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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Dort meldeten sich die gästesuchenden Bürger. "Ich will zwei, ich will fünf, ich
will acht Studenten haben, wo möglich Wiener!" so lautete gewöhnlich ihre An¬
meldung. "Und als man nach der Rechnung frug, da schüttelte" sie die Wipfel."
Nur die ärmeren ließen sich ihre Auslagen erstatten; wenige gefielen sich in der
Rolle eines improvisirten Hotelbesitzers. Eine wahrhaftige ,^"t<!"to vunlii,!""
herrschte zwischen den Studenten und den jungen Bürgerinnen von Eisenach, eine
rührende Zärtlichkeit! Sie schwammen in einem Meere von Seligkeit, wenn sie
am Arm der stattlichen Burschen einherwandelten. Zwei Bälle in der Erholung
und in der Cicada wurden arrangirt, der großen tete all-unpetiv nicht zu gedenken,
wo sie wie das wilde Heer auf dem Wiesengrunde des Marieuthals walzten und
nach dem Klänge der Hörner auf den steilen Berglehnen herumkletterten und
sprangen, wie die Gemsen! Für das eigentliche Fest auf der Wartburg hatte das
Programm einen "feierlichen Commers" angesetzt. Alles war vorbereitet, alle
nothwendigen Erfordernisse zu einem Commers waren in reichem Maße vorhan¬
den, aber -- Niemand verlangte nach der "alten Schnurre" mit ihrem lächerlichen
Ceremoniell. Dafür führte man mit grotesken Pomp eine Kaiserkrönung aus, zu
der die Harnische der Rüstkammer eine erwünschte Aushilfe boten. Es erschien
ein Gegenkaiser im preußischen Soldatenhelm, welcher im männlichen Lanzenrennen
schmählich in den Sand gestreckt wurde. Ueberhaupt machte die satyrische Laune
im Gebiete der Politik eine reiche Ernte. Auf dem Markte zu Eisenach formirte
sich ein politischer Club, der in seinem Programm die Anarchie für die im Prinzip
beste Staatsform erklärte; aber er fügte nicht ohne Erröthen das betrübende Ge-
ständniß hinzu, daß das Volk leider! für diese herrliche Staatsform -- noch
nicht reif sei. Man erschöpfte sich in witzigen Vorschlägen, wie das Volk für
dieselbe herangebildet werden könne. - Der gesellige Verkehr unter deu Studenten
bewegte sich überhaupt in den ungezwungenen ansprechenden Formen, welche dem
Studentenleben jenen eigenthümlichen Reiz verleihen, welchen nur diejenigen ganz
empfinden, die noch in diesen heitern Kreisen leben. Der alte lächerliche Streit
über Landsmannschaften und Burschenschafter schien begraben, die welthistorischen
Commentfragen waren in das Meer der Vergessenheit versunken. Ein neuer,
freierer Geist wehte in den Kreisen der froh vereinten Commilitonen und wird
ihnen das schöne Wartbnrgfest zu einem unerschöpflichen Born jugendfroher Erin¬
P--! nerung machen.




Grenzboten. II. Is"".et2

Dort meldeten sich die gästesuchenden Bürger. „Ich will zwei, ich will fünf, ich
will acht Studenten haben, wo möglich Wiener!" so lautete gewöhnlich ihre An¬
meldung. „Und als man nach der Rechnung frug, da schüttelte» sie die Wipfel."
Nur die ärmeren ließen sich ihre Auslagen erstatten; wenige gefielen sich in der
Rolle eines improvisirten Hotelbesitzers. Eine wahrhaftige ,^»t<!»to vunlii,!«"
herrschte zwischen den Studenten und den jungen Bürgerinnen von Eisenach, eine
rührende Zärtlichkeit! Sie schwammen in einem Meere von Seligkeit, wenn sie
am Arm der stattlichen Burschen einherwandelten. Zwei Bälle in der Erholung
und in der Cicada wurden arrangirt, der großen tete all-unpetiv nicht zu gedenken,
wo sie wie das wilde Heer auf dem Wiesengrunde des Marieuthals walzten und
nach dem Klänge der Hörner auf den steilen Berglehnen herumkletterten und
sprangen, wie die Gemsen! Für das eigentliche Fest auf der Wartburg hatte das
Programm einen „feierlichen Commers" angesetzt. Alles war vorbereitet, alle
nothwendigen Erfordernisse zu einem Commers waren in reichem Maße vorhan¬
den, aber — Niemand verlangte nach der „alten Schnurre" mit ihrem lächerlichen
Ceremoniell. Dafür führte man mit grotesken Pomp eine Kaiserkrönung aus, zu
der die Harnische der Rüstkammer eine erwünschte Aushilfe boten. Es erschien
ein Gegenkaiser im preußischen Soldatenhelm, welcher im männlichen Lanzenrennen
schmählich in den Sand gestreckt wurde. Ueberhaupt machte die satyrische Laune
im Gebiete der Politik eine reiche Ernte. Auf dem Markte zu Eisenach formirte
sich ein politischer Club, der in seinem Programm die Anarchie für die im Prinzip
beste Staatsform erklärte; aber er fügte nicht ohne Erröthen das betrübende Ge-
ständniß hinzu, daß das Volk leider! für diese herrliche Staatsform — noch
nicht reif sei. Man erschöpfte sich in witzigen Vorschlägen, wie das Volk für
dieselbe herangebildet werden könne. - Der gesellige Verkehr unter deu Studenten
bewegte sich überhaupt in den ungezwungenen ansprechenden Formen, welche dem
Studentenleben jenen eigenthümlichen Reiz verleihen, welchen nur diejenigen ganz
empfinden, die noch in diesen heitern Kreisen leben. Der alte lächerliche Streit
über Landsmannschaften und Burschenschafter schien begraben, die welthistorischen
Commentfragen waren in das Meer der Vergessenheit versunken. Ein neuer,
freierer Geist wehte in den Kreisen der froh vereinten Commilitonen und wird
ihnen das schöne Wartbnrgfest zu einem unerschöpflichen Born jugendfroher Erin¬
P--! nerung machen.




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[0487] Dort meldeten sich die gästesuchenden Bürger. „Ich will zwei, ich will fünf, ich will acht Studenten haben, wo möglich Wiener!" so lautete gewöhnlich ihre An¬ meldung. „Und als man nach der Rechnung frug, da schüttelte» sie die Wipfel." Nur die ärmeren ließen sich ihre Auslagen erstatten; wenige gefielen sich in der Rolle eines improvisirten Hotelbesitzers. Eine wahrhaftige ,^»t<!»to vunlii,!«" herrschte zwischen den Studenten und den jungen Bürgerinnen von Eisenach, eine rührende Zärtlichkeit! Sie schwammen in einem Meere von Seligkeit, wenn sie am Arm der stattlichen Burschen einherwandelten. Zwei Bälle in der Erholung und in der Cicada wurden arrangirt, der großen tete all-unpetiv nicht zu gedenken, wo sie wie das wilde Heer auf dem Wiesengrunde des Marieuthals walzten und nach dem Klänge der Hörner auf den steilen Berglehnen herumkletterten und sprangen, wie die Gemsen! Für das eigentliche Fest auf der Wartburg hatte das Programm einen „feierlichen Commers" angesetzt. Alles war vorbereitet, alle nothwendigen Erfordernisse zu einem Commers waren in reichem Maße vorhan¬ den, aber — Niemand verlangte nach der „alten Schnurre" mit ihrem lächerlichen Ceremoniell. Dafür führte man mit grotesken Pomp eine Kaiserkrönung aus, zu der die Harnische der Rüstkammer eine erwünschte Aushilfe boten. Es erschien ein Gegenkaiser im preußischen Soldatenhelm, welcher im männlichen Lanzenrennen schmählich in den Sand gestreckt wurde. Ueberhaupt machte die satyrische Laune im Gebiete der Politik eine reiche Ernte. Auf dem Markte zu Eisenach formirte sich ein politischer Club, der in seinem Programm die Anarchie für die im Prinzip beste Staatsform erklärte; aber er fügte nicht ohne Erröthen das betrübende Ge- ständniß hinzu, daß das Volk leider! für diese herrliche Staatsform — noch nicht reif sei. Man erschöpfte sich in witzigen Vorschlägen, wie das Volk für dieselbe herangebildet werden könne. - Der gesellige Verkehr unter deu Studenten bewegte sich überhaupt in den ungezwungenen ansprechenden Formen, welche dem Studentenleben jenen eigenthümlichen Reiz verleihen, welchen nur diejenigen ganz empfinden, die noch in diesen heitern Kreisen leben. Der alte lächerliche Streit über Landsmannschaften und Burschenschafter schien begraben, die welthistorischen Commentfragen waren in das Meer der Vergessenheit versunken. Ein neuer, freierer Geist wehte in den Kreisen der froh vereinten Commilitonen und wird ihnen das schöne Wartbnrgfest zu einem unerschöpflichen Born jugendfroher Erin¬ P--! nerung machen. Grenzboten. II. Is«».et2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/487>, abgerufen am 26.06.2024.