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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Leid versetzten, retteten unsere Kolonien in Ungarn und Siebenbürgen, einen der ge¬
sundesten Stämme unsrer großen Nation, vor dem unvermeidlichen Untergange. --

Zum Schluß noch ein Paar Worte über die östreichischen Aufsätze in Otto Wi-
gands "Neuer Zeit." Es sind Darstellungen, die weniger den Zweck einer vollständi¬
gen, systematischen Auseinandersetzung haben, als den unmittelbaren, lebendigen Ein¬
gehens auf die wechselnde Stimmung der Zeit. Der Aufsatz über Mettenüch ist mit
Ruhe und Einsicht geschrieben. Die "Wiener Revolution" ist um Genrebild des ersten
Frcihcitsrausches; aus solchen Skizzen, die unter dem Eindruck der Ereignisse selbst ge¬
schrieben waren, sieht man am klarsten das liebenswürdig Naive und Illusorische jener
Revolution. Der Stoff ist in der Geschichte des lombardischen Aufstandes am reich¬
haltigsten. In dem "Kampf der Nationalitäten in Ungarn" -- zum Theil aus Ge-
rando basirt --- spricht sich ein ehrliches Gefühl aus; im ersten Artikel werden Jel-
lachich und die Slaven mit der größten Wärme gegen die Uebergriffe der Ungarn ver¬
theidigt, im zweiten auf das heftigste angegriffen, weil sie den Verthcidigungskrieg in
einen Angriffskrieg verwandelten. Der Verfasser, der eben in einer bestimmten Stim¬
mung besangen ist. Übersicht, daß es nicht einem augenblicklichen Uebergreifen, sondern
einem jahrhundcrtjährigen Gegensatz galt; daß nur durch Erhaltung Oestreichs die
Slaven sich selbst erhalten konnten, und daß der Kampf am sichersten in Feindesland
geführt wird. Jedes Extrem ruft das entgegengesetzte hervor und auch da sind die
Slaven noch immer im Vortheil, denn noch ist es keinen von ihnen eingefallen, die
-- i-- Magyaren slavisiren zu wollen.




Aus Wien.



Ein Freund schreibt uns sehr charactcrisch: "Wollen Sie wissen, wie Wien aus¬
sieht? Wie in einer Kneipe, in der sich Besoffene erbrechen. Wien stinkt nach Katzen¬
jammer. Der Anblick ist so eklig, wie der Geruch."

Aus einem andern Schreiben entnehmen wir. daß Fröbels Ansicht, der von Blum
eingereichte Protest sei Schuld an seiner Verurtheilung gewesen, nicht ganz gegründet
sein kann; denn schon vor 4 Mir, der Zeit, in der er jenen Protest an den Fürsten
Windischgrätz schickte, waren Zeugen zum Behuf des kriegsrechtlichen Urtheils ein¬
geladen.

Einen dritten Brief theilen wir auszugsweise mit. " Uebrigens waren Aus-
länder. d. h. Nichtöstreicher, ausdrücklich von der Verpflichtung, Dienste zu leisten, dis-
pensirt; ich selbst wurde, als ich von einigen Proletariern einmal gepreßt war, von dem
Bczirkscommando auf meine Angabe hin, daß ich kein Oestreichs sei, sogleich entlassen;
überhaupt mußt Du Dir die Sache nicht übertrieben gefährlich vorstellen ; ich bin noch
in den letzte" Tagen mit einigen Bekannten an den äußersten Barrikaden der Leopold-


Leid versetzten, retteten unsere Kolonien in Ungarn und Siebenbürgen, einen der ge¬
sundesten Stämme unsrer großen Nation, vor dem unvermeidlichen Untergange. —

Zum Schluß noch ein Paar Worte über die östreichischen Aufsätze in Otto Wi-
gands „Neuer Zeit." Es sind Darstellungen, die weniger den Zweck einer vollständi¬
gen, systematischen Auseinandersetzung haben, als den unmittelbaren, lebendigen Ein¬
gehens auf die wechselnde Stimmung der Zeit. Der Aufsatz über Mettenüch ist mit
Ruhe und Einsicht geschrieben. Die „Wiener Revolution" ist um Genrebild des ersten
Frcihcitsrausches; aus solchen Skizzen, die unter dem Eindruck der Ereignisse selbst ge¬
schrieben waren, sieht man am klarsten das liebenswürdig Naive und Illusorische jener
Revolution. Der Stoff ist in der Geschichte des lombardischen Aufstandes am reich¬
haltigsten. In dem „Kampf der Nationalitäten in Ungarn" — zum Theil aus Ge-
rando basirt —- spricht sich ein ehrliches Gefühl aus; im ersten Artikel werden Jel-
lachich und die Slaven mit der größten Wärme gegen die Uebergriffe der Ungarn ver¬
theidigt, im zweiten auf das heftigste angegriffen, weil sie den Verthcidigungskrieg in
einen Angriffskrieg verwandelten. Der Verfasser, der eben in einer bestimmten Stim¬
mung besangen ist. Übersicht, daß es nicht einem augenblicklichen Uebergreifen, sondern
einem jahrhundcrtjährigen Gegensatz galt; daß nur durch Erhaltung Oestreichs die
Slaven sich selbst erhalten konnten, und daß der Kampf am sichersten in Feindesland
geführt wird. Jedes Extrem ruft das entgegengesetzte hervor und auch da sind die
Slaven noch immer im Vortheil, denn noch ist es keinen von ihnen eingefallen, die
— i— Magyaren slavisiren zu wollen.




Aus Wien.



Ein Freund schreibt uns sehr charactcrisch: „Wollen Sie wissen, wie Wien aus¬
sieht? Wie in einer Kneipe, in der sich Besoffene erbrechen. Wien stinkt nach Katzen¬
jammer. Der Anblick ist so eklig, wie der Geruch."

Aus einem andern Schreiben entnehmen wir. daß Fröbels Ansicht, der von Blum
eingereichte Protest sei Schuld an seiner Verurtheilung gewesen, nicht ganz gegründet
sein kann; denn schon vor 4 Mir, der Zeit, in der er jenen Protest an den Fürsten
Windischgrätz schickte, waren Zeugen zum Behuf des kriegsrechtlichen Urtheils ein¬
geladen.

Einen dritten Brief theilen wir auszugsweise mit. „ Uebrigens waren Aus-
länder. d. h. Nichtöstreicher, ausdrücklich von der Verpflichtung, Dienste zu leisten, dis-
pensirt; ich selbst wurde, als ich von einigen Proletariern einmal gepreßt war, von dem
Bczirkscommando auf meine Angabe hin, daß ich kein Oestreichs sei, sogleich entlassen;
überhaupt mußt Du Dir die Sache nicht übertrieben gefährlich vorstellen ; ich bin noch
in den letzte» Tagen mit einigen Bekannten an den äußersten Barrikaden der Leopold-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/400>, abgerufen am 29.06.2024.