Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.reichs. Der Kaiser anerkennt die Forderungen, welche den Zugeständnissen des 15. Und es sieht mit ihrer Lösung sehr trübe aus. Der Ungar, der Czeche, der Der vorgedachten Ansicht getreu, vermögen wir auf die Dinge, die in Jnspruck reichs. Der Kaiser anerkennt die Forderungen, welche den Zugeständnissen des 15. Und es sieht mit ihrer Lösung sehr trübe aus. Der Ungar, der Czeche, der Der vorgedachten Ansicht getreu, vermögen wir auf die Dinge, die in Jnspruck <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276662"/> <p xml:id="ID_1578" prev="#ID_1577"> reichs. Der Kaiser anerkennt die Forderungen, welche den Zugeständnissen des 15.<lb/> Mai zu Grunde liegen, als einen Gesammtwnnsch seiner Völker, nicht der Bevölkerung<lb/> Wiens allein, solchenWunsch aber als Bestimmungsgrund des eignen Wil¬<lb/> lens. Eine solche Anerkenntniß und die Umstände, unter welchen sie ertheilt wird,<lb/> dazu die Contrasignatur der constitutionellen Minister Wcssenberg und Dobl'thos und<lb/> die Anwesenheit des sast vollständig versammelten diplomatischen Corps, verleihen diesem<lb/> Dokument den größten Werth für alle Zeiten. Noch größere Wirkung würde es hervor¬<lb/> gebracht haben, wenn es minder lang hätte warten lassen und wenn nicht schlimme<lb/> Nachrichten es paralvsirt hätten. Schlechtes Wetter, — oder vielmehr geöffnete Schleu-<lb/> ßen, wodurch Radetzky an weiterem Vorrücken gehindert ward, ein mißlungener Versuch<lb/> auf Goito, endlich der Fall Peschieras nach tapferer Gegenwehr, von dieser Seite;<lb/> von der andern das Vordrängen des Panslavismus in Böhmen und Kroatien und die<lb/> immer tiefer einbrechenden Spaltungen; erschöpfte Finanzen und ein durch Handel-<lb/> nnd Gcwerbestockung anwachsendes Proletariat; dies Alles sammelte sich wieder zu dicken<lb/> Regenwolken und der schöne Friedensbogen war in den Prachtfarben fast wieder zer¬<lb/> ronnen. Kaiserthum Oestreich oder Erzherzogthum Oestreich? oder zur<lb/> Milderung des Gegensatzes: das gesammte Oestreich oder nnr das deutsche?<lb/> Das ist und bleibt jetzt die Lebensfrage.</p><lb/> <p xml:id="ID_1579"> Und es sieht mit ihrer Lösung sehr trübe aus. Der Ungar, der Czeche, der<lb/> Slave, selbst der Italiener, sie haben mit uns gesessen in unsern guten Tagen und<lb/> haben gezecht an unserm Lebenstische (?). Jetzt wo es heißt, es stände übel mit uns,<lb/> schleichen sie wie die falschen Freunde, die eben nur Zechbrüder waren, davon und<lb/> lassen uns allein die Rechnung machen. Die deutsche Gesittung war es, die Wissenschaft<lb/> und Kunst dort einführte, wo rohe Sinnlichkeit vorgewaltet hatte, und die erste deutsche<lb/> Universität ward zu Prag gegründet. Die Lombardei und das Venetianische selbst: wie<lb/> ragte nicht trotz aller Mängel der vorigen Verwaltung ihre Cultur gegen die des übri¬<lb/> gen Italiens hervor! All dessen gedenken sie jetzt nicht, sondern wessen sie unter man¬<lb/> cherlei Druck durch Jahrhunderte nicht gedachten: der Nationalität allein. Das<lb/> Sprachenband allein soll fürder knüpfen und binden. Indessen ist, was diese Völ¬<lb/> kerschaften treibt, weniger ein großes Nationalgefühl, als die Carrikatur davon, näm¬<lb/> lich ein kleinlicher Particulargcist und Provinzialegoismus. Die Nemesis kann und wird<lb/> daher nicht ausbleiben. Bei Ungarn, das zuerst das Banner der Desertion ergriff,<lb/> ist sie bereits erschienen und Kroatien, Slavonien und das deutsche Siebenbürgen zahlen<lb/> ihm in derselben Münze, die es an Oestreich gab. Die Slaven aber, so geneigt sich<lb/> den Mächtigeren in die Arme zu werfen, mögen durch gleißende Worte oder gleißendes<lb/> Gold geblendet, die Augen über die Vorfälle von gestern und ehegestern schließen<lb/> und in der ernsten Geschichte ihrer stets geknutcten polnischen Brüder die Zaubermacht<lb/> des Sprachcngürtels immerhin bewundern!</p><lb/> <p xml:id="ID_1580" next="#ID_1581"> Der vorgedachten Ansicht getreu, vermögen wir auf die Dinge, die in Jnspruck<lb/> und selbst in Wien vorgehen, nicht den höchsten Werth zu legen. Graf Bombelles<lb/> ist entfernt worden oder hat sich entfernt, desto besser! Die Damen Cippini und Sturm-<lb/> feder Hetzen aus das submisseste die Herrschaften auf und schnauben die onswartendcn<lb/> Deputationen auf das Unverschämteste an. Auch gut. Verlangt denn die Natur, daß<lb/> auf Holzäpfelbäumen Ananasse wachsen? Sie gehen oder sie bleiben trotz der Spott¬<lb/> schristen, die auf sie herumgetragen werden: nnn sie denken wohl, daß gerade ihnen<lb/> Katzenmusiken gebühren, und sind auf das Abwarten eingelernt. — Wcssenberg ist zum<lb/> Minister ernannt. Sehr gut. Stadion wird es werden; vielleicht auch gut. AberPillersdorf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
reichs. Der Kaiser anerkennt die Forderungen, welche den Zugeständnissen des 15.
Mai zu Grunde liegen, als einen Gesammtwnnsch seiner Völker, nicht der Bevölkerung
Wiens allein, solchenWunsch aber als Bestimmungsgrund des eignen Wil¬
lens. Eine solche Anerkenntniß und die Umstände, unter welchen sie ertheilt wird,
dazu die Contrasignatur der constitutionellen Minister Wcssenberg und Dobl'thos und
die Anwesenheit des sast vollständig versammelten diplomatischen Corps, verleihen diesem
Dokument den größten Werth für alle Zeiten. Noch größere Wirkung würde es hervor¬
gebracht haben, wenn es minder lang hätte warten lassen und wenn nicht schlimme
Nachrichten es paralvsirt hätten. Schlechtes Wetter, — oder vielmehr geöffnete Schleu-
ßen, wodurch Radetzky an weiterem Vorrücken gehindert ward, ein mißlungener Versuch
auf Goito, endlich der Fall Peschieras nach tapferer Gegenwehr, von dieser Seite;
von der andern das Vordrängen des Panslavismus in Böhmen und Kroatien und die
immer tiefer einbrechenden Spaltungen; erschöpfte Finanzen und ein durch Handel-
nnd Gcwerbestockung anwachsendes Proletariat; dies Alles sammelte sich wieder zu dicken
Regenwolken und der schöne Friedensbogen war in den Prachtfarben fast wieder zer¬
ronnen. Kaiserthum Oestreich oder Erzherzogthum Oestreich? oder zur
Milderung des Gegensatzes: das gesammte Oestreich oder nnr das deutsche?
Das ist und bleibt jetzt die Lebensfrage.
Und es sieht mit ihrer Lösung sehr trübe aus. Der Ungar, der Czeche, der
Slave, selbst der Italiener, sie haben mit uns gesessen in unsern guten Tagen und
haben gezecht an unserm Lebenstische (?). Jetzt wo es heißt, es stände übel mit uns,
schleichen sie wie die falschen Freunde, die eben nur Zechbrüder waren, davon und
lassen uns allein die Rechnung machen. Die deutsche Gesittung war es, die Wissenschaft
und Kunst dort einführte, wo rohe Sinnlichkeit vorgewaltet hatte, und die erste deutsche
Universität ward zu Prag gegründet. Die Lombardei und das Venetianische selbst: wie
ragte nicht trotz aller Mängel der vorigen Verwaltung ihre Cultur gegen die des übri¬
gen Italiens hervor! All dessen gedenken sie jetzt nicht, sondern wessen sie unter man¬
cherlei Druck durch Jahrhunderte nicht gedachten: der Nationalität allein. Das
Sprachenband allein soll fürder knüpfen und binden. Indessen ist, was diese Völ¬
kerschaften treibt, weniger ein großes Nationalgefühl, als die Carrikatur davon, näm¬
lich ein kleinlicher Particulargcist und Provinzialegoismus. Die Nemesis kann und wird
daher nicht ausbleiben. Bei Ungarn, das zuerst das Banner der Desertion ergriff,
ist sie bereits erschienen und Kroatien, Slavonien und das deutsche Siebenbürgen zahlen
ihm in derselben Münze, die es an Oestreich gab. Die Slaven aber, so geneigt sich
den Mächtigeren in die Arme zu werfen, mögen durch gleißende Worte oder gleißendes
Gold geblendet, die Augen über die Vorfälle von gestern und ehegestern schließen
und in der ernsten Geschichte ihrer stets geknutcten polnischen Brüder die Zaubermacht
des Sprachcngürtels immerhin bewundern!
Der vorgedachten Ansicht getreu, vermögen wir auf die Dinge, die in Jnspruck
und selbst in Wien vorgehen, nicht den höchsten Werth zu legen. Graf Bombelles
ist entfernt worden oder hat sich entfernt, desto besser! Die Damen Cippini und Sturm-
feder Hetzen aus das submisseste die Herrschaften auf und schnauben die onswartendcn
Deputationen auf das Unverschämteste an. Auch gut. Verlangt denn die Natur, daß
auf Holzäpfelbäumen Ananasse wachsen? Sie gehen oder sie bleiben trotz der Spott¬
schristen, die auf sie herumgetragen werden: nnn sie denken wohl, daß gerade ihnen
Katzenmusiken gebühren, und sind auf das Abwarten eingelernt. — Wcssenberg ist zum
Minister ernannt. Sehr gut. Stadion wird es werden; vielleicht auch gut. AberPillersdorf
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