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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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erkannte Nothwendigkeit. Die Regierungen der einzelnen Staaten sind längst
davon überzeugt und legen bereits Hand an das Werk. Aber sie glauben, daß
mit einigen oberflächlichen und bedeutungslosen Maßregeln Alles geschehen sei oder
geschehen könne. Ueber den Grund des Verfalls, über die Mittel zur Wieder¬
belebung der Hochschulen fehlt ihnen die klare Einsicht. Die Universitäten selbst
kennen die Quellen ihrer gegenwärtigen Erbärmlichkeit am besten; sie werden am
sichersten die Heilmittel gegen ihr trauriges Siechthum finden. Vor allen Dinge"
ist eine einheitliche Gestaltung derselben "othweudig, und diese ist nur möglich,
wenn die constituireude Nationalversammlung das Recht des deutschen Volles ans
die Befreiung der Heerde der Wissenschaft vou unwürdige" Fesseln anerkennt und
in die deutsche Verfassungsurkunde aufnimmt. Von diesen Motiven geleitet hat
die Wartburg ihre Ansichten und Wünsche der Nationalversammlung in einer
Adresse ausgesprochen und ist allerdings der Meinung, daß diese ihre Kundgebung
nicht werthlos für die deutschen Vertreter sein werde. Durch den Ernst ihrer
Berathungen, durch ihre Anerkennung und Beachtung jeder Meinung, durch ihre
Hingebung an die Idee der Befreiung der Wissenschaft, durch ihr freiwilliges Ver¬
zichten auf die althergebrachten Privilegien ihrer besondern Gerichtsbarkeit hat sich
die akademische Jugend einen eben so großen Anspruch an die Achtung ihres Vol¬
les erworben, als durch ihre Tapferkeit und Aufopferung im Kampfe um die
staatliche Freiheit. Hier kaun nicht die Rede sein vou jugendlicher Anmaßung
und Selbstüberschätzung. Die Studirenden würdigen das Gewicht ihrer Stimme
gar wohl. Es ist keine Stimme, welche i" den Ohre" der gesetzgebenden Göttin
gellt; aber es ist auch keine Stimme eines Predigers in der Wüste. I^venu ">,ut
vt 8>'lIvilVVI'>I"i! ittlimilM.

Werfen wir nun noch einen Blick auf die äußere Gestaltung des Festes.
Ueber anderthalbtausend Studenten aus allen Enden des deutschen Landes waren
in der gastlichen Bergstadt Thüringens zusammengeströmt. Von Wien nach Bres-
lau hatten die Festgenossen ein Drittel der Fahrpreise, von Breslau nach Berlin
gar nichts, auf ander" Eisenbahnen zwei Drittel gezahlt. Den biedern Bürgern
Eisenachs war der Gedanke nicht beigekommcn, die Ueberfüllung der Stadt mit
vou jeher schlecht rechnenden Gästen zum Vortheil ihrer Taschen auszubeuten. So
reisten denn die Meisten mit noch leidlich gefüllten Börsen wieder heim. Diese
im Studentenleben fast mirakulvse Erscheinung trug nicht wenig zur jovialen Stim¬
mung der Musensöhne bei. Die Preise waren von einer vorsündfluthlicheu Nie¬
drigkeit. Dazu kam der genügsame Sinn des Studenten, der gar leicht zufrieden¬
gestellt ist. Die Lößnitzer und Eßliuger Ehampaguerfabriken, zu deren Flor die'
Naturforscherversammlnngeu so viel beitrugen, sind durch das Wartburgfest uicht
auf deu Strumpf gekommen. Ich habe nirgends einen Pfropfen knallen hören.
Aber unbillige Massen trefflichen Bieres wurden vertilgt nach der Väter Weise.-
Eine Wohnungscommissivn hatte sich gebildet mehrere Tage vor Beginn des Festes./


erkannte Nothwendigkeit. Die Regierungen der einzelnen Staaten sind längst
davon überzeugt und legen bereits Hand an das Werk. Aber sie glauben, daß
mit einigen oberflächlichen und bedeutungslosen Maßregeln Alles geschehen sei oder
geschehen könne. Ueber den Grund des Verfalls, über die Mittel zur Wieder¬
belebung der Hochschulen fehlt ihnen die klare Einsicht. Die Universitäten selbst
kennen die Quellen ihrer gegenwärtigen Erbärmlichkeit am besten; sie werden am
sichersten die Heilmittel gegen ihr trauriges Siechthum finden. Vor allen Dinge»
ist eine einheitliche Gestaltung derselben »othweudig, und diese ist nur möglich,
wenn die constituireude Nationalversammlung das Recht des deutschen Volles ans
die Befreiung der Heerde der Wissenschaft vou unwürdige» Fesseln anerkennt und
in die deutsche Verfassungsurkunde aufnimmt. Von diesen Motiven geleitet hat
die Wartburg ihre Ansichten und Wünsche der Nationalversammlung in einer
Adresse ausgesprochen und ist allerdings der Meinung, daß diese ihre Kundgebung
nicht werthlos für die deutschen Vertreter sein werde. Durch den Ernst ihrer
Berathungen, durch ihre Anerkennung und Beachtung jeder Meinung, durch ihre
Hingebung an die Idee der Befreiung der Wissenschaft, durch ihr freiwilliges Ver¬
zichten auf die althergebrachten Privilegien ihrer besondern Gerichtsbarkeit hat sich
die akademische Jugend einen eben so großen Anspruch an die Achtung ihres Vol¬
les erworben, als durch ihre Tapferkeit und Aufopferung im Kampfe um die
staatliche Freiheit. Hier kaun nicht die Rede sein vou jugendlicher Anmaßung
und Selbstüberschätzung. Die Studirenden würdigen das Gewicht ihrer Stimme
gar wohl. Es ist keine Stimme, welche i» den Ohre» der gesetzgebenden Göttin
gellt; aber es ist auch keine Stimme eines Predigers in der Wüste. I^venu «>,ut
vt 8>'lIvilVVI'>I»i! ittlimilM.

Werfen wir nun noch einen Blick auf die äußere Gestaltung des Festes.
Ueber anderthalbtausend Studenten aus allen Enden des deutschen Landes waren
in der gastlichen Bergstadt Thüringens zusammengeströmt. Von Wien nach Bres-
lau hatten die Festgenossen ein Drittel der Fahrpreise, von Breslau nach Berlin
gar nichts, auf ander» Eisenbahnen zwei Drittel gezahlt. Den biedern Bürgern
Eisenachs war der Gedanke nicht beigekommcn, die Ueberfüllung der Stadt mit
vou jeher schlecht rechnenden Gästen zum Vortheil ihrer Taschen auszubeuten. So
reisten denn die Meisten mit noch leidlich gefüllten Börsen wieder heim. Diese
im Studentenleben fast mirakulvse Erscheinung trug nicht wenig zur jovialen Stim¬
mung der Musensöhne bei. Die Preise waren von einer vorsündfluthlicheu Nie¬
drigkeit. Dazu kam der genügsame Sinn des Studenten, der gar leicht zufrieden¬
gestellt ist. Die Lößnitzer und Eßliuger Ehampaguerfabriken, zu deren Flor die'
Naturforscherversammlnngeu so viel beitrugen, sind durch das Wartburgfest uicht
auf deu Strumpf gekommen. Ich habe nirgends einen Pfropfen knallen hören.
Aber unbillige Massen trefflichen Bieres wurden vertilgt nach der Väter Weise.-
Eine Wohnungscommissivn hatte sich gebildet mehrere Tage vor Beginn des Festes./


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[0486] erkannte Nothwendigkeit. Die Regierungen der einzelnen Staaten sind längst davon überzeugt und legen bereits Hand an das Werk. Aber sie glauben, daß mit einigen oberflächlichen und bedeutungslosen Maßregeln Alles geschehen sei oder geschehen könne. Ueber den Grund des Verfalls, über die Mittel zur Wieder¬ belebung der Hochschulen fehlt ihnen die klare Einsicht. Die Universitäten selbst kennen die Quellen ihrer gegenwärtigen Erbärmlichkeit am besten; sie werden am sichersten die Heilmittel gegen ihr trauriges Siechthum finden. Vor allen Dinge» ist eine einheitliche Gestaltung derselben »othweudig, und diese ist nur möglich, wenn die constituireude Nationalversammlung das Recht des deutschen Volles ans die Befreiung der Heerde der Wissenschaft vou unwürdige» Fesseln anerkennt und in die deutsche Verfassungsurkunde aufnimmt. Von diesen Motiven geleitet hat die Wartburg ihre Ansichten und Wünsche der Nationalversammlung in einer Adresse ausgesprochen und ist allerdings der Meinung, daß diese ihre Kundgebung nicht werthlos für die deutschen Vertreter sein werde. Durch den Ernst ihrer Berathungen, durch ihre Anerkennung und Beachtung jeder Meinung, durch ihre Hingebung an die Idee der Befreiung der Wissenschaft, durch ihr freiwilliges Ver¬ zichten auf die althergebrachten Privilegien ihrer besondern Gerichtsbarkeit hat sich die akademische Jugend einen eben so großen Anspruch an die Achtung ihres Vol¬ les erworben, als durch ihre Tapferkeit und Aufopferung im Kampfe um die staatliche Freiheit. Hier kaun nicht die Rede sein vou jugendlicher Anmaßung und Selbstüberschätzung. Die Studirenden würdigen das Gewicht ihrer Stimme gar wohl. Es ist keine Stimme, welche i» den Ohre» der gesetzgebenden Göttin gellt; aber es ist auch keine Stimme eines Predigers in der Wüste. I^venu «>,ut vt 8>'lIvilVVI'>I»i! ittlimilM. Werfen wir nun noch einen Blick auf die äußere Gestaltung des Festes. Ueber anderthalbtausend Studenten aus allen Enden des deutschen Landes waren in der gastlichen Bergstadt Thüringens zusammengeströmt. Von Wien nach Bres- lau hatten die Festgenossen ein Drittel der Fahrpreise, von Breslau nach Berlin gar nichts, auf ander» Eisenbahnen zwei Drittel gezahlt. Den biedern Bürgern Eisenachs war der Gedanke nicht beigekommcn, die Ueberfüllung der Stadt mit vou jeher schlecht rechnenden Gästen zum Vortheil ihrer Taschen auszubeuten. So reisten denn die Meisten mit noch leidlich gefüllten Börsen wieder heim. Diese im Studentenleben fast mirakulvse Erscheinung trug nicht wenig zur jovialen Stim¬ mung der Musensöhne bei. Die Preise waren von einer vorsündfluthlicheu Nie¬ drigkeit. Dazu kam der genügsame Sinn des Studenten, der gar leicht zufrieden¬ gestellt ist. Die Lößnitzer und Eßliuger Ehampaguerfabriken, zu deren Flor die' Naturforscherversammlnngeu so viel beitrugen, sind durch das Wartburgfest uicht auf deu Strumpf gekommen. Ich habe nirgends einen Pfropfen knallen hören. Aber unbillige Massen trefflichen Bieres wurden vertilgt nach der Väter Weise.- Eine Wohnungscommissivn hatte sich gebildet mehrere Tage vor Beginn des Festes./

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/486>, abgerufen am 26.06.2024.