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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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beiden Staatsgebiete nicht nur für Oestreich, sondern auch für Deutschland ver-
hängnißvoll ist. Die Häupter der "wohlmeinenden" Partei, Herr Raveaux und
Herr Venedey, geriethen zwar in eine Stimmung, die sich nur mit der Svivel-
ler'S vergleichen läßt, als er die Arme übercinauderschlägt, und in die Decke ruft:
"Schicksal, thue mir doch noch etwas! nefas! du kannst mir nichts mehr thun',
du hast mir ja Alles genommen!" Sie riefen den Oestreichern zu: wenn ihr euch
also nicht unterwerfe" wollt, warum sitzt ihr in unserm Rath? warum im Cabinet?
warum verwest ihr das Reich? -- El! haben wir uns euch aufgedrängt? Ihr
riefe uns an, euch bei dem Aufbau eurer Verfassung behilflich zu sein; das tha¬
ten wir, wie es guten Brüdern ziemt. Ihr trüget uns eure Krone an ; warum
sollten wir sie nicht nehmen? War es Liebe zu uns, daß ihr es thätet? Ihr
schmeicheltet uns freilich damals aus allen Kräften; Erzherzog Johann war der
erste deutsche Mann, die Baronin Brandhof die erste deutsche Frau, wir selber
der gemüthlichste und edelste Stamm Deutschlands. Wir haben uns nicht täuschen
lassen; es war nicht Liebe zu Oestreich, was euch trieb, sondern Haß gegen
Preußen. Ihr konntet eure Händel nicht en hin.illo schlichten, ihr riefe deu Nach¬
bar an. I5n bien, wir kamen. Was haben wir euch irgend versprochen?
selbst das neumodische Weltgeistmiuisterium der Wiener hat keinen Augenblick die
Meinung blicke" lassen, als wolle es sich euch unterwerfen. Freilich habt ihr
Kommissare zu uns geschickt, häufig genug, in dieser und jener Sache; ihr wißt
aber auch, was wir ihnen geantwortet haben. Ihr brauchtet einen Reichsverwe-
ser, einen Premierminister, weil ihr unter euch keinen fandet; wir liehen sie euch;
ist es ja ein althistorischeö Recht, daß Oestreich Deutschlands Krone trägt. So
ist es aber nicht gemeint, daß ihr euch nun einerseits in unsere Angelegenheiten
einmischt.

Mit Widerwillen, Verdruß und Zagen sieht man sich jetzt in Frankfurt nach
Preußen um. Noch will man es nicht glauben. Man ist noch ganz zuletzt ener¬
gisch gegen Preußen aufgetreten, mau hat die Krone verpflichtet, ein anderes
Ministerium, zu wählen, die Stände, von ihren anarchischen Vorhaben der Steuer-
verweigerung abzugehen. Beides mehr mit dem Gewicht moralischen Einflusses
als rechtlicher Begründung. Vor Oestreich und seinen Generälen hatte man im¬
mer Respect; von Preußen war mau gewohnt, daß es sich sudeln ließ. Den¬
noch bleibt keine Wahl; Oestreich zieht sich zurück und mit der deutschen Repu¬
blik ist es nichts. Soll also nicht der alte Bundestag erneuert werden, so muß
man in irgend einer Form Preußen die Leitung der Geschäfte übertragen. In
der beabsichtigten Weise geht es nicht. Der König von Preußen wird keine
Stellung im Reich annehmen, die ihm uicht gänzlich von den Fürsten zugestan¬
den wird. Der Ritt am Is. März und seine Folgen sind nicht spurlos vorüber¬
gegangen. Noch viel weniger wird sich Preußen in eine Verfassung einlassen,


beiden Staatsgebiete nicht nur für Oestreich, sondern auch für Deutschland ver-
hängnißvoll ist. Die Häupter der „wohlmeinenden" Partei, Herr Raveaux und
Herr Venedey, geriethen zwar in eine Stimmung, die sich nur mit der Svivel-
ler'S vergleichen läßt, als er die Arme übercinauderschlägt, und in die Decke ruft:
„Schicksal, thue mir doch noch etwas! nefas! du kannst mir nichts mehr thun',
du hast mir ja Alles genommen!" Sie riefen den Oestreichern zu: wenn ihr euch
also nicht unterwerfe» wollt, warum sitzt ihr in unserm Rath? warum im Cabinet?
warum verwest ihr das Reich? — El! haben wir uns euch aufgedrängt? Ihr
riefe uns an, euch bei dem Aufbau eurer Verfassung behilflich zu sein; das tha¬
ten wir, wie es guten Brüdern ziemt. Ihr trüget uns eure Krone an ; warum
sollten wir sie nicht nehmen? War es Liebe zu uns, daß ihr es thätet? Ihr
schmeicheltet uns freilich damals aus allen Kräften; Erzherzog Johann war der
erste deutsche Mann, die Baronin Brandhof die erste deutsche Frau, wir selber
der gemüthlichste und edelste Stamm Deutschlands. Wir haben uns nicht täuschen
lassen; es war nicht Liebe zu Oestreich, was euch trieb, sondern Haß gegen
Preußen. Ihr konntet eure Händel nicht en hin.illo schlichten, ihr riefe deu Nach¬
bar an. I5n bien, wir kamen. Was haben wir euch irgend versprochen?
selbst das neumodische Weltgeistmiuisterium der Wiener hat keinen Augenblick die
Meinung blicke« lassen, als wolle es sich euch unterwerfen. Freilich habt ihr
Kommissare zu uns geschickt, häufig genug, in dieser und jener Sache; ihr wißt
aber auch, was wir ihnen geantwortet haben. Ihr brauchtet einen Reichsverwe-
ser, einen Premierminister, weil ihr unter euch keinen fandet; wir liehen sie euch;
ist es ja ein althistorischeö Recht, daß Oestreich Deutschlands Krone trägt. So
ist es aber nicht gemeint, daß ihr euch nun einerseits in unsere Angelegenheiten
einmischt.

Mit Widerwillen, Verdruß und Zagen sieht man sich jetzt in Frankfurt nach
Preußen um. Noch will man es nicht glauben. Man ist noch ganz zuletzt ener¬
gisch gegen Preußen aufgetreten, mau hat die Krone verpflichtet, ein anderes
Ministerium, zu wählen, die Stände, von ihren anarchischen Vorhaben der Steuer-
verweigerung abzugehen. Beides mehr mit dem Gewicht moralischen Einflusses
als rechtlicher Begründung. Vor Oestreich und seinen Generälen hatte man im¬
mer Respect; von Preußen war mau gewohnt, daß es sich sudeln ließ. Den¬
noch bleibt keine Wahl; Oestreich zieht sich zurück und mit der deutschen Repu¬
blik ist es nichts. Soll also nicht der alte Bundestag erneuert werden, so muß
man in irgend einer Form Preußen die Leitung der Geschäfte übertragen. In
der beabsichtigten Weise geht es nicht. Der König von Preußen wird keine
Stellung im Reich annehmen, die ihm uicht gänzlich von den Fürsten zugestan¬
den wird. Der Ritt am Is. März und seine Folgen sind nicht spurlos vorüber¬
gegangen. Noch viel weniger wird sich Preußen in eine Verfassung einlassen,


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[0409] beiden Staatsgebiete nicht nur für Oestreich, sondern auch für Deutschland ver- hängnißvoll ist. Die Häupter der „wohlmeinenden" Partei, Herr Raveaux und Herr Venedey, geriethen zwar in eine Stimmung, die sich nur mit der Svivel- ler'S vergleichen läßt, als er die Arme übercinauderschlägt, und in die Decke ruft: „Schicksal, thue mir doch noch etwas! nefas! du kannst mir nichts mehr thun', du hast mir ja Alles genommen!" Sie riefen den Oestreichern zu: wenn ihr euch also nicht unterwerfe» wollt, warum sitzt ihr in unserm Rath? warum im Cabinet? warum verwest ihr das Reich? — El! haben wir uns euch aufgedrängt? Ihr riefe uns an, euch bei dem Aufbau eurer Verfassung behilflich zu sein; das tha¬ ten wir, wie es guten Brüdern ziemt. Ihr trüget uns eure Krone an ; warum sollten wir sie nicht nehmen? War es Liebe zu uns, daß ihr es thätet? Ihr schmeicheltet uns freilich damals aus allen Kräften; Erzherzog Johann war der erste deutsche Mann, die Baronin Brandhof die erste deutsche Frau, wir selber der gemüthlichste und edelste Stamm Deutschlands. Wir haben uns nicht täuschen lassen; es war nicht Liebe zu Oestreich, was euch trieb, sondern Haß gegen Preußen. Ihr konntet eure Händel nicht en hin.illo schlichten, ihr riefe deu Nach¬ bar an. I5n bien, wir kamen. Was haben wir euch irgend versprochen? selbst das neumodische Weltgeistmiuisterium der Wiener hat keinen Augenblick die Meinung blicke« lassen, als wolle es sich euch unterwerfen. Freilich habt ihr Kommissare zu uns geschickt, häufig genug, in dieser und jener Sache; ihr wißt aber auch, was wir ihnen geantwortet haben. Ihr brauchtet einen Reichsverwe- ser, einen Premierminister, weil ihr unter euch keinen fandet; wir liehen sie euch; ist es ja ein althistorischeö Recht, daß Oestreich Deutschlands Krone trägt. So ist es aber nicht gemeint, daß ihr euch nun einerseits in unsere Angelegenheiten einmischt. Mit Widerwillen, Verdruß und Zagen sieht man sich jetzt in Frankfurt nach Preußen um. Noch will man es nicht glauben. Man ist noch ganz zuletzt ener¬ gisch gegen Preußen aufgetreten, mau hat die Krone verpflichtet, ein anderes Ministerium, zu wählen, die Stände, von ihren anarchischen Vorhaben der Steuer- verweigerung abzugehen. Beides mehr mit dem Gewicht moralischen Einflusses als rechtlicher Begründung. Vor Oestreich und seinen Generälen hatte man im¬ mer Respect; von Preußen war mau gewohnt, daß es sich sudeln ließ. Den¬ noch bleibt keine Wahl; Oestreich zieht sich zurück und mit der deutschen Repu¬ blik ist es nichts. Soll also nicht der alte Bundestag erneuert werden, so muß man in irgend einer Form Preußen die Leitung der Geschäfte übertragen. In der beabsichtigten Weise geht es nicht. Der König von Preußen wird keine Stellung im Reich annehmen, die ihm uicht gänzlich von den Fürsten zugestan¬ den wird. Der Ritt am Is. März und seine Folgen sind nicht spurlos vorüber¬ gegangen. Noch viel weniger wird sich Preußen in eine Verfassung einlassen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/409>, abgerufen am 22.07.2024.