
züglich gegen jene der Sachsen (?!) schützen wolle. So ehrloser Mittel bedienten<lb/>
sich also die Magyaren um Sachsen und Walachen auf einander zu Hetzen. Doch<lb/>
diese wußten recht gut, was sie von derartigen Eingaben zu halten hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1434" next="#ID_1435"> Nicht das Rekrutirungsgesetz allein war es, das diese ungeheure Erbitterung<lb/>
hervorgebracht hatte; dieser Ministerialverordnung waren noch einige andere, den<lb/>
Nichtmagyaren im höchsten Grade feindselige Beschlüsse des Pesther Reichstags<lb/>
vorausgegangen, so das neue Schulgesetz, das besonders die nationalen Interessen<lb/>
der Sachsen aufs Empfindlichste verletzte und sie dem sichern Untergang entgegen¬<lb/>
zufahren drohte. Dazu kam nun noch die Ausgabe der vom König nicht bestätig¬<lb/>
ten ungarischen Banknoten, dem das magyarische Ministerium durch Androhung<lb/>
des Stranges Credit verschaffen mußte, jedoch auch auf diese Weise im Sachsen¬<lb/>
lande nicht verschaffen konnte. Es kam dazu die von Tag zu Tag größer wer¬<lb/>
dende Spaltung zwischen dem magyarischen und östreichischen Ministerium, wes¬<lb/>
halb das letztere sich zu der bekannten Denkschrift veranlaßt sah, in welcher es das<lb/>
ungarische Kriegs - und Finanzministerium zurückverlangte. Es kam dazu, daß die<lb/>
Gewalt des Königs von Ungarn jener Kossuths, der &#x201E;im Namen des Königs"<lb/>
thatsächlich den Dictator spielte, schon vollständig gewichen war, daß ein Krieg<lb/>
mit Oestreich unvermeidlich war. Dies, sowie die schnöde Behandlung der sach-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0471] sehr gefahrvollen Schritt gethan und dem herrschgierigen MagyarismuS und seinem Ministerium ein einstimmiges Mißtrauensvotum gegeben, das nicht viel weniger als eine Lossagung von Ofen-Pesth zu bedeuten hatte. — Dieselbe Aufregung hatte sich auch der Walachen bemächtigt; sie rotteten sich zu Tausenden zusammen und leisteten den ausgeschickten Militärexecutionen sogar bewaffneten Widerstand. Das ganze Land drohte sich gegen die Magyaren zu erheben, als das Gubernium die Conscription Wirte. Die beiden walachischen Grcnzregimenter und die große, in Blasendorf vom 16. —25. September abgehaltene walachische Volksversammlung verlangten vollständige und sofortige Befreiung vom Terrorismus des magyari¬ schen Standrechts, erklärten jede Verbindung mit Ungarn und dem ungarischen Ministerium für aufgehoben und verlangten eine provisorische Regierung, bestehend ans Walachen, Sachsen und Magyaren, die bis zur Eröffnung eines siebenbür- gischen Landtags die Landesgeschäfte leiten sollten. Vay kam selbst hin und mußte dem Volke Alles versprechen, nachdem seine Drohung, mit Bomben und 6000 Szeklern die Versammlung auseinanderjagen zu lassen, falls sie nicht freiwillig sich auflöse, nichts gefruchtet hatte. Die Walachen hatten demnach den Magyaren nicht nachgegeben. Und dennoch sahen sich die Stimmführer der Walachen später zur Widerlegung einer, angeblich im Namen dieser Versammlung am Pesther Reichstag eingereichten Petition genöthigt, in welcher die Führer der Walachen versprochen haben sollten, 20,000 Mann zur Verfügung des magyarischen Mini¬ steriums zu stellen, wenn dieses einige walachische Oberbeamte in den Gespan¬ schaften ernenne und das Volk gegen die Unterdrückung der Aristokraten und vor¬ züglich gegen jene der Sachsen (?!) schützen wolle. So ehrloser Mittel bedienten sich also die Magyaren um Sachsen und Walachen auf einander zu Hetzen. Doch diese wußten recht gut, was sie von derartigen Eingaben zu halten hatten. Nicht das Rekrutirungsgesetz allein war es, das diese ungeheure Erbitterung hervorgebracht hatte; dieser Ministerialverordnung waren noch einige andere, den Nichtmagyaren im höchsten Grade feindselige Beschlüsse des Pesther Reichstags vorausgegangen, so das neue Schulgesetz, das besonders die nationalen Interessen der Sachsen aufs Empfindlichste verletzte und sie dem sichern Untergang entgegen¬ zufahren drohte. Dazu kam nun noch die Ausgabe der vom König nicht bestätig¬ ten ungarischen Banknoten, dem das magyarische Ministerium durch Androhung des Stranges Credit verschaffen mußte, jedoch auch auf diese Weise im Sachsen¬ lande nicht verschaffen konnte. Es kam dazu die von Tag zu Tag größer wer¬ dende Spaltung zwischen dem magyarischen und östreichischen Ministerium, wes¬ halb das letztere sich zu der bekannten Denkschrift veranlaßt sah, in welcher es das ungarische Kriegs - und Finanzministerium zurückverlangte. Es kam dazu, daß die Gewalt des Königs von Ungarn jener Kossuths, der „im Namen des Königs" thatsächlich den Dictator spielte, schon vollständig gewichen war, daß ein Krieg mit Oestreich unvermeidlich war. Dies, sowie die schnöde Behandlung der sach-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/471
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/471>, abgerufen am 22.07.2024.