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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Welcher Feigling bliebe da zurück? Das Merkwürdigste war aber, daß dieser Kerl wirk¬
lich eine Schaar zusammenbrachte, die er später aus die schmählichste Art im Stich ließ,
nachdem er sie auf einen Posten geführt hatte, wo sie ganz nutzlos zusammengeschossen
wurde. Die Katastrophe, die jeder vernünftige Mensch voraussehen mußte, kam end¬
lich; das Militär nahm die Stadt, aber nicht ohne harten Kampf, indem sich der
Muth des Volkes um so glänzender bewährte, da in allen Anordnungen die grenzen¬
loseste Verwirrung herrschte; ich glaube nicht, daß Verrath im Spiel war, wie Fröbel
glaubt, aber factisch ist es. daß einige Kanonen keine andere Munition hatten, als
Sandpatronen, die sonst zu den Uebungen des Militärs gebraucht werden. Kurz das
Militär rückte schließlich auch in die innere Stadt ein, wo es von der Bevölkerung
wirklich freudig aufgenommen wurde, da der Zustand der letzten Tage, wo die Stadt
factisch in den Händen einer Prolctarierschaar war, keineswegs angenehm gewesen war.
Hier im Innern der Stadt hielt das Militär auch von vornherein im Ganzen strenge
Manneszucht, höchstens bat ein zerlumpter Croat mit freundlichem Grinsen um eine
kleine Gabe. Was jetzt geschehen mußte, war einfach; die Mörder Latour's mußten,
falls man ihrer habhaft werden konnte, bestraft, alles Uebrige vergeben und vergessen
werden; anfangs hoffte man anch, daß dies der Fall sein werde und betrachtete die
zahllosen Verhaftungen nur als einen bloßen Schreckschuß; aber Windischgrätz hielt es
für heilsamer, über Oestreich wieder den Vampyr zu machen. Blum war das erste
Opfer, und nun folgten die Todesurtheile und die Executionen rasch aus einander;
bei standrechtlicher Behandlung wurden Gespräche, die zum Aufruhr zu reizen geeignet
wären, untersagt; ein armer halb blödsinniger Teufel wegen einer unvorsichtigen Aeu¬
ßerung, der arme Jellinek und Becher wegen einiger in ihrem unverständlichen Gali-
mathias geschriebenen, ganz harmlosen Zeitungsartikel erschossen, ebenso Messenhauser,
der wirklich Verdienste um die Stadt gehabt hatte und mit einem wahrhaft heroischen
Muthe starb. Jetzt ist insofern eine Milderung eingetreten, als das kricgsrecbtliche
und nicht mehr das standrechtliche Verfahren zur Anwendung kommt; hoffentlich haben
wenigstens die Executionen aufgehört, aber der Belagerungszustand lastet noch auf der
Stadt wie ein schwerer Alp; das alte Spionicrsystcm ist in der schönsten Blüthe,
man wagt selbst über unverfängliche Dinge in öffentlichen Localen kaum leise zu spre¬
chen. Und dabei spricht man noch von den "Errungenschaften", die alle gewahrt wer¬
den sollen! und behandelt den Belagerungszustand als eine gemüthliche Verpuppung
der häßlichen demokratischen Frcihcitspuvpe, ans der endlich der schöne constitutionelle
Schmetterling hervorkriechen soll! Was nun aus diesen verzweifelten Zuständen wer¬
den soll, weiß Gott; der Reichstag ist ohnmächtig und incompetent, alle Grundlagen zu
einem vernünftigen Staatsleben fehlen noch, und die Erbitterung der Parteien ist
größer als je; im Ministerium sind einige wohlmeinende, denen man wenigstens einige
staatsmännische Talente zutraut, namentlich Stadion ; ob er aber einer solchen Krise
gewachsen sein wird, ist nach Allem, was ich von ihm höre, mehr als zweifelhaft. --
Halte es nicht für bloße Faulheit, wenn wir während dieser Zeit Dir nicht geschrie¬
ben haben, wir waren während der ganzen Revolutionszeit sehr ruhig; Gefahr war
für uns, die wir sie nicht aufsuchen wollte", wenig oder gar keine da, wenn es auch
manchmal etwas bedenklich aussah, aber >die Hinrichtungen nach der unvermeidlichen
Katastrophe haben uns empört; sie haben aus den vortrefflichsten humoristischen Figu-
ren schlechte Märtyrer gemacht, über die man nicht mehr lachen kann und deren Tod
doch nichts Erhebendes hat; es ging hier wie gewöhnlich, die Schufte, deren es einige


Welcher Feigling bliebe da zurück? Das Merkwürdigste war aber, daß dieser Kerl wirk¬
lich eine Schaar zusammenbrachte, die er später aus die schmählichste Art im Stich ließ,
nachdem er sie auf einen Posten geführt hatte, wo sie ganz nutzlos zusammengeschossen
wurde. Die Katastrophe, die jeder vernünftige Mensch voraussehen mußte, kam end¬
lich; das Militär nahm die Stadt, aber nicht ohne harten Kampf, indem sich der
Muth des Volkes um so glänzender bewährte, da in allen Anordnungen die grenzen¬
loseste Verwirrung herrschte; ich glaube nicht, daß Verrath im Spiel war, wie Fröbel
glaubt, aber factisch ist es. daß einige Kanonen keine andere Munition hatten, als
Sandpatronen, die sonst zu den Uebungen des Militärs gebraucht werden. Kurz das
Militär rückte schließlich auch in die innere Stadt ein, wo es von der Bevölkerung
wirklich freudig aufgenommen wurde, da der Zustand der letzten Tage, wo die Stadt
factisch in den Händen einer Prolctarierschaar war, keineswegs angenehm gewesen war.
Hier im Innern der Stadt hielt das Militär auch von vornherein im Ganzen strenge
Manneszucht, höchstens bat ein zerlumpter Croat mit freundlichem Grinsen um eine
kleine Gabe. Was jetzt geschehen mußte, war einfach; die Mörder Latour's mußten,
falls man ihrer habhaft werden konnte, bestraft, alles Uebrige vergeben und vergessen
werden; anfangs hoffte man anch, daß dies der Fall sein werde und betrachtete die
zahllosen Verhaftungen nur als einen bloßen Schreckschuß; aber Windischgrätz hielt es
für heilsamer, über Oestreich wieder den Vampyr zu machen. Blum war das erste
Opfer, und nun folgten die Todesurtheile und die Executionen rasch aus einander;
bei standrechtlicher Behandlung wurden Gespräche, die zum Aufruhr zu reizen geeignet
wären, untersagt; ein armer halb blödsinniger Teufel wegen einer unvorsichtigen Aeu¬
ßerung, der arme Jellinek und Becher wegen einiger in ihrem unverständlichen Gali-
mathias geschriebenen, ganz harmlosen Zeitungsartikel erschossen, ebenso Messenhauser,
der wirklich Verdienste um die Stadt gehabt hatte und mit einem wahrhaft heroischen
Muthe starb. Jetzt ist insofern eine Milderung eingetreten, als das kricgsrecbtliche
und nicht mehr das standrechtliche Verfahren zur Anwendung kommt; hoffentlich haben
wenigstens die Executionen aufgehört, aber der Belagerungszustand lastet noch auf der
Stadt wie ein schwerer Alp; das alte Spionicrsystcm ist in der schönsten Blüthe,
man wagt selbst über unverfängliche Dinge in öffentlichen Localen kaum leise zu spre¬
chen. Und dabei spricht man noch von den „Errungenschaften", die alle gewahrt wer¬
den sollen! und behandelt den Belagerungszustand als eine gemüthliche Verpuppung
der häßlichen demokratischen Frcihcitspuvpe, ans der endlich der schöne constitutionelle
Schmetterling hervorkriechen soll! Was nun aus diesen verzweifelten Zuständen wer¬
den soll, weiß Gott; der Reichstag ist ohnmächtig und incompetent, alle Grundlagen zu
einem vernünftigen Staatsleben fehlen noch, und die Erbitterung der Parteien ist
größer als je; im Ministerium sind einige wohlmeinende, denen man wenigstens einige
staatsmännische Talente zutraut, namentlich Stadion ; ob er aber einer solchen Krise
gewachsen sein wird, ist nach Allem, was ich von ihm höre, mehr als zweifelhaft. —
Halte es nicht für bloße Faulheit, wenn wir während dieser Zeit Dir nicht geschrie¬
ben haben, wir waren während der ganzen Revolutionszeit sehr ruhig; Gefahr war
für uns, die wir sie nicht aufsuchen wollte«, wenig oder gar keine da, wenn es auch
manchmal etwas bedenklich aussah, aber >die Hinrichtungen nach der unvermeidlichen
Katastrophe haben uns empört; sie haben aus den vortrefflichsten humoristischen Figu-
ren schlechte Märtyrer gemacht, über die man nicht mehr lachen kann und deren Tod
doch nichts Erhebendes hat; es ging hier wie gewöhnlich, die Schufte, deren es einige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/402>, abgerufen am 25.12.2024.