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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Entscheidung. Wir verkennen keinen Augenblick die Verdienste, welche Windisch-
grätz, Jellachich u. s. w. zum Theil durch selbstständigen Entschluß, für die rasche
Lösung der ohne energische Kraftmittel unentwirrbaren Verwicklung haben, wenn
wir eines Manches, was sie gethan, beklagen müssen. Aber jetzt muß das Mili¬
tärregiment aufhören. Der Belagerungszustand ist immer ein Unglück, er würde
aber zur Aufhebung alles Rechtsverhältnisses, wenn er über die äußerste Noth
hinaus verlängert würde. Der Wille eines Feldherrn, er mag persönlich noch so
ehrenwerth sein, darf keinen Einfluß haben auf die öffentlichen Angelegenheiten
eines geordneten Staates.

Vorläufig steht freilich der Aufhebung dieses Zustandes der ungarische Krieg
entgegen. Jedenfalls wird auch^hier das Loos der Entscheidung in kurzer Frist gewor¬
fen sein. Nur mit halbem Herzen nimmt der Freund der Freiheit an diesem Kampfe
Theil, denn Unrecht ist auf beiden Seiten. Noch darf man die Ausbreitung eines
Kampfs , wie er in den südlichen Gegenden geführt wird, über das ganze König¬
reich nicht befürchten. Die Führer der ultramagyarischen Partei sind zu reich an
Phrasen gewesen, als daß man nicht erwarten sollte, sie würden, wenn es zur
That kommt, eher mit sich handeln lassen. Sie haben "im Himmel und in der
Hölle" vergebens nach Unterstützung gesucht, sie werden sich zu einer irdischen
Ausgleichung bequemen müssen. Das Ende ist natürlich Aufhebung der magya¬
rischen Selbstständigkeit und Theilung des Königreichs, was bei der eigenthümli¬
chen Lage der verschiedenen Nationalitäten sich einfacher macht, als in den eigent¬
lichen Erbländer. Ein illyrischer, ein rumänischer, ein ruthenisch-slovakischer und
ein deutsch-wendischer District sind leicht abgegrenzt. Der innern Wohlfahrt Un¬
garns kann es nur förderlich sein, wenn sie die Kr-w"!" pttlillijue anderwärts zu
suchen haben.

Die eigentlich schwarzrothgoldne Partei in Oestreich ist Plötzlich spurlos ver¬
schwunden. Sie war also, wie wir es immer behauptet haben, ein künstliches
Produkt. Keine der Parteien denkt mehr an diese Farben, die ihre Symbolik
verloren haben. Man kann sich nichts Loyaleres denken, als die Wiener Presse
und den Wiener Bürgerstand. Nur in Frankfurt sitzen noch die deutschen Män¬
ner, sie haben sich dort eingewöhnt, und wenn es ihnen auch nicht mehr einfällt,
aus ihrem dortigen Aufenthalt Consequenzen ziehn zu wollen, so können sie sich
doch in ihre plötzlich veränderte Stellung nicht finden. Graf Deym hat das
große Verdienst, zum ersten Mal in der Nationalversammlung deutsch gesprochen
zu haben. Er hat die Sache rund und nett hingestellt: wir wollen aus Oestreich
keine deutsche Provinz machen, wollt ihr es, so wagt es aus eure Gefahr ! Das
uncommentmäßige Schreiben des alten Feldmarschall Radetzky hat ungefähr densel¬
ben Sinn. Deym hat aber zugleich -- und auch darin stimmen wir mit ihm
vollkommen überein -- nachgewiesen, daß eine voreilige Jneinanderbildung der


Entscheidung. Wir verkennen keinen Augenblick die Verdienste, welche Windisch-
grätz, Jellachich u. s. w. zum Theil durch selbstständigen Entschluß, für die rasche
Lösung der ohne energische Kraftmittel unentwirrbaren Verwicklung haben, wenn
wir eines Manches, was sie gethan, beklagen müssen. Aber jetzt muß das Mili¬
tärregiment aufhören. Der Belagerungszustand ist immer ein Unglück, er würde
aber zur Aufhebung alles Rechtsverhältnisses, wenn er über die äußerste Noth
hinaus verlängert würde. Der Wille eines Feldherrn, er mag persönlich noch so
ehrenwerth sein, darf keinen Einfluß haben auf die öffentlichen Angelegenheiten
eines geordneten Staates.

Vorläufig steht freilich der Aufhebung dieses Zustandes der ungarische Krieg
entgegen. Jedenfalls wird auch^hier das Loos der Entscheidung in kurzer Frist gewor¬
fen sein. Nur mit halbem Herzen nimmt der Freund der Freiheit an diesem Kampfe
Theil, denn Unrecht ist auf beiden Seiten. Noch darf man die Ausbreitung eines
Kampfs , wie er in den südlichen Gegenden geführt wird, über das ganze König¬
reich nicht befürchten. Die Führer der ultramagyarischen Partei sind zu reich an
Phrasen gewesen, als daß man nicht erwarten sollte, sie würden, wenn es zur
That kommt, eher mit sich handeln lassen. Sie haben „im Himmel und in der
Hölle" vergebens nach Unterstützung gesucht, sie werden sich zu einer irdischen
Ausgleichung bequemen müssen. Das Ende ist natürlich Aufhebung der magya¬
rischen Selbstständigkeit und Theilung des Königreichs, was bei der eigenthümli¬
chen Lage der verschiedenen Nationalitäten sich einfacher macht, als in den eigent¬
lichen Erbländer. Ein illyrischer, ein rumänischer, ein ruthenisch-slovakischer und
ein deutsch-wendischer District sind leicht abgegrenzt. Der innern Wohlfahrt Un¬
garns kann es nur förderlich sein, wenn sie die Kr-w«!« pttlillijue anderwärts zu
suchen haben.

Die eigentlich schwarzrothgoldne Partei in Oestreich ist Plötzlich spurlos ver¬
schwunden. Sie war also, wie wir es immer behauptet haben, ein künstliches
Produkt. Keine der Parteien denkt mehr an diese Farben, die ihre Symbolik
verloren haben. Man kann sich nichts Loyaleres denken, als die Wiener Presse
und den Wiener Bürgerstand. Nur in Frankfurt sitzen noch die deutschen Män¬
ner, sie haben sich dort eingewöhnt, und wenn es ihnen auch nicht mehr einfällt,
aus ihrem dortigen Aufenthalt Consequenzen ziehn zu wollen, so können sie sich
doch in ihre plötzlich veränderte Stellung nicht finden. Graf Deym hat das
große Verdienst, zum ersten Mal in der Nationalversammlung deutsch gesprochen
zu haben. Er hat die Sache rund und nett hingestellt: wir wollen aus Oestreich
keine deutsche Provinz machen, wollt ihr es, so wagt es aus eure Gefahr ! Das
uncommentmäßige Schreiben des alten Feldmarschall Radetzky hat ungefähr densel¬
ben Sinn. Deym hat aber zugleich — und auch darin stimmen wir mit ihm
vollkommen überein — nachgewiesen, daß eine voreilige Jneinanderbildung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/408>, abgerufen am 03.07.2024.