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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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die unmittelbar in's Volksleben einschritten, so das Ablösungs- und Wahlgesetz.
Die Sache schien eine ernste Wendung nehmen zu wollen, als durch Professor
Neumann (an der hiesigen Universität für Geschichte) und Herr v. Hermann,
der Münchner Abgeordnete für Frankfurt, den Gesellen, die schon weniger ar¬
beiten, mehr Lohn haben und eifrige Clubisten sein wollten, eine theoretisch-prak¬
tische Erleuchtung durch Vorlesungen über eine angebliche neue Gewerbeordnung
und die sociale Frage drehte.

Die Bürgerschaft, mit deren innigsten Eüwerständniß die unblutige Revolution
erfolgt war, sah sich nunmehr schon unter dem gefürchteten Henkerbeil unbedingter
Gewerbsfreiheit verbluten, wenigstens die besten Fettaugen von der alten Behäbigkeit
abgeschöpft werden; es ging ihr über gewisse Möglichkeiten der modernen Freiheit,
für welche sie uach dem Muster der Weltstadt an der Seine, dem übrigen Deutsch¬
land voran, gekämpft hatte -- das erste Mal ein Licht auf, und in ihrem unver¬
wüstlich richtigen Gefühl, daß die materiellen Interessen am Ende in diesem Leben
doch das entscheidende Wort sprechen -- legte sie sich mit der ganzen Wucht
ihrer Gewerbeerrungeuschaften zwischeu die Gesellen und die auf einem unge-
wohnten Felde docirenden Professoren. .Die Bürgerschaft rührte sich wieder und
machte eine Schwenkung rechts nach dem Throne hin. In dem Grade, als sie
dort Verzeihung für ihre frühere jugendliche Aufwallung erlangte, terrorisirte sie
den Bauhofclub, was ihr um so mehr gelingen mußte, da vom Club aus Fatales
geschah, als dieser sich nicht mehr einer so tactvollen Leitung wie ursprünglich unter
dem Nechtspraktikanten Wagner erfreute, sondernuuter dem Handlungsbeflissenen
Bilding auf eine gefährliche Spitze gelaufen war. Der Bauhofsclub gab M
Leitung der öffentlichen Meinung zuletzt selber auf, nicht aber seine Grundsätze,
seine esoterischen Lehren und engeren Mitglieder. Es war nach außen hin seines
Seins nicht mehr, nachdem er bei den Parlamentswahlen schon in der Wahlmänner¬
schaft ein totales in diesem Maße selbst von seinen Gegnern Unerwartetes Fiasco
hatte erleben müssen. Als er schon aus dem Zenith seines Einflusses getreten, hatte
ein Mann sein Augenmerk auf ihn geworfen, der schwer verwundet aus den poli¬
tischen Kreisen herausgeschleudert war, Fürst Ludwig Wallerstein. Vielleicht
erklärt dies sein späteres Austreten bei der demokratischen Wahlversammlung in
Nördlingen. Der Bauhofsclub fand einen schwachen Nachhall in einem "Verein
für Volks rechte" der mit einem etwas radikaler gesinnten Club, dem demo¬
kratischen Verein in neuester Zeit verschmolzen, in öffentliche Wirksamkeit sür
Volksversammlungen (am 17. Septbr. in Neuburghausen) und Adressen ins Par¬
lament (i 8. Oct.) getreten ist. Wir haben auch das Schauspiel sogenannter Volks¬
tribunen in der heitersten und gemüthlichsten Gestalt erlebt. Der Literat Vogt
und der Dichter Sax find bei verschiedener Gelegenheit, namentlich im Franzis¬
kaner-Braukeller in der Vorstadt An als Volksredner mit Beglückungstheorien auf¬
getreten; das Volk hat sie des Kurzweils halber angehört; beide jungen Männer,


die unmittelbar in's Volksleben einschritten, so das Ablösungs- und Wahlgesetz.
Die Sache schien eine ernste Wendung nehmen zu wollen, als durch Professor
Neumann (an der hiesigen Universität für Geschichte) und Herr v. Hermann,
der Münchner Abgeordnete für Frankfurt, den Gesellen, die schon weniger ar¬
beiten, mehr Lohn haben und eifrige Clubisten sein wollten, eine theoretisch-prak¬
tische Erleuchtung durch Vorlesungen über eine angebliche neue Gewerbeordnung
und die sociale Frage drehte.

Die Bürgerschaft, mit deren innigsten Eüwerständniß die unblutige Revolution
erfolgt war, sah sich nunmehr schon unter dem gefürchteten Henkerbeil unbedingter
Gewerbsfreiheit verbluten, wenigstens die besten Fettaugen von der alten Behäbigkeit
abgeschöpft werden; es ging ihr über gewisse Möglichkeiten der modernen Freiheit,
für welche sie uach dem Muster der Weltstadt an der Seine, dem übrigen Deutsch¬
land voran, gekämpft hatte — das erste Mal ein Licht auf, und in ihrem unver¬
wüstlich richtigen Gefühl, daß die materiellen Interessen am Ende in diesem Leben
doch das entscheidende Wort sprechen — legte sie sich mit der ganzen Wucht
ihrer Gewerbeerrungeuschaften zwischeu die Gesellen und die auf einem unge-
wohnten Felde docirenden Professoren. .Die Bürgerschaft rührte sich wieder und
machte eine Schwenkung rechts nach dem Throne hin. In dem Grade, als sie
dort Verzeihung für ihre frühere jugendliche Aufwallung erlangte, terrorisirte sie
den Bauhofclub, was ihr um so mehr gelingen mußte, da vom Club aus Fatales
geschah, als dieser sich nicht mehr einer so tactvollen Leitung wie ursprünglich unter
dem Nechtspraktikanten Wagner erfreute, sondernuuter dem Handlungsbeflissenen
Bilding auf eine gefährliche Spitze gelaufen war. Der Bauhofsclub gab M
Leitung der öffentlichen Meinung zuletzt selber auf, nicht aber seine Grundsätze,
seine esoterischen Lehren und engeren Mitglieder. Es war nach außen hin seines
Seins nicht mehr, nachdem er bei den Parlamentswahlen schon in der Wahlmänner¬
schaft ein totales in diesem Maße selbst von seinen Gegnern Unerwartetes Fiasco
hatte erleben müssen. Als er schon aus dem Zenith seines Einflusses getreten, hatte
ein Mann sein Augenmerk auf ihn geworfen, der schwer verwundet aus den poli¬
tischen Kreisen herausgeschleudert war, Fürst Ludwig Wallerstein. Vielleicht
erklärt dies sein späteres Austreten bei der demokratischen Wahlversammlung in
Nördlingen. Der Bauhofsclub fand einen schwachen Nachhall in einem „Verein
für Volks rechte" der mit einem etwas radikaler gesinnten Club, dem demo¬
kratischen Verein in neuester Zeit verschmolzen, in öffentliche Wirksamkeit sür
Volksversammlungen (am 17. Septbr. in Neuburghausen) und Adressen ins Par¬
lament (i 8. Oct.) getreten ist. Wir haben auch das Schauspiel sogenannter Volks¬
tribunen in der heitersten und gemüthlichsten Gestalt erlebt. Der Literat Vogt
und der Dichter Sax find bei verschiedener Gelegenheit, namentlich im Franzis¬
kaner-Braukeller in der Vorstadt An als Volksredner mit Beglückungstheorien auf¬
getreten; das Volk hat sie des Kurzweils halber angehört; beide jungen Männer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/270>, abgerufen am 22.07.2024.