Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.volution nur, wenn der König sich offen und rückhaltlos einem Ministerium aus dem Portraits aus der Berliner Constituante. it) Jung. Er ist der Held der Nationalversammlung; dasselbe souveräne Volk Jung gehört zu den wenigen genialen Männern, die erst durch allerlei zufällige 24*
volution nur, wenn der König sich offen und rückhaltlos einem Ministerium aus dem Portraits aus der Berliner Constituante. it) Jung. Er ist der Held der Nationalversammlung; dasselbe souveräne Volk Jung gehört zu den wenigen genialen Männern, die erst durch allerlei zufällige 24*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276951"/> <p xml:id="ID_535" prev="#ID_534"> volution nur, wenn der König sich offen und rückhaltlos einem Ministerium aus dem<lb/> linken Centrum hingibt, ohne eine neue Kabinetskrisis abzuwarten, und wenn dann klare<lb/> und energische Erklärungen und Handlungen nach allen Seiten und Richtungen erfolgen.<lb/> Die Commnnalbehörden und die Bürgerwehr müssen sofort reorganisirt werden, letztere<lb/> durch Aufnahme der Arbeiter, so weit diese noch nicht verwildert find und durch Aus¬<lb/> tritt der Alten und Schwachen; vielleicht ist sogar die vollständige Umwandlung in eine<lb/> Fsi-alö mitiile das einzige Rettungsmittel. Die Kammer muß constituireud sein für<lb/> die Verfassung und aufgelöst werden, sobald sie in die Exekutive übergreift. Deutsch¬<lb/> land gegenüber muß man endlich allen Beschlüssen der Frankfurter und der Centralge-<lb/> walt Gehorsam geloben, die sich in den Grenzen des Gesetzes vom 22. Juni halten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Portraits aus der Berliner Constituante.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_536"> it) Jung. Er ist der Held der Nationalversammlung; dasselbe souveräne Volk<lb/> „mit den schweißigen Mützen und dem stinkenden Athem," das Held in den Clubs<lb/> und unter den Zelten haranguirt — Jung vertritt es ans der Tribune der Consti¬<lb/> tuante. Hand in Hand mit einander, können sie dreist mit dem Jahrhundert in die<lb/> Schranken treten, der gleiche Geist beseelt sie, wenn er auch bei dem Obcrlandes-<lb/> gerichtsassessor und Staatsvcrfassungsvereinbarer sich natürlich in etwas edleren Formen<lb/> äußert, als bei dem Pöbeltribunen und Svzialreformatvr. „Sie müssen ein Herz ha¬<lb/> ben für die Bewegung, Sie müssen dem Sturme zujauchzen, Sich tragen lassen von<lb/> den Wellen und nicht gleich die Gesetze anrufen, wenn Ihnen etwas Schaum ins Ge¬<lb/> sicht spritzt. Wir sind ja aus dem Volke hervorgegangen, meine Herren, und was<lb/> thun wir mit allen freien Institutionen, wenn uns die freie Bewegung gehemmt ist?"<lb/> Diese Worte rief Jung der Kammer zu, als sie von gerechter Entrüstung erfüllt war<lb/> über die Mißhandlung Sydow's und Arnim's. Bedarf es weiter noch eines Beweises,<lb/> aus welcher Volksschichte der ehrenwerthe Deputirte hervorgegangen, welchem Sturme<lb/> er zujauchzt? Freie Bewegung! Wahrhaftig, wer hätte in dem kleinen, schmächtige»<lb/> Jung einen solchen Heißsporn gesucht, der sich immer, um mit Appetit frühstücken zu<lb/> können, vorher erst eine kleine Motion durch irgend eine Prügelei verschaffen muß?<lb/> Doch schweigen wir von diesen physischen Schwächen! Hier ist seine Achillesferse, hier<lb/> ist eine Lücke in dem Wesen des großen Demagogen, die der stattliche Held ausfüllen<lb/> muß, damit Beide in einander verschmelzen zum schönen, harmonischen Ganzen!</p><lb/> <p xml:id="ID_537" next="#ID_538"> Jung gehört zu den wenigen genialen Männern, die erst durch allerlei zufällige<lb/> Aeußerlichkeiten ans ihren wahren Beruf hingewiesen werden müssen, in deren Brust<lb/> der göttliche Funke lange verborgen glimmt, bis er plötzlich als leuchtende Flamme<lb/> hervorbricht. Jahre hindurch tappte er im Dunkeln umher, gehoben, aber auch ge¬<lb/> peinigt dnrch das unbestimmte Gefühl, zu etwas Großem geboren zu sein, ohne doch<lb/> den rechten Punkt finden zu können, aus den er eigentlich gehörte; wie Körner's<lb/> „Nachtwächter" traf er bald diese, bald jene Wahl aber niemals gelang es ihni,<lb/> die Sehnsucht seines Geistes zu bannen. Ein hartes Schicksal und eigne Bethörung<lb/> hatten ihn dem Ins in die Arme geworfen, doch konnte das schlummernde Genie sich</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 24*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
volution nur, wenn der König sich offen und rückhaltlos einem Ministerium aus dem
linken Centrum hingibt, ohne eine neue Kabinetskrisis abzuwarten, und wenn dann klare
und energische Erklärungen und Handlungen nach allen Seiten und Richtungen erfolgen.
Die Commnnalbehörden und die Bürgerwehr müssen sofort reorganisirt werden, letztere
durch Aufnahme der Arbeiter, so weit diese noch nicht verwildert find und durch Aus¬
tritt der Alten und Schwachen; vielleicht ist sogar die vollständige Umwandlung in eine
Fsi-alö mitiile das einzige Rettungsmittel. Die Kammer muß constituireud sein für
die Verfassung und aufgelöst werden, sobald sie in die Exekutive übergreift. Deutsch¬
land gegenüber muß man endlich allen Beschlüssen der Frankfurter und der Centralge-
walt Gehorsam geloben, die sich in den Grenzen des Gesetzes vom 22. Juni halten.
Portraits aus der Berliner Constituante.
it) Jung. Er ist der Held der Nationalversammlung; dasselbe souveräne Volk
„mit den schweißigen Mützen und dem stinkenden Athem," das Held in den Clubs
und unter den Zelten haranguirt — Jung vertritt es ans der Tribune der Consti¬
tuante. Hand in Hand mit einander, können sie dreist mit dem Jahrhundert in die
Schranken treten, der gleiche Geist beseelt sie, wenn er auch bei dem Obcrlandes-
gerichtsassessor und Staatsvcrfassungsvereinbarer sich natürlich in etwas edleren Formen
äußert, als bei dem Pöbeltribunen und Svzialreformatvr. „Sie müssen ein Herz ha¬
ben für die Bewegung, Sie müssen dem Sturme zujauchzen, Sich tragen lassen von
den Wellen und nicht gleich die Gesetze anrufen, wenn Ihnen etwas Schaum ins Ge¬
sicht spritzt. Wir sind ja aus dem Volke hervorgegangen, meine Herren, und was
thun wir mit allen freien Institutionen, wenn uns die freie Bewegung gehemmt ist?"
Diese Worte rief Jung der Kammer zu, als sie von gerechter Entrüstung erfüllt war
über die Mißhandlung Sydow's und Arnim's. Bedarf es weiter noch eines Beweises,
aus welcher Volksschichte der ehrenwerthe Deputirte hervorgegangen, welchem Sturme
er zujauchzt? Freie Bewegung! Wahrhaftig, wer hätte in dem kleinen, schmächtige»
Jung einen solchen Heißsporn gesucht, der sich immer, um mit Appetit frühstücken zu
können, vorher erst eine kleine Motion durch irgend eine Prügelei verschaffen muß?
Doch schweigen wir von diesen physischen Schwächen! Hier ist seine Achillesferse, hier
ist eine Lücke in dem Wesen des großen Demagogen, die der stattliche Held ausfüllen
muß, damit Beide in einander verschmelzen zum schönen, harmonischen Ganzen!
Jung gehört zu den wenigen genialen Männern, die erst durch allerlei zufällige
Aeußerlichkeiten ans ihren wahren Beruf hingewiesen werden müssen, in deren Brust
der göttliche Funke lange verborgen glimmt, bis er plötzlich als leuchtende Flamme
hervorbricht. Jahre hindurch tappte er im Dunkeln umher, gehoben, aber auch ge¬
peinigt dnrch das unbestimmte Gefühl, zu etwas Großem geboren zu sein, ohne doch
den rechten Punkt finden zu können, aus den er eigentlich gehörte; wie Körner's
„Nachtwächter" traf er bald diese, bald jene Wahl aber niemals gelang es ihni,
die Sehnsucht seines Geistes zu bannen. Ein hartes Schicksal und eigne Bethörung
hatten ihn dem Ins in die Arme geworfen, doch konnte das schlummernde Genie sich
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