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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Theil als nur im Sommer bewohnte Locale bestanden, als Militärhospitale in
Beschlag genommen werden, während welcher Zeit noch das große Hospital neben
Pfaffendorf (die -jetzige Kammgarnspinnerei) erbaut wurde. Daß die Zahl der
Verwundeten im Laufe des Monats October und, schon vorher durch die häufigen
ganz in der Nähe von Leipzig stattfindenden Vorpostengefechte sich täglich mehrte,
daß ihre Verpflegung zu einer Zeit, wo fast sämmtliche, die Stadt mit den Markt-
bedürfnissen versorgende Dorfschaften theils von den Franzosen, theils von den
verbündeten Truppen besetzt und selbst auf alle Weise in Anspruch genommen wa¬
ren, wo aller Mehl- und Brotvorrath für die Truppen mit Beschlag belegt wurde,
so daß von den Einwohnern nnr mit der größten Mühe und Schwierigkeit und
öfters gar nicht Brot zu erlangen war, nur mit der größten Anstrengung bewirkt
werden konnte, bedarf wohl keines Beweises; ans eine unglaubliche Weise häuften
sich aber diese Schwierigkeiten während der Tage der Schlacht, wo unaufhörlich
zu allen Thoren herein Züge von Verwundeten und Kranken, zum Theil auf Schub¬
karren, weil alle andre nur mögliche Transportmittel erschöpft waren, gebracht
wurde", von welchen die Offiziere sofort einquartirt werden mußten, und in den
ersten Tagen nach der Schlacht, wo nun auch alle Kranke und Verwundete der
verbündeten Truppen entweder von dem Schlachtfelde selbst, oder von den benach¬
barten Dörfern, wo sie in einstweiligen Feldhospitalen gelegen hatten, so weit
nur immer möglich zur Stadt geschafft, und die Offiziere, wenigstens die höhern,
ebenfalls in Privathäuser einquartirt wurden. Auch mußten sofort in den ersten
Tagen mehrere in der Vorstadt gelegene und von den Bewohnern geräumte Häuser,
uuter andern auch ein der Familie meiner Ehefrau zugehöriges, zu Spitäler ein¬
gerichtet werden. Dabei ist die von Neit angegebene Zahl von ungefähr 20,000
Kranken und Verwundeten, welche er am 22. October, dem Tage seiner Ankunft
in Leipzig vorgefunden haben will, unbedingt zu niedrig. Nach der Schlacht bei
Lützen sollten ans Napoleons Befehl 6000 Verwundete in Leipzig untergebracht
werdeu, und eine Deputation, bestehend ans öl. Clarus und den Kaufleuten Du-
four-Feronce und Lacarrivre, welche am 20. Mai zu Abwendung dieser Ma߬
regel an ihn geschickt wurde, hatte keinen Erfolg. Die Anzahl der Kranken ver¬
minderte sich während des Waffenstillstandes, stieg aber nach Wiederausbruch der
Feindseligkeiten sehr bald wieder ans diese Höhe. Zufolge der in den Acten be¬
findlichen schriftlichen Mittheilung eine? französischen Oberchirurgen betrug die An¬
zahl der allein in der Schlacht bei Leipzig blesstrten Franzosen 18,000. Rechnet
man hierzu wenigstens 12,000 Verbündete, deren Zahl wegen der anfänglichen
Vermengung und erst successiv erfolgter Sonderung der verschiedenen Nationen sich
weniger genau angeben läßt, und den Bestand der Spitale vor der Schlacht, so
kann man die Totalsumme zu wenigstens 30 bis 40,000 annehmen, welche sich
freilich durch deu wüthenden Typhus bald auf schreckbare Weise verminderte. Die
Zahl allein der in Privathäusern einquartirten verwundeten oder kranken französi-


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Theil als nur im Sommer bewohnte Locale bestanden, als Militärhospitale in
Beschlag genommen werden, während welcher Zeit noch das große Hospital neben
Pfaffendorf (die -jetzige Kammgarnspinnerei) erbaut wurde. Daß die Zahl der
Verwundeten im Laufe des Monats October und, schon vorher durch die häufigen
ganz in der Nähe von Leipzig stattfindenden Vorpostengefechte sich täglich mehrte,
daß ihre Verpflegung zu einer Zeit, wo fast sämmtliche, die Stadt mit den Markt-
bedürfnissen versorgende Dorfschaften theils von den Franzosen, theils von den
verbündeten Truppen besetzt und selbst auf alle Weise in Anspruch genommen wa¬
ren, wo aller Mehl- und Brotvorrath für die Truppen mit Beschlag belegt wurde,
so daß von den Einwohnern nnr mit der größten Mühe und Schwierigkeit und
öfters gar nicht Brot zu erlangen war, nur mit der größten Anstrengung bewirkt
werden konnte, bedarf wohl keines Beweises; ans eine unglaubliche Weise häuften
sich aber diese Schwierigkeiten während der Tage der Schlacht, wo unaufhörlich
zu allen Thoren herein Züge von Verwundeten und Kranken, zum Theil auf Schub¬
karren, weil alle andre nur mögliche Transportmittel erschöpft waren, gebracht
wurde», von welchen die Offiziere sofort einquartirt werden mußten, und in den
ersten Tagen nach der Schlacht, wo nun auch alle Kranke und Verwundete der
verbündeten Truppen entweder von dem Schlachtfelde selbst, oder von den benach¬
barten Dörfern, wo sie in einstweiligen Feldhospitalen gelegen hatten, so weit
nur immer möglich zur Stadt geschafft, und die Offiziere, wenigstens die höhern,
ebenfalls in Privathäuser einquartirt wurden. Auch mußten sofort in den ersten
Tagen mehrere in der Vorstadt gelegene und von den Bewohnern geräumte Häuser,
uuter andern auch ein der Familie meiner Ehefrau zugehöriges, zu Spitäler ein¬
gerichtet werden. Dabei ist die von Neit angegebene Zahl von ungefähr 20,000
Kranken und Verwundeten, welche er am 22. October, dem Tage seiner Ankunft
in Leipzig vorgefunden haben will, unbedingt zu niedrig. Nach der Schlacht bei
Lützen sollten ans Napoleons Befehl 6000 Verwundete in Leipzig untergebracht
werdeu, und eine Deputation, bestehend ans öl. Clarus und den Kaufleuten Du-
four-Feronce und Lacarrivre, welche am 20. Mai zu Abwendung dieser Ma߬
regel an ihn geschickt wurde, hatte keinen Erfolg. Die Anzahl der Kranken ver¬
minderte sich während des Waffenstillstandes, stieg aber nach Wiederausbruch der
Feindseligkeiten sehr bald wieder ans diese Höhe. Zufolge der in den Acten be¬
findlichen schriftlichen Mittheilung eine? französischen Oberchirurgen betrug die An¬
zahl der allein in der Schlacht bei Leipzig blesstrten Franzosen 18,000. Rechnet
man hierzu wenigstens 12,000 Verbündete, deren Zahl wegen der anfänglichen
Vermengung und erst successiv erfolgter Sonderung der verschiedenen Nationen sich
weniger genau angeben läßt, und den Bestand der Spitale vor der Schlacht, so
kann man die Totalsumme zu wenigstens 30 bis 40,000 annehmen, welche sich
freilich durch deu wüthenden Typhus bald auf schreckbare Weise verminderte. Die
Zahl allein der in Privathäusern einquartirten verwundeten oder kranken französi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/53>, abgerufen am 03.07.2024.