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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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wenn sie auch den besten Willen haben, sind schon auf Grund ihrer Aeußerlichkeit,
einer kleinen unscheinbaren Körpergestalt, womit sich bei Vogt noch eine sehr
schwache, fast dem Klang einer Frauenstimme ähnliche Rede verbindet, und in Folge
ihrer unvorteilhaften bürgerlichen Lage zu Volksleiteru schwerlich berufen. Doch
haben auch diese Volksspielereien deu bösartigen und gemeinen Charakter, welchem
sie z. B. in Berlin erlagen, hier trotz mancher Ausschweifung nicht an sich ge¬
tragen. Die bedeutendsten Charakter des hiesigen demokratischen Lebens, dem durch
die Einseitigkeit der Bürgerschaft und durch vielfache Versehen und Taktlosigkeiten
der Regierung ein großer Vorschub geleistet worden, blieben die 00r. Grein er,
Riedl, Hermann, Accessist Sturtz und Dr. Ringier. An Begeisterung für
die deutsche Sache leuchtet Dr. Ringier, der seine ursprünglich medicinische Lauf¬
bahn mit dem Literateuthum vertauscht hat, voran ; er steht mit dem Inhaber eines
lithographischen Instituts, Emil Roller, der ebenfalls im demokratischen Ausschuß
ist, an der Spitze der illustrirten Zeitschrift "Die Leuchtkugeln," welche schon im
Herbst 1847 das alte System beschossen. Dr. Ringier verbindet mit einer blü¬
henden, angenehmen, biedern Aeußerlichkeit die Gabe einer freien, aus voller Brust
und mit Wohlklang strömenden Rede. Sein Eifer für die deutsche Sache war
schon ein begeisterter und uneigennütziger, als die Sammlungen für Beseler in
Baiern angezeigt wurden; doch trägt er den bestehenden Verhältnissen immer noch
mehr Rechnung als Dr. Riedl, der mit schneidender Schärfe die Einheit Deutsch¬
lands versieht und von einer Selbststündigkeit der Einzelregierungen nichts mehr
wissen will. Er kennt nur das unerbittliche "entweder oder." Seine Redekraft
bewegt sich in Lakonismen; immer geht er scharf mitten in die Sachen; vor seiner
juristischen Logik finden die historischen Verhältnisse der Allzeit keine Gnade; sein
Eifer für die deutsche Sache dringt weniger aus dem Gemüth, als aus der Ge¬
walt der Erfahrung und des scharfen Verstandes. Die tiefste Natur unter Allen
erscheint Dr. Greiner; mit gründlichen juristischen Kenntnissen ausgerüstet, als
Rheinpfälzer von früher in die politischen Anschauungen hineingewachsen, ist er
ein wirklich politischer Charakter. Ihm steht über die Rechtskenntniß hinaus ein
nicht gewöhnlicher Blick in die Geschichte der Staaten und Volke" zu Gebote. Sein
Organ ist nicht gerade wohltönend, seine Rede will anfangs nicht recht fließen,
weil das innere Leben in zu tiefer Erregung und Arbeit ist, aber nach und nach,
wenn die innere Sammlung vollendet, brechen die Worte mit hinreißender Kraft
hervor. Ein tiefer, sogar finsterer Ernst ist der Grundtypus seiner Erscheinung,
des reiche tiefschwarze Haupt- und Barthaar pnßt dazu. Viele legen ihm ein
selbstsüchtiges Streben nach einem Ministerportefeuille zur Last. Mit Unrecht, er
ist eine stillsinnende Brutusnatur, vielleicht wird er unter Allen am längsten in
der betretenen Bahn verharren, es lebt in ihm eine langsame, aber tiefe und
dauerhafte Kraft. Für das Volk ist er fast zu doctrinär. Eine Natur, ganz ge¬
eignet die verschiedenfarbigen demokratischen Kräfte um ein gemeinsames Banner


wenn sie auch den besten Willen haben, sind schon auf Grund ihrer Aeußerlichkeit,
einer kleinen unscheinbaren Körpergestalt, womit sich bei Vogt noch eine sehr
schwache, fast dem Klang einer Frauenstimme ähnliche Rede verbindet, und in Folge
ihrer unvorteilhaften bürgerlichen Lage zu Volksleiteru schwerlich berufen. Doch
haben auch diese Volksspielereien deu bösartigen und gemeinen Charakter, welchem
sie z. B. in Berlin erlagen, hier trotz mancher Ausschweifung nicht an sich ge¬
tragen. Die bedeutendsten Charakter des hiesigen demokratischen Lebens, dem durch
die Einseitigkeit der Bürgerschaft und durch vielfache Versehen und Taktlosigkeiten
der Regierung ein großer Vorschub geleistet worden, blieben die 00r. Grein er,
Riedl, Hermann, Accessist Sturtz und Dr. Ringier. An Begeisterung für
die deutsche Sache leuchtet Dr. Ringier, der seine ursprünglich medicinische Lauf¬
bahn mit dem Literateuthum vertauscht hat, voran ; er steht mit dem Inhaber eines
lithographischen Instituts, Emil Roller, der ebenfalls im demokratischen Ausschuß
ist, an der Spitze der illustrirten Zeitschrift „Die Leuchtkugeln," welche schon im
Herbst 1847 das alte System beschossen. Dr. Ringier verbindet mit einer blü¬
henden, angenehmen, biedern Aeußerlichkeit die Gabe einer freien, aus voller Brust
und mit Wohlklang strömenden Rede. Sein Eifer für die deutsche Sache war
schon ein begeisterter und uneigennütziger, als die Sammlungen für Beseler in
Baiern angezeigt wurden; doch trägt er den bestehenden Verhältnissen immer noch
mehr Rechnung als Dr. Riedl, der mit schneidender Schärfe die Einheit Deutsch¬
lands versieht und von einer Selbststündigkeit der Einzelregierungen nichts mehr
wissen will. Er kennt nur das unerbittliche „entweder oder." Seine Redekraft
bewegt sich in Lakonismen; immer geht er scharf mitten in die Sachen; vor seiner
juristischen Logik finden die historischen Verhältnisse der Allzeit keine Gnade; sein
Eifer für die deutsche Sache dringt weniger aus dem Gemüth, als aus der Ge¬
walt der Erfahrung und des scharfen Verstandes. Die tiefste Natur unter Allen
erscheint Dr. Greiner; mit gründlichen juristischen Kenntnissen ausgerüstet, als
Rheinpfälzer von früher in die politischen Anschauungen hineingewachsen, ist er
ein wirklich politischer Charakter. Ihm steht über die Rechtskenntniß hinaus ein
nicht gewöhnlicher Blick in die Geschichte der Staaten und Volke» zu Gebote. Sein
Organ ist nicht gerade wohltönend, seine Rede will anfangs nicht recht fließen,
weil das innere Leben in zu tiefer Erregung und Arbeit ist, aber nach und nach,
wenn die innere Sammlung vollendet, brechen die Worte mit hinreißender Kraft
hervor. Ein tiefer, sogar finsterer Ernst ist der Grundtypus seiner Erscheinung,
des reiche tiefschwarze Haupt- und Barthaar pnßt dazu. Viele legen ihm ein
selbstsüchtiges Streben nach einem Ministerportefeuille zur Last. Mit Unrecht, er
ist eine stillsinnende Brutusnatur, vielleicht wird er unter Allen am längsten in
der betretenen Bahn verharren, es lebt in ihm eine langsame, aber tiefe und
dauerhafte Kraft. Für das Volk ist er fast zu doctrinär. Eine Natur, ganz ge¬
eignet die verschiedenfarbigen demokratischen Kräfte um ein gemeinsames Banner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/271>, abgerufen am 28.09.2024.