Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Verwaltung der Hauptquell seiner werth vollen Eigenthümlichkeit. Es versteht
sich von selbst, daß ein nachdrücklich ausgesprochener Wunsch Preußens in Frankfurt
berücksichtigt wird. Es läßt sich dann der Ausweg treffen, daß die übrigen kleinen
norddeutschen Staaten unter die unmittelbare Militärverwaltung Preußens gestellt,
die süddeutschen zu einer Heerverfassung unter der unmittelbaren Leitung des Reichs¬
kriegsministers vereinigt werden. Die preußische militärische Oberleitung wäre
dann dem Reichskriegsministerium verantwortlich, daß sie ein schlagfertiges Heer
zur Verfügung des Reiches bereit halt; die Mittel wären ihr zu überlassen.
Befehle vom Reichskriegsminister hätte nur der König von Preußen, als Ober¬
befehlshaber der norddeutschen Reichsarmee, zu empfangen, die Truppentheile nicht
unmittelbar. Die Huldigungsfrage könnte man vertagen, wenn der Oberbefehls¬
haber sich unterordnet, bis das Gefühl der Reichseinheit von selbst alle Theile des
Volks gleichmäßig durchdrungen haben wird.

Durch diese Erklärung brächte Preußen sicher kein zu großes Opfer, am we¬
nigsten durch das Aufgeben seiner Diplomatie, die nur gewinnen kann, wenn Preu¬
ße" das bestimmende Element in der Diplomatie des Reiches wird.

Aber eine solche Erklärung muß ohne jeden Vorbehalt gemacht werden, etwa
der Bedingung, daß Preußen sofort äußerlich an die Spitze des Reichs trete. Die
factische Hegemonie, nominell oder nicht, kann Preußen nicht fehlen, sobald das
Reich sich consolidirt, wenn Preußen sich nicht selbst von innen auslöst. Das
Wichtigste ist aber, daß durch diese Erklärung die Entscheidung, d. h. der Austritt
Oestreichs herbeigeführt wird. Denn Oestreich kann mit denselben Bedingungen
so wenig in das Reich eintreten, wie nach dem entgegengesetzten Vorgang Preußens
ohne dieselben.

Der Vorwurf, daß sie einen blos formellen, keinen concret-politischen Act
enthalte, trifft diese Erklärung nicht, am wenigsten deshalb, weil der Anlaß nicht
öffentlich von Frankfurt ausgeht. Es ist das Recht Preußens durch eine solche
Erklärung auf die Feststellung der Reichsverfassung materiell einzuwirken. Fordert
die Nationalversammlung zu Frankfurt weniger und wird dadurch die wohlthätige
Wirksamkeit der Reichsgewalt gefährdet, so liegt die Schuld nicht an Preußen.
Weitergehenden und solchen ForderungeU aber, welche die Eigenthümlichkeit Preu¬
ßens, welche Recht hat zu bestehen, gefährdeten, wird durch eine solche Erklärung
bei dem Charakter der Frankfurter Versammlung am sichersten vorgebeugt. Ob
aber Preußen gegen die letztere Eventualität sich durch ausdrückliche Wahrung
seines formellen Rechtes der Theilnahme an der Feststellung der Reichsverfassung
schützen soll, das führt uns auf die zweite Frage. .

Soll die preußische Regierung auch, der Frankfurter Versammlung gegenüber
den Standpunkt der Vereinbarung ausdrücklich festhalten, den sie bisher still¬
schweigend voraussetzte? Ueber diese Frage ist bis jetzt nichts entschiede". Die
AlkMadiealen Sophisten behaupten, sie sei durch den Beschluß der National-


Verwaltung der Hauptquell seiner werth vollen Eigenthümlichkeit. Es versteht
sich von selbst, daß ein nachdrücklich ausgesprochener Wunsch Preußens in Frankfurt
berücksichtigt wird. Es läßt sich dann der Ausweg treffen, daß die übrigen kleinen
norddeutschen Staaten unter die unmittelbare Militärverwaltung Preußens gestellt,
die süddeutschen zu einer Heerverfassung unter der unmittelbaren Leitung des Reichs¬
kriegsministers vereinigt werden. Die preußische militärische Oberleitung wäre
dann dem Reichskriegsministerium verantwortlich, daß sie ein schlagfertiges Heer
zur Verfügung des Reiches bereit halt; die Mittel wären ihr zu überlassen.
Befehle vom Reichskriegsminister hätte nur der König von Preußen, als Ober¬
befehlshaber der norddeutschen Reichsarmee, zu empfangen, die Truppentheile nicht
unmittelbar. Die Huldigungsfrage könnte man vertagen, wenn der Oberbefehls¬
haber sich unterordnet, bis das Gefühl der Reichseinheit von selbst alle Theile des
Volks gleichmäßig durchdrungen haben wird.

Durch diese Erklärung brächte Preußen sicher kein zu großes Opfer, am we¬
nigsten durch das Aufgeben seiner Diplomatie, die nur gewinnen kann, wenn Preu¬
ße» das bestimmende Element in der Diplomatie des Reiches wird.

Aber eine solche Erklärung muß ohne jeden Vorbehalt gemacht werden, etwa
der Bedingung, daß Preußen sofort äußerlich an die Spitze des Reichs trete. Die
factische Hegemonie, nominell oder nicht, kann Preußen nicht fehlen, sobald das
Reich sich consolidirt, wenn Preußen sich nicht selbst von innen auslöst. Das
Wichtigste ist aber, daß durch diese Erklärung die Entscheidung, d. h. der Austritt
Oestreichs herbeigeführt wird. Denn Oestreich kann mit denselben Bedingungen
so wenig in das Reich eintreten, wie nach dem entgegengesetzten Vorgang Preußens
ohne dieselben.

Der Vorwurf, daß sie einen blos formellen, keinen concret-politischen Act
enthalte, trifft diese Erklärung nicht, am wenigsten deshalb, weil der Anlaß nicht
öffentlich von Frankfurt ausgeht. Es ist das Recht Preußens durch eine solche
Erklärung auf die Feststellung der Reichsverfassung materiell einzuwirken. Fordert
die Nationalversammlung zu Frankfurt weniger und wird dadurch die wohlthätige
Wirksamkeit der Reichsgewalt gefährdet, so liegt die Schuld nicht an Preußen.
Weitergehenden und solchen ForderungeU aber, welche die Eigenthümlichkeit Preu¬
ßens, welche Recht hat zu bestehen, gefährdeten, wird durch eine solche Erklärung
bei dem Charakter der Frankfurter Versammlung am sichersten vorgebeugt. Ob
aber Preußen gegen die letztere Eventualität sich durch ausdrückliche Wahrung
seines formellen Rechtes der Theilnahme an der Feststellung der Reichsverfassung
schützen soll, das führt uns auf die zweite Frage. .

Soll die preußische Regierung auch, der Frankfurter Versammlung gegenüber
den Standpunkt der Vereinbarung ausdrücklich festhalten, den sie bisher still¬
schweigend voraussetzte? Ueber diese Frage ist bis jetzt nichts entschiede». Die
AlkMadiealen Sophisten behaupten, sie sei durch den Beschluß der National-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0156" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276912"/>
          <p xml:id="ID_434" prev="#ID_433"> Verwaltung der Hauptquell seiner werth vollen Eigenthümlichkeit. Es versteht<lb/>
sich von selbst, daß ein nachdrücklich ausgesprochener Wunsch Preußens in Frankfurt<lb/>
berücksichtigt wird. Es läßt sich dann der Ausweg treffen, daß die übrigen kleinen<lb/>
norddeutschen Staaten unter die unmittelbare Militärverwaltung Preußens gestellt,<lb/>
die süddeutschen zu einer Heerverfassung unter der unmittelbaren Leitung des Reichs¬<lb/>
kriegsministers vereinigt werden. Die preußische militärische Oberleitung wäre<lb/>
dann dem Reichskriegsministerium verantwortlich, daß sie ein schlagfertiges Heer<lb/>
zur Verfügung des Reiches bereit halt; die Mittel wären ihr zu überlassen.<lb/>
Befehle vom Reichskriegsminister hätte nur der König von Preußen, als Ober¬<lb/>
befehlshaber der norddeutschen Reichsarmee, zu empfangen, die Truppentheile nicht<lb/>
unmittelbar. Die Huldigungsfrage könnte man vertagen, wenn der Oberbefehls¬<lb/>
haber sich unterordnet, bis das Gefühl der Reichseinheit von selbst alle Theile des<lb/>
Volks gleichmäßig durchdrungen haben wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_435"> Durch diese Erklärung brächte Preußen sicher kein zu großes Opfer, am we¬<lb/>
nigsten durch das Aufgeben seiner Diplomatie, die nur gewinnen kann, wenn Preu¬<lb/>
ße» das bestimmende Element in der Diplomatie des Reiches wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_436"> Aber eine solche Erklärung muß ohne jeden Vorbehalt gemacht werden, etwa<lb/>
der Bedingung, daß Preußen sofort äußerlich an die Spitze des Reichs trete. Die<lb/>
factische Hegemonie, nominell oder nicht, kann Preußen nicht fehlen, sobald das<lb/>
Reich sich consolidirt, wenn Preußen sich nicht selbst von innen auslöst. Das<lb/>
Wichtigste ist aber, daß durch diese Erklärung die Entscheidung, d. h. der Austritt<lb/>
Oestreichs herbeigeführt wird. Denn Oestreich kann mit denselben Bedingungen<lb/>
so wenig in das Reich eintreten, wie nach dem entgegengesetzten Vorgang Preußens<lb/>
ohne dieselben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_437"> Der Vorwurf, daß sie einen blos formellen, keinen concret-politischen Act<lb/>
enthalte, trifft diese Erklärung nicht, am wenigsten deshalb, weil der Anlaß nicht<lb/>
öffentlich von Frankfurt ausgeht. Es ist das Recht Preußens durch eine solche<lb/>
Erklärung auf die Feststellung der Reichsverfassung materiell einzuwirken. Fordert<lb/>
die Nationalversammlung zu Frankfurt weniger und wird dadurch die wohlthätige<lb/>
Wirksamkeit der Reichsgewalt gefährdet, so liegt die Schuld nicht an Preußen.<lb/>
Weitergehenden und solchen ForderungeU aber, welche die Eigenthümlichkeit Preu¬<lb/>
ßens, welche Recht hat zu bestehen, gefährdeten, wird durch eine solche Erklärung<lb/>
bei dem Charakter der Frankfurter Versammlung am sichersten vorgebeugt. Ob<lb/>
aber Preußen gegen die letztere Eventualität sich durch ausdrückliche Wahrung<lb/>
seines formellen Rechtes der Theilnahme an der Feststellung der Reichsverfassung<lb/>
schützen soll, das führt uns auf die zweite Frage. .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_438" next="#ID_439"> Soll die preußische Regierung auch, der Frankfurter Versammlung gegenüber<lb/>
den Standpunkt der Vereinbarung ausdrücklich festhalten, den sie bisher still¬<lb/>
schweigend voraussetzte? Ueber diese Frage ist bis jetzt nichts entschiede». Die<lb/>
AlkMadiealen Sophisten behaupten, sie sei durch den Beschluß der National-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0156] Verwaltung der Hauptquell seiner werth vollen Eigenthümlichkeit. Es versteht sich von selbst, daß ein nachdrücklich ausgesprochener Wunsch Preußens in Frankfurt berücksichtigt wird. Es läßt sich dann der Ausweg treffen, daß die übrigen kleinen norddeutschen Staaten unter die unmittelbare Militärverwaltung Preußens gestellt, die süddeutschen zu einer Heerverfassung unter der unmittelbaren Leitung des Reichs¬ kriegsministers vereinigt werden. Die preußische militärische Oberleitung wäre dann dem Reichskriegsministerium verantwortlich, daß sie ein schlagfertiges Heer zur Verfügung des Reiches bereit halt; die Mittel wären ihr zu überlassen. Befehle vom Reichskriegsminister hätte nur der König von Preußen, als Ober¬ befehlshaber der norddeutschen Reichsarmee, zu empfangen, die Truppentheile nicht unmittelbar. Die Huldigungsfrage könnte man vertagen, wenn der Oberbefehls¬ haber sich unterordnet, bis das Gefühl der Reichseinheit von selbst alle Theile des Volks gleichmäßig durchdrungen haben wird. Durch diese Erklärung brächte Preußen sicher kein zu großes Opfer, am we¬ nigsten durch das Aufgeben seiner Diplomatie, die nur gewinnen kann, wenn Preu¬ ße» das bestimmende Element in der Diplomatie des Reiches wird. Aber eine solche Erklärung muß ohne jeden Vorbehalt gemacht werden, etwa der Bedingung, daß Preußen sofort äußerlich an die Spitze des Reichs trete. Die factische Hegemonie, nominell oder nicht, kann Preußen nicht fehlen, sobald das Reich sich consolidirt, wenn Preußen sich nicht selbst von innen auslöst. Das Wichtigste ist aber, daß durch diese Erklärung die Entscheidung, d. h. der Austritt Oestreichs herbeigeführt wird. Denn Oestreich kann mit denselben Bedingungen so wenig in das Reich eintreten, wie nach dem entgegengesetzten Vorgang Preußens ohne dieselben. Der Vorwurf, daß sie einen blos formellen, keinen concret-politischen Act enthalte, trifft diese Erklärung nicht, am wenigsten deshalb, weil der Anlaß nicht öffentlich von Frankfurt ausgeht. Es ist das Recht Preußens durch eine solche Erklärung auf die Feststellung der Reichsverfassung materiell einzuwirken. Fordert die Nationalversammlung zu Frankfurt weniger und wird dadurch die wohlthätige Wirksamkeit der Reichsgewalt gefährdet, so liegt die Schuld nicht an Preußen. Weitergehenden und solchen ForderungeU aber, welche die Eigenthümlichkeit Preu¬ ßens, welche Recht hat zu bestehen, gefährdeten, wird durch eine solche Erklärung bei dem Charakter der Frankfurter Versammlung am sichersten vorgebeugt. Ob aber Preußen gegen die letztere Eventualität sich durch ausdrückliche Wahrung seines formellen Rechtes der Theilnahme an der Feststellung der Reichsverfassung schützen soll, das führt uns auf die zweite Frage. . Soll die preußische Regierung auch, der Frankfurter Versammlung gegenüber den Standpunkt der Vereinbarung ausdrücklich festhalten, den sie bisher still¬ schweigend voraussetzte? Ueber diese Frage ist bis jetzt nichts entschiede». Die AlkMadiealen Sophisten behaupten, sie sei durch den Beschluß der National-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/156
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/156>, abgerufen am 28.09.2024.