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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Bildung des Reiches hinzuwirken, um als dominirender Factor in dasselbe einzu¬
treten. Dann ist aber höchst gefährlich die preußische Partei, d. h. alle vernünfti¬
gen Männer in der Frankfurter Nationalversammlung -- denn unter ihnen ist
keiner, der nicht den Verhältnissen Preußens Rechnung trüge--fortwährend rathlos
zu lassen. Da helfen auch geheime Unterhandlungen nichts, eine offene Erklärung
muß dieser Partei das ganze Gewicht der vernünftigen öffentlichen Meinung zu¬
führen.

Wenn die preußische Politik ihre Lebensaufgabe in der Realisirung des Reichs
erkennt, dann darf sie selbst nicht wünschen, daß der Reichsgewalt die nothwendigen
Befugnisse verkümmert werde", dann darf sie dies anch nicht wünschen zu Gunsten
der preußischen Nationalsouveränität, dann darf sie nur die Befugnisse nicht opfern,
ohne welche Preußen aufhören müßte, ein charakteristischer Factor in dem Product des
Reichs zu sein. -- Daran ist was gelegen, denn die preußische Eigenthümlichkeit
ist keine zufällige, sondern eine werthvolle. -

Kennt man aber die Stimmung Preußens in Frankfurt uicht, so wird bei
Feststellung der Befugnisse der Reichsgewalt die Partei, welche Preußen um jeden
Preis schonen und seinen Verhältnissen Rechnung tragen möchte, nothmendigerweise
durch ihre Befangenheit Schwanken und Verwirrung in diese Frage bringen. Da
sie weder weiß, was sie von Preußen fordern kann, noch was sie auf jeden Fall
für Preußen retten muß, so kann sie möglicherweise auf einem Punkte nachgeben,
der wahrhaft empfindlich und unverträglich mit der Bestimmung Preußens ist. Dem
wüsten destructiven Treiben der Linken und ihrer unmäßigen Forderungen wird
dnrch diese Unsicherheit entschieden Vorschub geleistet. Unbillige Forderungen finden
immer Eingang, wo man glaubt, daß auch die billige Forderung aus Widerstand
stoßen werde, und einen Beschluß von Frankfurt zu redressiren, bleibt immer eine
bedenkliche Sache.

Um alledem vorzubeugen, muß vor Berathung der definitiven Verfassung zu
Frankfurt von Preußen eine Erklärung ausgehen. Da es sich um Entäußerung
von Souveränitätsrcchten handelt, so ist zunächst die Krone dabei betheiligt. Die
Erklärung muß vom König und den Agnaten ausgehen und von den Ministern der
preußischen Nationalversammlung zur Zustimmung vorgelegt werben. Preußen muß
erklären: I) daß es gern und bereitwillig zu Gunsten des Reichs verzichte auf
eine eigene äußere Politik und Vertretung bei den fremden Staaten; 2) daß es
sich in der allgemeinen oder principiellen Gesetzgebung der künftigen gesetzgebenden
Reichsversammlung unterordne; ü) daß es seine ganze Militärmacht der Reichs¬
gewalt zur Verfügung stelle, daß es aber wünsche, in Bezug aus seine Heeres¬
verfassung und Verwaltung autonom zu bleiben, da den eigenthümlichen Werth der
preußischen Heeresorganisation zu erhalten, im Interesse Preußens wie Deutsch¬
lands liege.

Die Selbststä'ndigkeit der preußischen Hecresverfassung ist neben der inneren


19*

Bildung des Reiches hinzuwirken, um als dominirender Factor in dasselbe einzu¬
treten. Dann ist aber höchst gefährlich die preußische Partei, d. h. alle vernünfti¬
gen Männer in der Frankfurter Nationalversammlung — denn unter ihnen ist
keiner, der nicht den Verhältnissen Preußens Rechnung trüge—fortwährend rathlos
zu lassen. Da helfen auch geheime Unterhandlungen nichts, eine offene Erklärung
muß dieser Partei das ganze Gewicht der vernünftigen öffentlichen Meinung zu¬
führen.

Wenn die preußische Politik ihre Lebensaufgabe in der Realisirung des Reichs
erkennt, dann darf sie selbst nicht wünschen, daß der Reichsgewalt die nothwendigen
Befugnisse verkümmert werde», dann darf sie dies anch nicht wünschen zu Gunsten
der preußischen Nationalsouveränität, dann darf sie nur die Befugnisse nicht opfern,
ohne welche Preußen aufhören müßte, ein charakteristischer Factor in dem Product des
Reichs zu sein. — Daran ist was gelegen, denn die preußische Eigenthümlichkeit
ist keine zufällige, sondern eine werthvolle. -

Kennt man aber die Stimmung Preußens in Frankfurt uicht, so wird bei
Feststellung der Befugnisse der Reichsgewalt die Partei, welche Preußen um jeden
Preis schonen und seinen Verhältnissen Rechnung tragen möchte, nothmendigerweise
durch ihre Befangenheit Schwanken und Verwirrung in diese Frage bringen. Da
sie weder weiß, was sie von Preußen fordern kann, noch was sie auf jeden Fall
für Preußen retten muß, so kann sie möglicherweise auf einem Punkte nachgeben,
der wahrhaft empfindlich und unverträglich mit der Bestimmung Preußens ist. Dem
wüsten destructiven Treiben der Linken und ihrer unmäßigen Forderungen wird
dnrch diese Unsicherheit entschieden Vorschub geleistet. Unbillige Forderungen finden
immer Eingang, wo man glaubt, daß auch die billige Forderung aus Widerstand
stoßen werde, und einen Beschluß von Frankfurt zu redressiren, bleibt immer eine
bedenkliche Sache.

Um alledem vorzubeugen, muß vor Berathung der definitiven Verfassung zu
Frankfurt von Preußen eine Erklärung ausgehen. Da es sich um Entäußerung
von Souveränitätsrcchten handelt, so ist zunächst die Krone dabei betheiligt. Die
Erklärung muß vom König und den Agnaten ausgehen und von den Ministern der
preußischen Nationalversammlung zur Zustimmung vorgelegt werben. Preußen muß
erklären: I) daß es gern und bereitwillig zu Gunsten des Reichs verzichte auf
eine eigene äußere Politik und Vertretung bei den fremden Staaten; 2) daß es
sich in der allgemeinen oder principiellen Gesetzgebung der künftigen gesetzgebenden
Reichsversammlung unterordne; ü) daß es seine ganze Militärmacht der Reichs¬
gewalt zur Verfügung stelle, daß es aber wünsche, in Bezug aus seine Heeres¬
verfassung und Verwaltung autonom zu bleiben, da den eigenthümlichen Werth der
preußischen Heeresorganisation zu erhalten, im Interesse Preußens wie Deutsch¬
lands liege.

Die Selbststä'ndigkeit der preußischen Hecresverfassung ist neben der inneren


19*
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[0155] Bildung des Reiches hinzuwirken, um als dominirender Factor in dasselbe einzu¬ treten. Dann ist aber höchst gefährlich die preußische Partei, d. h. alle vernünfti¬ gen Männer in der Frankfurter Nationalversammlung — denn unter ihnen ist keiner, der nicht den Verhältnissen Preußens Rechnung trüge—fortwährend rathlos zu lassen. Da helfen auch geheime Unterhandlungen nichts, eine offene Erklärung muß dieser Partei das ganze Gewicht der vernünftigen öffentlichen Meinung zu¬ führen. Wenn die preußische Politik ihre Lebensaufgabe in der Realisirung des Reichs erkennt, dann darf sie selbst nicht wünschen, daß der Reichsgewalt die nothwendigen Befugnisse verkümmert werde», dann darf sie dies anch nicht wünschen zu Gunsten der preußischen Nationalsouveränität, dann darf sie nur die Befugnisse nicht opfern, ohne welche Preußen aufhören müßte, ein charakteristischer Factor in dem Product des Reichs zu sein. — Daran ist was gelegen, denn die preußische Eigenthümlichkeit ist keine zufällige, sondern eine werthvolle. - Kennt man aber die Stimmung Preußens in Frankfurt uicht, so wird bei Feststellung der Befugnisse der Reichsgewalt die Partei, welche Preußen um jeden Preis schonen und seinen Verhältnissen Rechnung tragen möchte, nothmendigerweise durch ihre Befangenheit Schwanken und Verwirrung in diese Frage bringen. Da sie weder weiß, was sie von Preußen fordern kann, noch was sie auf jeden Fall für Preußen retten muß, so kann sie möglicherweise auf einem Punkte nachgeben, der wahrhaft empfindlich und unverträglich mit der Bestimmung Preußens ist. Dem wüsten destructiven Treiben der Linken und ihrer unmäßigen Forderungen wird dnrch diese Unsicherheit entschieden Vorschub geleistet. Unbillige Forderungen finden immer Eingang, wo man glaubt, daß auch die billige Forderung aus Widerstand stoßen werde, und einen Beschluß von Frankfurt zu redressiren, bleibt immer eine bedenkliche Sache. Um alledem vorzubeugen, muß vor Berathung der definitiven Verfassung zu Frankfurt von Preußen eine Erklärung ausgehen. Da es sich um Entäußerung von Souveränitätsrcchten handelt, so ist zunächst die Krone dabei betheiligt. Die Erklärung muß vom König und den Agnaten ausgehen und von den Ministern der preußischen Nationalversammlung zur Zustimmung vorgelegt werben. Preußen muß erklären: I) daß es gern und bereitwillig zu Gunsten des Reichs verzichte auf eine eigene äußere Politik und Vertretung bei den fremden Staaten; 2) daß es sich in der allgemeinen oder principiellen Gesetzgebung der künftigen gesetzgebenden Reichsversammlung unterordne; ü) daß es seine ganze Militärmacht der Reichs¬ gewalt zur Verfügung stelle, daß es aber wünsche, in Bezug aus seine Heeres¬ verfassung und Verwaltung autonom zu bleiben, da den eigenthümlichen Werth der preußischen Heeresorganisation zu erhalten, im Interesse Preußens wie Deutsch¬ lands liege. Die Selbststä'ndigkeit der preußischen Hecresverfassung ist neben der inneren 19*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/155>, abgerufen am 22.07.2024.