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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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erhob sich gegen diesen Terrorismus der magyarischen Herrschaft die Stimme des
Volkes. Am klarsten spricht sie sich in der Anerkemiungsadrcsse der Hermann¬
städter Stuhlsversammlung an den dasigen Magistrat aus. "Mit tiefem Kummer"
heißt es darin "hat die Stuhlsversammlung aus dem Erlasse des ungarischen Mi¬
nisteriums des Innern und dem die Aufstellung einer ungarischen Armee von
200,000 Mann bezweckenden 54. Landtagsartikel entnommen, daß das Vater¬
land in Gefahr sei. Welchen Theil der großen und untheilbaren östreichi¬
schen Monarchie das ungarische Ministerium mit dem Ausdrucke "Vaterland" zu
bezeichnen, beabsichtige, geht aus dem Ministerialerlasse nicht klar hervor; uns
dünkt jedoch, daß damit zunächst das Land Ungarn gemeint sei, welches wir bis
jetzt noch nicht für unser Vaterland ansehen können. Welcher Theil der Monarchie
aber immerhin damit gemeint sei, so dringt sich uns mit Recht die Frage auf:
Sind dies denn die Früchte der mit so großem Pompe dem Volke verheißenen
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? -- Wir beben vor den Folgen der in dem
benachbarten Ungarn vorgegangenen Regierungsveränderung, deren Wirkung man
leider auch schon in unserem, bisher ruhigen und glücklichen Siebenbürgen, mit
dumpfer Beklemmung zu fühlen anfängt, zurück; und wenn wir einen Vergleich
zwischen der vergangenen und gegenwärtigen Zeit anstellen, so müssen wir aufrich¬
tig bekennen, daß uns die vergangene Zeit bei alledem, daß dieselbe auch ihre
nicht zu verleugnende Schattenseite hatte, wie ein goldener Traum vorkommt.
Vorhin war Friede und Sicherheit; jeder konnte seinein Geschäfte nachgehen; die
öffentliche Verwaltung, wenn gleich nicht ohne Mängel, war doch geordnet und
beobachtete einen festen und stetigen Gang. Wie ganz anders aber jetzt in dem,
von Parteien zerrissenen, von unruhigen und nur in allgemeiner Verwirrung ihren
Vortheil suchenden Aufwieglern aufgewühlten Lande! -- Zu welchem Zwecke ver¬
langt denn das ungarische Ministerium diese neue Trnppenaushebnng? Zu keinem
andern, als damit die solcher Gestalt ausgehobene Mannschaft dein zu bildenden
ungarischen Nationalheere einverleibt, für die Unabhängigkeit Un¬
garns kämpft. Und gegen wem soll denn dieser Kampf geführt werden? etwa
gegen das meuterische Italien oder gegen einen auswärtigen Feind oder vielleicht
gar gegen Oestreich? -- Wir wollen uns aller politischen Combinationen ent¬
halten, halten aber diesen ernsten Augenblick sür geeignet, auch diesmal fest und
unabänderlich zu erklären, daß die pragmatische Sanction uns kein leerer
Wortschall ist und daß wir an dem Inhalte und Sinn derselben wie früher, so
auch jetzt und in alle Zukunft mit unwandelbarer Treue halten wollen. "Dem¬
nach stehen und fallen wir mit Oestreich."

Wie Hermannstadt, so handelte das ganze Sachsenland; ja manche Kreise
gingen noch weiter. Die Conscription wurde nirgend vollzogen. Wie ironisch
sprach man allenthalben von der sonst so sehr gepriesenen "Hochherzigkeit der Ma¬
gyaren!" Somit hatten die Sachsen einen entscheidenden, sür sie damals noch


erhob sich gegen diesen Terrorismus der magyarischen Herrschaft die Stimme des
Volkes. Am klarsten spricht sie sich in der Anerkemiungsadrcsse der Hermann¬
städter Stuhlsversammlung an den dasigen Magistrat aus. „Mit tiefem Kummer"
heißt es darin „hat die Stuhlsversammlung aus dem Erlasse des ungarischen Mi¬
nisteriums des Innern und dem die Aufstellung einer ungarischen Armee von
200,000 Mann bezweckenden 54. Landtagsartikel entnommen, daß das Vater¬
land in Gefahr sei. Welchen Theil der großen und untheilbaren östreichi¬
schen Monarchie das ungarische Ministerium mit dem Ausdrucke „Vaterland" zu
bezeichnen, beabsichtige, geht aus dem Ministerialerlasse nicht klar hervor; uns
dünkt jedoch, daß damit zunächst das Land Ungarn gemeint sei, welches wir bis
jetzt noch nicht für unser Vaterland ansehen können. Welcher Theil der Monarchie
aber immerhin damit gemeint sei, so dringt sich uns mit Recht die Frage auf:
Sind dies denn die Früchte der mit so großem Pompe dem Volke verheißenen
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? — Wir beben vor den Folgen der in dem
benachbarten Ungarn vorgegangenen Regierungsveränderung, deren Wirkung man
leider auch schon in unserem, bisher ruhigen und glücklichen Siebenbürgen, mit
dumpfer Beklemmung zu fühlen anfängt, zurück; und wenn wir einen Vergleich
zwischen der vergangenen und gegenwärtigen Zeit anstellen, so müssen wir aufrich¬
tig bekennen, daß uns die vergangene Zeit bei alledem, daß dieselbe auch ihre
nicht zu verleugnende Schattenseite hatte, wie ein goldener Traum vorkommt.
Vorhin war Friede und Sicherheit; jeder konnte seinein Geschäfte nachgehen; die
öffentliche Verwaltung, wenn gleich nicht ohne Mängel, war doch geordnet und
beobachtete einen festen und stetigen Gang. Wie ganz anders aber jetzt in dem,
von Parteien zerrissenen, von unruhigen und nur in allgemeiner Verwirrung ihren
Vortheil suchenden Aufwieglern aufgewühlten Lande! — Zu welchem Zwecke ver¬
langt denn das ungarische Ministerium diese neue Trnppenaushebnng? Zu keinem
andern, als damit die solcher Gestalt ausgehobene Mannschaft dein zu bildenden
ungarischen Nationalheere einverleibt, für die Unabhängigkeit Un¬
garns kämpft. Und gegen wem soll denn dieser Kampf geführt werden? etwa
gegen das meuterische Italien oder gegen einen auswärtigen Feind oder vielleicht
gar gegen Oestreich? — Wir wollen uns aller politischen Combinationen ent¬
halten, halten aber diesen ernsten Augenblick sür geeignet, auch diesmal fest und
unabänderlich zu erklären, daß die pragmatische Sanction uns kein leerer
Wortschall ist und daß wir an dem Inhalte und Sinn derselben wie früher, so
auch jetzt und in alle Zukunft mit unwandelbarer Treue halten wollen. „Dem¬
nach stehen und fallen wir mit Oestreich."

Wie Hermannstadt, so handelte das ganze Sachsenland; ja manche Kreise
gingen noch weiter. Die Conscription wurde nirgend vollzogen. Wie ironisch
sprach man allenthalben von der sonst so sehr gepriesenen „Hochherzigkeit der Ma¬
gyaren!" Somit hatten die Sachsen einen entscheidenden, sür sie damals noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/470>, abgerufen am 22.07.2024.