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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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zu schaaren, ist Hermann. Glänzende Phantasie, elastischer Charakter,
schneidender unerschöpflicher Witz, ausgedehnte Lebenserfahrung und fließende Rede,
voll Selbstbeherrschung bei glühendem Ehrgeize wurden ihn zum glücklichsten
Agitator machen, zöge sich nicht ein gewisses Phlegma durch die ganze Vielseitig¬
keit seines Wesens. Ob er von einer Idee ganz erfüllt und bestimmt ist, daran
läßt das ironische Lächeln zweifeln, welches auch in den seltenen Momenten einer
steigenden Begeisterung um seinen Mund spielt. Sein in's Röthliche spielende
Haar giebt seiner Erscheinung ein Mephisto-Gepräge. Das Volk, dessen Sou¬
veränität er proclamirt, kennt er mehr als zu gut. Er spielt mit den Zuhörern,
mit Ideen wie mit Worten und um einen bestimmten Zweck oder Eindruck zu
erreichen, kann er sogar verschämt um Worte verlegen sein. Und doch scheint
die Glätte gebildeter Kreise mehr sein Element als die Tribune. Der Witz
wird von ihm nicht gemacht, sondern macht sich selber, seine Erscheinung ist
nicht durch die biedere, unbefangene Offenheit und strahlende Begeisterung
Ringeis' empfohlen, wie er etwas Neservirtes, mitunter schleichendes hat, so weiß
er auch zu unterscheiden nud nimmt passende Rücksichten; bei den Parlaments¬
wahlen stand sein Name auf verschiedenen Listen und er selbst erschien damals in
verschiedenen Clubs. Ob ein glühender aber klug beherrschter Ehrgeiz mehr Antheil
an seiner Demokratie hat, als sein Charakter und Herz, das muß die Folgezeit
lehren. Diese sind die hervorragensten Erscheinungen unserer Demokratie, reich¬
begabte, bürgerlich unbescholtene Männer, die vor allen anderen deutschen Demokra¬
ten Entschiedenheit und einen ungewöhnlichen Tact voraus haben, sie blieben von
den Tagen des Bauhofclub bis heute sämmtlich sich und ihren Grundsätzen treu;
sie haben das Volk, das ihnen mit großer Pietät anhängt, zu keinen zwecklosen
Excessen verleitet, und die Zukunft wird sie mehr nach dem, was verhütet, als
nach dem, was sie erstrebt, zu richten haben. In der Presse versieht in seinem
"Vorwärts" der Kt>Mi>8. M-is Franz Sensburg mit seinen Freunden die De¬
mokratie in schärfster Konsequenz.

Für die näher rückender Parlamentswahlen wurden verschiedene Clubs ge¬
bildet, ein constitutionell-monarchischer, der fast alle hohen Beamten,
Bürger, Offiziere, Kammermitglieder, Exminister u. f.w. einschloß und ein monar¬
chisch-konstitutioneller oder constitutionell-conservativer, in welchem die mittlere
und untere Beamtenwelt und ehrliche Philister ihre loyale" Uebungen machten;
er ist zuerst im Sande verlaufen, jetzt aber neu aufgestanden und zwar durch und
durch weißblau. Die zierlichste Errungenschaft aber nach dem 6. März ist der
"Bürgerverein für Freiheit und Ordnung." Nur was hier an eigenem
Heerd ansässig ist, kann Mitglied des Vereins werden, er umfaßt alle bürger¬
lichen Stände, man könnte ihn den permanenten Wohlfahrtsausschuß der Bourgeoisie
nennen. Er ist ein wahrhaft deutscher Verein, auf der einen Achsel trägt er die
Freiheit, auf der andern die Ordnung; er allein erfreut sich der freundlichen


zu schaaren, ist Hermann. Glänzende Phantasie, elastischer Charakter,
schneidender unerschöpflicher Witz, ausgedehnte Lebenserfahrung und fließende Rede,
voll Selbstbeherrschung bei glühendem Ehrgeize wurden ihn zum glücklichsten
Agitator machen, zöge sich nicht ein gewisses Phlegma durch die ganze Vielseitig¬
keit seines Wesens. Ob er von einer Idee ganz erfüllt und bestimmt ist, daran
läßt das ironische Lächeln zweifeln, welches auch in den seltenen Momenten einer
steigenden Begeisterung um seinen Mund spielt. Sein in's Röthliche spielende
Haar giebt seiner Erscheinung ein Mephisto-Gepräge. Das Volk, dessen Sou¬
veränität er proclamirt, kennt er mehr als zu gut. Er spielt mit den Zuhörern,
mit Ideen wie mit Worten und um einen bestimmten Zweck oder Eindruck zu
erreichen, kann er sogar verschämt um Worte verlegen sein. Und doch scheint
die Glätte gebildeter Kreise mehr sein Element als die Tribune. Der Witz
wird von ihm nicht gemacht, sondern macht sich selber, seine Erscheinung ist
nicht durch die biedere, unbefangene Offenheit und strahlende Begeisterung
Ringeis' empfohlen, wie er etwas Neservirtes, mitunter schleichendes hat, so weiß
er auch zu unterscheiden nud nimmt passende Rücksichten; bei den Parlaments¬
wahlen stand sein Name auf verschiedenen Listen und er selbst erschien damals in
verschiedenen Clubs. Ob ein glühender aber klug beherrschter Ehrgeiz mehr Antheil
an seiner Demokratie hat, als sein Charakter und Herz, das muß die Folgezeit
lehren. Diese sind die hervorragensten Erscheinungen unserer Demokratie, reich¬
begabte, bürgerlich unbescholtene Männer, die vor allen anderen deutschen Demokra¬
ten Entschiedenheit und einen ungewöhnlichen Tact voraus haben, sie blieben von
den Tagen des Bauhofclub bis heute sämmtlich sich und ihren Grundsätzen treu;
sie haben das Volk, das ihnen mit großer Pietät anhängt, zu keinen zwecklosen
Excessen verleitet, und die Zukunft wird sie mehr nach dem, was verhütet, als
nach dem, was sie erstrebt, zu richten haben. In der Presse versieht in seinem
„Vorwärts" der Kt>Mi>8. M-is Franz Sensburg mit seinen Freunden die De¬
mokratie in schärfster Konsequenz.

Für die näher rückender Parlamentswahlen wurden verschiedene Clubs ge¬
bildet, ein constitutionell-monarchischer, der fast alle hohen Beamten,
Bürger, Offiziere, Kammermitglieder, Exminister u. f.w. einschloß und ein monar¬
chisch-konstitutioneller oder constitutionell-conservativer, in welchem die mittlere
und untere Beamtenwelt und ehrliche Philister ihre loyale» Uebungen machten;
er ist zuerst im Sande verlaufen, jetzt aber neu aufgestanden und zwar durch und
durch weißblau. Die zierlichste Errungenschaft aber nach dem 6. März ist der
„Bürgerverein für Freiheit und Ordnung." Nur was hier an eigenem
Heerd ansässig ist, kann Mitglied des Vereins werden, er umfaßt alle bürger¬
lichen Stände, man könnte ihn den permanenten Wohlfahrtsausschuß der Bourgeoisie
nennen. Er ist ein wahrhaft deutscher Verein, auf der einen Achsel trägt er die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/272>, abgerufen am 26.06.2024.