Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.geringer Zahl vorhanden waren, in die Gleise staatlicher Entwicklung und Ord¬ Von dem Augenblicke an, wo Lota der akademischen Jugend so wehe ge¬ geringer Zahl vorhanden waren, in die Gleise staatlicher Entwicklung und Ord¬ Von dem Augenblicke an, wo Lota der akademischen Jugend so wehe ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277025"/> <p xml:id="ID_778" prev="#ID_777"> geringer Zahl vorhanden waren, in die Gleise staatlicher Entwicklung und Ord¬<lb/> nung, wie sie eben unter den damaligen Verhältnissen möglich war, geleitet zu<lb/> haben. Die Zeit mit ihrem Füllhorn von Ereignissen überschüttet die Quellen der<lb/> Dinge uur zu leicht im Gedächtniß selbst derer, die sie lebendig mit erlebt haben.<lb/> Daß zu unserer Demokratie, welche in Folge der Märzereignisse unter der Aegide<lb/> von Juristen sich bildete, die Universität aus ihren verschiedenen Facultäten das<lb/> bedeutendste Contingent sandte, war natürlich, da sie mit der ganzen Bewegung<lb/> aufs tiefste verflochten war.</p><lb/> <p xml:id="ID_779" next="#ID_780"> Von dem Augenblicke an, wo Lota der akademischen Jugend so wehe ge¬<lb/> than, ward sie in den Herz- und Pulsschlag der öffentlichen Meinung einge¬<lb/> rückt — sie die ohnehin alle Sympathien des zähen, einflußreichen Familien¬<lb/> lebens und des gewerbtreibenden Mittelstandes für sich hatte. Die Umstände<lb/> waren so günstig, Alles der akademischen Jugend so nahe gelegt, daß sie kälter und<lb/> resignirter hätte sein müssen, als es bei ihr denkbar, wenn sie nicht auch an der<lb/> Spitze der Märzbewegung, als deren leitende Kraft und wie es auch nicht ge¬<lb/> leugnet werden kann, als deren guter Schutzengel wäre erblickt worden. Die<lb/> Politiker unter den Studenten, die verwandten Künstlergemüther und ein Theil<lb/> der erwähnten juristischen Doctrinärs waren theils im eigenen Interesse, theils<lb/> und dies wohl überwiegende im Vorahnen dessen, was die zwischen Extremen ein¬<lb/> geengten kaum gebornen Errungenschaften treffen würde, in einer Gesellschaft ge¬<lb/> nannt der „Banhofclub" vereinigt. Der Philantrvpismus ist seiner Gefühlsseite<lb/> nach der strebsamen Jugend eigenste Natur, was Wunder also, wenn sie sich da,<lb/> wo sie tonangebend geworden, vorzugsweise den socialen Wundschäden zuwendet,<lb/> obgleich Niemand verlangen kann, daß sie sich auch auf die nachhaltige Heilung<lb/> der complicirtesten Schäden gründlich verstehen soll. Genug sie fühlt die socialen<lb/> Leiden und sie hat den besten Willen zu helfen. Wollte der „Bauhosclub" nicht<lb/> bei seiner eigenen Belehrung stehen bleiben, so mußte er ein Feld seiner Thätig¬<lb/> keit suchen; dies fand er, da wir kein eigentliches Proletariat im schlimmsten Sinne<lb/> haben — wenn wir nicht einen großen Theil der von den Stipendien des Hofes<lb/> und der reichen Aristokratie lebender Einwohnerschaft aus allen Ständen darunter<lb/> verstehen sollen an unseren capitalistisch erworbenen und darum vielfach geknech¬<lb/> teten Gewerbegerechtsamcn. Anstatt aber nun im socialistischen Sinne hier, wo<lb/> so viele politische und kirchliche Elemente des Mittelalters noch vorliegen, im Vor¬<lb/> schlage der Association reformirend vorzudringen, fielen die jungen Freiheits¬<lb/> helden mit dem Pulver der Freiheit in den alten Gewerbeplunder. Anfangs wa¬<lb/> ren die Versammlungen des Bauhofclubs, nachdem ein großes Local im Zwei¬<lb/> brückensaal gewonnen wordeu, sehr zahlreich aus allen Ständen, Altern und Bil¬<lb/> dungsgraden besucht, obgleich sich die Debatte überwiegend um den Handwerker¬<lb/> stand drehte und der Funfzigerausschuß und die alte Kammer nur nebeuherliefen<lb/> und selbst ans der Kammer nur solche Dinge in aller Schärfe tractirt wurden,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
geringer Zahl vorhanden waren, in die Gleise staatlicher Entwicklung und Ord¬
nung, wie sie eben unter den damaligen Verhältnissen möglich war, geleitet zu
haben. Die Zeit mit ihrem Füllhorn von Ereignissen überschüttet die Quellen der
Dinge uur zu leicht im Gedächtniß selbst derer, die sie lebendig mit erlebt haben.
Daß zu unserer Demokratie, welche in Folge der Märzereignisse unter der Aegide
von Juristen sich bildete, die Universität aus ihren verschiedenen Facultäten das
bedeutendste Contingent sandte, war natürlich, da sie mit der ganzen Bewegung
aufs tiefste verflochten war.
Von dem Augenblicke an, wo Lota der akademischen Jugend so wehe ge¬
than, ward sie in den Herz- und Pulsschlag der öffentlichen Meinung einge¬
rückt — sie die ohnehin alle Sympathien des zähen, einflußreichen Familien¬
lebens und des gewerbtreibenden Mittelstandes für sich hatte. Die Umstände
waren so günstig, Alles der akademischen Jugend so nahe gelegt, daß sie kälter und
resignirter hätte sein müssen, als es bei ihr denkbar, wenn sie nicht auch an der
Spitze der Märzbewegung, als deren leitende Kraft und wie es auch nicht ge¬
leugnet werden kann, als deren guter Schutzengel wäre erblickt worden. Die
Politiker unter den Studenten, die verwandten Künstlergemüther und ein Theil
der erwähnten juristischen Doctrinärs waren theils im eigenen Interesse, theils
und dies wohl überwiegende im Vorahnen dessen, was die zwischen Extremen ein¬
geengten kaum gebornen Errungenschaften treffen würde, in einer Gesellschaft ge¬
nannt der „Banhofclub" vereinigt. Der Philantrvpismus ist seiner Gefühlsseite
nach der strebsamen Jugend eigenste Natur, was Wunder also, wenn sie sich da,
wo sie tonangebend geworden, vorzugsweise den socialen Wundschäden zuwendet,
obgleich Niemand verlangen kann, daß sie sich auch auf die nachhaltige Heilung
der complicirtesten Schäden gründlich verstehen soll. Genug sie fühlt die socialen
Leiden und sie hat den besten Willen zu helfen. Wollte der „Bauhosclub" nicht
bei seiner eigenen Belehrung stehen bleiben, so mußte er ein Feld seiner Thätig¬
keit suchen; dies fand er, da wir kein eigentliches Proletariat im schlimmsten Sinne
haben — wenn wir nicht einen großen Theil der von den Stipendien des Hofes
und der reichen Aristokratie lebender Einwohnerschaft aus allen Ständen darunter
verstehen sollen an unseren capitalistisch erworbenen und darum vielfach geknech¬
teten Gewerbegerechtsamcn. Anstatt aber nun im socialistischen Sinne hier, wo
so viele politische und kirchliche Elemente des Mittelalters noch vorliegen, im Vor¬
schlage der Association reformirend vorzudringen, fielen die jungen Freiheits¬
helden mit dem Pulver der Freiheit in den alten Gewerbeplunder. Anfangs wa¬
ren die Versammlungen des Bauhofclubs, nachdem ein großes Local im Zwei¬
brückensaal gewonnen wordeu, sehr zahlreich aus allen Ständen, Altern und Bil¬
dungsgraden besucht, obgleich sich die Debatte überwiegend um den Handwerker¬
stand drehte und der Funfzigerausschuß und die alte Kammer nur nebeuherliefen
und selbst ans der Kammer nur solche Dinge in aller Schärfe tractirt wurden,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |