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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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zogen sie ihre ^Partei mit sich fort jund gewannen dadurch der Regierung eine
sichere Majorität; oder sie wurden von ihr verlassen und dann hatte die Regierung
für eine Appellation ans Volt durch Auflösung der Kammer den gesammten ge¬
bildeten Theil der Nation für sich. Nur Eine Verpflichtung hatte das neue
Ministerium zu übernehmen: für die Ordnung der Hauptstadt und die Sicherheit der
Berathungen zu sorgen und zu diesem Zwecke erforderlichen Falls die Hereinziehung
des Militärs auf seinen Kopf zu nehmen.

Jetzt hat die Regierung nicht nur beinahe die ganze Kammer, sondern überall
die Städte, man kann wohl sagen, die gesammte Bildung des Landes gegen sich,
die sonst so gern mit ihr Hand in Hand gegangen wäre. Die Versammlung
hat das beste Mittel in der Hand, durch nachgemachte Ballhausscenen ihren Ver¬
lornen Credit wieder herzustellen; sie wird nächstens als eine Gemeinde von Mär¬
tyrern und Heiligen gefeiert werden. Die Verlegung der Versammlung nach Bran¬
denburg ist an sich kein ungesetzlicher Akt, denn es besteht kein Gesetz, das dage¬
gen spricht, aber dem Sinn des constitutionellen Lebens ist es zuwider, das Par¬
lament von dem Sitz der Regierung und von der Wechselwirkung aus sie zu ent¬
fernen. Diese Verlegung führte den Protest der Versammlung herbei, dieser das
Hereinziehen des Militärs, die Entwaffnung der Bürgerwehr -- ein Schritt, der
bei dem jämmerlichen Zustand dieses Instituts vielleicht in vier Wochen allgemeine
Zufriedenheit erregt hätte, der jetzt aber als ein neues Attentat auf die Freiheit
erscheint -- die Suspension der Preßfreiheit, den Belagerungszustand in Berlin,
vielleicht bald das Martialgesetz; da wird dann bald der Belagerungszustand von
Breslau, Cöln, vielleicht noch vielen andern Städten folgen, die Erbitterung der
Bürger wird von Tag zu Tage sich steigern und die Paulskirche wird mit einer
dem Volk geradezu entgegengesetzten Regierung nicht mehr gemeinschaftlichen Sache
machen können.

Was will eigentlich die Regierung? Daß unter den Räthen des Königs es
auch nur Einen geben sollte, der den Wahnsinn hätte, ihm zur Wiederaufnahme
des alten Absolutismus zu rathen, liegt außer den Grenzen der Möglichkeit. Ent¬
weder will sie also die jetzige Constituante geradezu auflösen und eine Verfassung
octroyiren und dann ist die größte Wahrscheinlichkeit, daß diese Verfassung
nirgend Gesetzeskraft erhält, oder sie hofft, die Stände in Brandenburg wirklich
zu versammeln. Kommt nnr ein kleiner Theil dahin, so wird ein solches Rumpf¬
parlament nirgend anerkannt, und der Rest der alten Constituante gilt überall
als höchste Autorität, oder wenn man sie gewaltsam sprengt, zersplittert sich der
Kampf in locale Zwistigkeiten und wird zur Anarchie, wie in Spanien; oder,
wenn sich die ganze Versammlung dazu versteht, nach Brandenburg zu gehen, so
werden diese erbitterten Männer eine noch entschiedenere Opposition machen als
früher, man wird sie auflösen müssen und die neuen Wahlen werden um nichts
besser sein.


zogen sie ihre ^Partei mit sich fort jund gewannen dadurch der Regierung eine
sichere Majorität; oder sie wurden von ihr verlassen und dann hatte die Regierung
für eine Appellation ans Volt durch Auflösung der Kammer den gesammten ge¬
bildeten Theil der Nation für sich. Nur Eine Verpflichtung hatte das neue
Ministerium zu übernehmen: für die Ordnung der Hauptstadt und die Sicherheit der
Berathungen zu sorgen und zu diesem Zwecke erforderlichen Falls die Hereinziehung
des Militärs auf seinen Kopf zu nehmen.

Jetzt hat die Regierung nicht nur beinahe die ganze Kammer, sondern überall
die Städte, man kann wohl sagen, die gesammte Bildung des Landes gegen sich,
die sonst so gern mit ihr Hand in Hand gegangen wäre. Die Versammlung
hat das beste Mittel in der Hand, durch nachgemachte Ballhausscenen ihren Ver¬
lornen Credit wieder herzustellen; sie wird nächstens als eine Gemeinde von Mär¬
tyrern und Heiligen gefeiert werden. Die Verlegung der Versammlung nach Bran¬
denburg ist an sich kein ungesetzlicher Akt, denn es besteht kein Gesetz, das dage¬
gen spricht, aber dem Sinn des constitutionellen Lebens ist es zuwider, das Par¬
lament von dem Sitz der Regierung und von der Wechselwirkung aus sie zu ent¬
fernen. Diese Verlegung führte den Protest der Versammlung herbei, dieser das
Hereinziehen des Militärs, die Entwaffnung der Bürgerwehr — ein Schritt, der
bei dem jämmerlichen Zustand dieses Instituts vielleicht in vier Wochen allgemeine
Zufriedenheit erregt hätte, der jetzt aber als ein neues Attentat auf die Freiheit
erscheint — die Suspension der Preßfreiheit, den Belagerungszustand in Berlin,
vielleicht bald das Martialgesetz; da wird dann bald der Belagerungszustand von
Breslau, Cöln, vielleicht noch vielen andern Städten folgen, die Erbitterung der
Bürger wird von Tag zu Tage sich steigern und die Paulskirche wird mit einer
dem Volk geradezu entgegengesetzten Regierung nicht mehr gemeinschaftlichen Sache
machen können.

Was will eigentlich die Regierung? Daß unter den Räthen des Königs es
auch nur Einen geben sollte, der den Wahnsinn hätte, ihm zur Wiederaufnahme
des alten Absolutismus zu rathen, liegt außer den Grenzen der Möglichkeit. Ent¬
weder will sie also die jetzige Constituante geradezu auflösen und eine Verfassung
octroyiren und dann ist die größte Wahrscheinlichkeit, daß diese Verfassung
nirgend Gesetzeskraft erhält, oder sie hofft, die Stände in Brandenburg wirklich
zu versammeln. Kommt nnr ein kleiner Theil dahin, so wird ein solches Rumpf¬
parlament nirgend anerkannt, und der Rest der alten Constituante gilt überall
als höchste Autorität, oder wenn man sie gewaltsam sprengt, zersplittert sich der
Kampf in locale Zwistigkeiten und wird zur Anarchie, wie in Spanien; oder,
wenn sich die ganze Versammlung dazu versteht, nach Brandenburg zu gehen, so
werden diese erbitterten Männer eine noch entschiedenere Opposition machen als
früher, man wird sie auflösen müssen und die neuen Wahlen werden um nichts
besser sein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/279>, abgerufen am 25.12.2024.