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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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an dem Worte "Bedingungen" Anstoß, worauf ihm Pfarrer Fabini die bescheidene
Frage stellte: ob er denn verlange, ein Volk solle sich jene Rechte als Gnade er¬
bitten und erbetteln, die es schon besitze und die ihm von Rechtswegen zustanden?
Kossuth schützte vor, bei der Berücksichtigung der sächsischen Rechte würden beson¬
ders die unter den Sachsen wohnenden Walachen Schwierigkeiten machen. Allein
die Deputation erwiederte dem Minister, Sachsen und Walachen auf Sachsenboden
seien seit dem 18. Februar -- also noch vor der Revolution -- gleichberechtigt,
wohl aber möchte die walachische Frage in der ungarischen Gespanschaft auf Hin¬
dernisse stoßen, indem hier auf 8--9 Walachen erst ein Magyare käme. -- Ueber¬
haupt mochten die Magyaren in Pesth mit tiefem Groll wahrnehmen, daß die
Sachsen von magyarischer Prahlerei mit "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" so
leicht sich nicht blenden ließen, wie sie dies von den Deutschen in Ungarn zu er¬
fahren gewohnt waren; sondern daß die Sachsen vielmehr einen gewissen Stolz
in ihr Deutschthum setzten. Charakteristisch ist in dieser Beziehung unter anderm
der kurze Wortwechsel zwischen dem Superintendenten Binder aus Siebenbürgen
und einem Superintendenten deutschen Stammes ans Ungarn. Ans der Zusam¬
menkunft der Protestanten, welche der Cultusminister Eötves am I. Sept. in
Pesth veranstaltet hatte, wollte man die Sachsen nöthigen, magyarisch zu sprechen.
"Wir sprechen nur deutsch!" rief der sächsische Superintendent. -- Aber ich bitte
Sie, unsere Kinder -- fiel ihm der Superintendent aus Ungar", ein Magyaro-
mane, ins Wort. "Werden deutsch reden," antwortete ihm mit Zuversicht der
Sachse.

Da um dieselbe Zeit der Kampf gegen die Serben trotz der großen Anstren¬
gung von magyarischer Seite entschieden erfolglos blieb und jetzt dazu noch Jel-
lachich in Ungarn einzurücken drohte, so beschloß der Pesther Reichstag die Aus¬
hebung von 200,000 Mann, von denen ein Theil trotz der Abmahnung des Kriegs¬
ministers Meszarvs schon jetzt auf magyarischen Fuß gestellt werden sollte. Der
Minister des Innern schickte, ohne erst die königliche Sanction des Gesetzartikels
abzuwarten, am 29. August eine Verordnung an die sächsischen Königsrichter und
Bürgermeister ab, worin denselben unter strenger Verantwortlichkeit aufgetragen
wurde, durch eine Commission alle zum Militärdienste tauglichen Individuen vom
20 -- 22. Jahre innerhalb 7 Tagen aufzeichnen zu lassen und die Liste dieser In¬
dividuen zu weiterer Verfügung an das Ministerium nach Pesth zu senden. Der
Minister hatte sich getäuscht, wenn er bei einem sächsischen Oberbeamten eben,
solche Willkür voraussetzte, wie bei einem magyarischen Obergespan. Der Her¬
mannstädter Magistrat erklärte beim Gubernium, als der für Siebenbürgen gesetz¬
mäßig bestehenden Regierung, den Ministerialerlaß für voreilig und unausführbar,
da der betreffende Gesetzartikel vom König nicht bestätigt sei und die sächsische Na¬
tion überhaupt die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn so lange nicht aner-
kennen werde, bis ihr nicht die gestellten Bedingungen erfüllt seien. Noch lauter


Grenztoten. IV. Is4". 59

an dem Worte „Bedingungen" Anstoß, worauf ihm Pfarrer Fabini die bescheidene
Frage stellte: ob er denn verlange, ein Volk solle sich jene Rechte als Gnade er¬
bitten und erbetteln, die es schon besitze und die ihm von Rechtswegen zustanden?
Kossuth schützte vor, bei der Berücksichtigung der sächsischen Rechte würden beson¬
ders die unter den Sachsen wohnenden Walachen Schwierigkeiten machen. Allein
die Deputation erwiederte dem Minister, Sachsen und Walachen auf Sachsenboden
seien seit dem 18. Februar — also noch vor der Revolution — gleichberechtigt,
wohl aber möchte die walachische Frage in der ungarischen Gespanschaft auf Hin¬
dernisse stoßen, indem hier auf 8—9 Walachen erst ein Magyare käme. — Ueber¬
haupt mochten die Magyaren in Pesth mit tiefem Groll wahrnehmen, daß die
Sachsen von magyarischer Prahlerei mit „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" so
leicht sich nicht blenden ließen, wie sie dies von den Deutschen in Ungarn zu er¬
fahren gewohnt waren; sondern daß die Sachsen vielmehr einen gewissen Stolz
in ihr Deutschthum setzten. Charakteristisch ist in dieser Beziehung unter anderm
der kurze Wortwechsel zwischen dem Superintendenten Binder aus Siebenbürgen
und einem Superintendenten deutschen Stammes ans Ungarn. Ans der Zusam¬
menkunft der Protestanten, welche der Cultusminister Eötves am I. Sept. in
Pesth veranstaltet hatte, wollte man die Sachsen nöthigen, magyarisch zu sprechen.
„Wir sprechen nur deutsch!" rief der sächsische Superintendent. — Aber ich bitte
Sie, unsere Kinder — fiel ihm der Superintendent aus Ungar», ein Magyaro-
mane, ins Wort. „Werden deutsch reden," antwortete ihm mit Zuversicht der
Sachse.

Da um dieselbe Zeit der Kampf gegen die Serben trotz der großen Anstren¬
gung von magyarischer Seite entschieden erfolglos blieb und jetzt dazu noch Jel-
lachich in Ungarn einzurücken drohte, so beschloß der Pesther Reichstag die Aus¬
hebung von 200,000 Mann, von denen ein Theil trotz der Abmahnung des Kriegs¬
ministers Meszarvs schon jetzt auf magyarischen Fuß gestellt werden sollte. Der
Minister des Innern schickte, ohne erst die königliche Sanction des Gesetzartikels
abzuwarten, am 29. August eine Verordnung an die sächsischen Königsrichter und
Bürgermeister ab, worin denselben unter strenger Verantwortlichkeit aufgetragen
wurde, durch eine Commission alle zum Militärdienste tauglichen Individuen vom
20 — 22. Jahre innerhalb 7 Tagen aufzeichnen zu lassen und die Liste dieser In¬
dividuen zu weiterer Verfügung an das Ministerium nach Pesth zu senden. Der
Minister hatte sich getäuscht, wenn er bei einem sächsischen Oberbeamten eben,
solche Willkür voraussetzte, wie bei einem magyarischen Obergespan. Der Her¬
mannstädter Magistrat erklärte beim Gubernium, als der für Siebenbürgen gesetz¬
mäßig bestehenden Regierung, den Ministerialerlaß für voreilig und unausführbar,
da der betreffende Gesetzartikel vom König nicht bestätigt sei und die sächsische Na¬
tion überhaupt die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn so lange nicht aner-
kennen werde, bis ihr nicht die gestellten Bedingungen erfüllt seien. Noch lauter


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[0469] an dem Worte „Bedingungen" Anstoß, worauf ihm Pfarrer Fabini die bescheidene Frage stellte: ob er denn verlange, ein Volk solle sich jene Rechte als Gnade er¬ bitten und erbetteln, die es schon besitze und die ihm von Rechtswegen zustanden? Kossuth schützte vor, bei der Berücksichtigung der sächsischen Rechte würden beson¬ ders die unter den Sachsen wohnenden Walachen Schwierigkeiten machen. Allein die Deputation erwiederte dem Minister, Sachsen und Walachen auf Sachsenboden seien seit dem 18. Februar — also noch vor der Revolution — gleichberechtigt, wohl aber möchte die walachische Frage in der ungarischen Gespanschaft auf Hin¬ dernisse stoßen, indem hier auf 8—9 Walachen erst ein Magyare käme. — Ueber¬ haupt mochten die Magyaren in Pesth mit tiefem Groll wahrnehmen, daß die Sachsen von magyarischer Prahlerei mit „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" so leicht sich nicht blenden ließen, wie sie dies von den Deutschen in Ungarn zu er¬ fahren gewohnt waren; sondern daß die Sachsen vielmehr einen gewissen Stolz in ihr Deutschthum setzten. Charakteristisch ist in dieser Beziehung unter anderm der kurze Wortwechsel zwischen dem Superintendenten Binder aus Siebenbürgen und einem Superintendenten deutschen Stammes ans Ungarn. Ans der Zusam¬ menkunft der Protestanten, welche der Cultusminister Eötves am I. Sept. in Pesth veranstaltet hatte, wollte man die Sachsen nöthigen, magyarisch zu sprechen. „Wir sprechen nur deutsch!" rief der sächsische Superintendent. — Aber ich bitte Sie, unsere Kinder — fiel ihm der Superintendent aus Ungar», ein Magyaro- mane, ins Wort. „Werden deutsch reden," antwortete ihm mit Zuversicht der Sachse. Da um dieselbe Zeit der Kampf gegen die Serben trotz der großen Anstren¬ gung von magyarischer Seite entschieden erfolglos blieb und jetzt dazu noch Jel- lachich in Ungarn einzurücken drohte, so beschloß der Pesther Reichstag die Aus¬ hebung von 200,000 Mann, von denen ein Theil trotz der Abmahnung des Kriegs¬ ministers Meszarvs schon jetzt auf magyarischen Fuß gestellt werden sollte. Der Minister des Innern schickte, ohne erst die königliche Sanction des Gesetzartikels abzuwarten, am 29. August eine Verordnung an die sächsischen Königsrichter und Bürgermeister ab, worin denselben unter strenger Verantwortlichkeit aufgetragen wurde, durch eine Commission alle zum Militärdienste tauglichen Individuen vom 20 — 22. Jahre innerhalb 7 Tagen aufzeichnen zu lassen und die Liste dieser In¬ dividuen zu weiterer Verfügung an das Ministerium nach Pesth zu senden. Der Minister hatte sich getäuscht, wenn er bei einem sächsischen Oberbeamten eben, solche Willkür voraussetzte, wie bei einem magyarischen Obergespan. Der Her¬ mannstädter Magistrat erklärte beim Gubernium, als der für Siebenbürgen gesetz¬ mäßig bestehenden Regierung, den Ministerialerlaß für voreilig und unausführbar, da der betreffende Gesetzartikel vom König nicht bestätigt sei und die sächsische Na¬ tion überhaupt die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn so lange nicht aner- kennen werde, bis ihr nicht die gestellten Bedingungen erfüllt seien. Noch lauter Grenztoten. IV. Is4». 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/469>, abgerufen am 22.07.2024.