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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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habes statt und ans diesen ging der Se. Wenzelsklub hervor, der mit seinem
Schutzpatron anf's beste cvqncttirte. Die alten halbverschollenen Prophezeihunqen
eines "blinden Jünglings/' der in der Hussitenzeit gelebt hatte, wurden wieder
aufgelegt, mit mannigfachen Aenderungen und Verbesserungen, die das Büchlein
im Auge der Kundigen gewissermaßen zu einem Programm der Czcchenpartei
machten.

Die Auferstehung des König Wenzel mit seinen Waiwoden ans dem märchen¬
haften Berge und die Art, wie er mit seinem Heer die deutschen Dränger in
Böhmen schlägt, austreibt und ausrottet, war in dem Büchlein energisch genug
beschrieben. Zugleich nahm die Legion der Swornost, die sich zum Schutze der
czechischen Nationalität gebildet hatte, die Se. Wenzelsfahne an, vielleicht um
sich im Geiste des Volkes mit diesen: geweissagten Se. Wenzelswaiwodcn zu iden-
tificiren.

Es ist begreiflich, daß anch jetzt die feierliche Eröffnung des Slavencongresses
an deu Heiligen geknüpft werden sollte, der der böhmischen Sache so oft schon
Vorschub geleistet hatte. Das Hochamt zur Einweihung des slavischen Parlaments
wurde also auf dem Roßmarkt, vor der Reiterstatue des heiligen Königs, abgehalten.

Es sei mir erlaubt diese Messe zu beschreiben, ein seltsames Stück Altslaven-
thun, in dieser heidnischen Zeit! Man wird es nicht glauben, daß so etwas 12
Meilen von der Grenze Sachsens im Jahre des Herrn 1848 gesehen werden
konnte.

Die Slavengästc, die sich am Morgen des 4. Juni im böhmischen Museum,
der Kaserne der Swornost, versammelt hatten, gingen WO an der Zahl in einem
langen feierlichen Zuge, dem Graben entlang und dem Platze entgegen, wo das
Hochamt gehalten werden sollte. Was dabei an Costümen zum Vorschein kam,
geht in'S Unglaubliche. Montenegro und Dalmatien, die Moldau und Bosnien,
Serbien und Kroatien waren dicht bei einander. Sänger stimmten das erwähnte
Lied vom heiligen Wenzel an, böhmische und panslavische Farben wehten in den
Lüften. Auch Frauen, Pragermnen, die wir noch unlängst in Pariser Moden
gesehen, prangten als Töchter Libnssa's in uralten Gewändern. Am Altar vor
der Wenzelsstatue angekommen, begann der serbische Presbyter das Hochamt zu
lesen, in slavischer Sprache. Uralte slavische Nitualgesänge ertönten, der alte
Serbe Wuk Stephanvwicz war auch mit unter den Sängern. Bei dem memvut""
ani-denn'um erinnerte der Pope seine Zuhörer an alle großen Slaven, die für
Ausbreitung ihres Reiches gekämpft und gewirkt. Er gedachte des fabelhaften
Ezareu Duham, der der Unüberwindliche heißt, des großen Czerny Georg und
Peter des Großen, Ezareu von Rußland. Bis in die Todten jüngster Zeit kam
er herab und gedachte der böhmischen Philologen, die das Czechenthum gewisser¬
maßen aus alten Schriften, Urkunden A. wieder hergestellt, gedachte des guten
alten Jnngmann, des Verfassers des böhmischen Wörterbuchs, gedachte des


Grenzboten, II.

habes statt und ans diesen ging der Se. Wenzelsklub hervor, der mit seinem
Schutzpatron anf's beste cvqncttirte. Die alten halbverschollenen Prophezeihunqen
eines „blinden Jünglings/' der in der Hussitenzeit gelebt hatte, wurden wieder
aufgelegt, mit mannigfachen Aenderungen und Verbesserungen, die das Büchlein
im Auge der Kundigen gewissermaßen zu einem Programm der Czcchenpartei
machten.

Die Auferstehung des König Wenzel mit seinen Waiwoden ans dem märchen¬
haften Berge und die Art, wie er mit seinem Heer die deutschen Dränger in
Böhmen schlägt, austreibt und ausrottet, war in dem Büchlein energisch genug
beschrieben. Zugleich nahm die Legion der Swornost, die sich zum Schutze der
czechischen Nationalität gebildet hatte, die Se. Wenzelsfahne an, vielleicht um
sich im Geiste des Volkes mit diesen: geweissagten Se. Wenzelswaiwodcn zu iden-
tificiren.

Es ist begreiflich, daß anch jetzt die feierliche Eröffnung des Slavencongresses
an deu Heiligen geknüpft werden sollte, der der böhmischen Sache so oft schon
Vorschub geleistet hatte. Das Hochamt zur Einweihung des slavischen Parlaments
wurde also auf dem Roßmarkt, vor der Reiterstatue des heiligen Königs, abgehalten.

Es sei mir erlaubt diese Messe zu beschreiben, ein seltsames Stück Altslaven-
thun, in dieser heidnischen Zeit! Man wird es nicht glauben, daß so etwas 12
Meilen von der Grenze Sachsens im Jahre des Herrn 1848 gesehen werden
konnte.

Die Slavengästc, die sich am Morgen des 4. Juni im böhmischen Museum,
der Kaserne der Swornost, versammelt hatten, gingen WO an der Zahl in einem
langen feierlichen Zuge, dem Graben entlang und dem Platze entgegen, wo das
Hochamt gehalten werden sollte. Was dabei an Costümen zum Vorschein kam,
geht in'S Unglaubliche. Montenegro und Dalmatien, die Moldau und Bosnien,
Serbien und Kroatien waren dicht bei einander. Sänger stimmten das erwähnte
Lied vom heiligen Wenzel an, böhmische und panslavische Farben wehten in den
Lüften. Auch Frauen, Pragermnen, die wir noch unlängst in Pariser Moden
gesehen, prangten als Töchter Libnssa's in uralten Gewändern. Am Altar vor
der Wenzelsstatue angekommen, begann der serbische Presbyter das Hochamt zu
lesen, in slavischer Sprache. Uralte slavische Nitualgesänge ertönten, der alte
Serbe Wuk Stephanvwicz war auch mit unter den Sängern. Bei dem memvut«»
ani-denn'um erinnerte der Pope seine Zuhörer an alle großen Slaven, die für
Ausbreitung ihres Reiches gekämpft und gewirkt. Er gedachte des fabelhaften
Ezareu Duham, der der Unüberwindliche heißt, des großen Czerny Georg und
Peter des Großen, Ezareu von Rußland. Bis in die Todten jüngster Zeit kam
er herab und gedachte der böhmischen Philologen, die das Czechenthum gewisser¬
maßen aus alten Schriften, Urkunden A. wieder hergestellt, gedachte des guten
alten Jnngmann, des Verfassers des böhmischen Wörterbuchs, gedachte des


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[0447] habes statt und ans diesen ging der Se. Wenzelsklub hervor, der mit seinem Schutzpatron anf's beste cvqncttirte. Die alten halbverschollenen Prophezeihunqen eines „blinden Jünglings/' der in der Hussitenzeit gelebt hatte, wurden wieder aufgelegt, mit mannigfachen Aenderungen und Verbesserungen, die das Büchlein im Auge der Kundigen gewissermaßen zu einem Programm der Czcchenpartei machten. Die Auferstehung des König Wenzel mit seinen Waiwoden ans dem märchen¬ haften Berge und die Art, wie er mit seinem Heer die deutschen Dränger in Böhmen schlägt, austreibt und ausrottet, war in dem Büchlein energisch genug beschrieben. Zugleich nahm die Legion der Swornost, die sich zum Schutze der czechischen Nationalität gebildet hatte, die Se. Wenzelsfahne an, vielleicht um sich im Geiste des Volkes mit diesen: geweissagten Se. Wenzelswaiwodcn zu iden- tificiren. Es ist begreiflich, daß anch jetzt die feierliche Eröffnung des Slavencongresses an deu Heiligen geknüpft werden sollte, der der böhmischen Sache so oft schon Vorschub geleistet hatte. Das Hochamt zur Einweihung des slavischen Parlaments wurde also auf dem Roßmarkt, vor der Reiterstatue des heiligen Königs, abgehalten. Es sei mir erlaubt diese Messe zu beschreiben, ein seltsames Stück Altslaven- thun, in dieser heidnischen Zeit! Man wird es nicht glauben, daß so etwas 12 Meilen von der Grenze Sachsens im Jahre des Herrn 1848 gesehen werden konnte. Die Slavengästc, die sich am Morgen des 4. Juni im böhmischen Museum, der Kaserne der Swornost, versammelt hatten, gingen WO an der Zahl in einem langen feierlichen Zuge, dem Graben entlang und dem Platze entgegen, wo das Hochamt gehalten werden sollte. Was dabei an Costümen zum Vorschein kam, geht in'S Unglaubliche. Montenegro und Dalmatien, die Moldau und Bosnien, Serbien und Kroatien waren dicht bei einander. Sänger stimmten das erwähnte Lied vom heiligen Wenzel an, böhmische und panslavische Farben wehten in den Lüften. Auch Frauen, Pragermnen, die wir noch unlängst in Pariser Moden gesehen, prangten als Töchter Libnssa's in uralten Gewändern. Am Altar vor der Wenzelsstatue angekommen, begann der serbische Presbyter das Hochamt zu lesen, in slavischer Sprache. Uralte slavische Nitualgesänge ertönten, der alte Serbe Wuk Stephanvwicz war auch mit unter den Sängern. Bei dem memvut«» ani-denn'um erinnerte der Pope seine Zuhörer an alle großen Slaven, die für Ausbreitung ihres Reiches gekämpft und gewirkt. Er gedachte des fabelhaften Ezareu Duham, der der Unüberwindliche heißt, des großen Czerny Georg und Peter des Großen, Ezareu von Rußland. Bis in die Todten jüngster Zeit kam er herab und gedachte der böhmischen Philologen, die das Czechenthum gewisser¬ maßen aus alten Schriften, Urkunden A. wieder hergestellt, gedachte des guten alten Jnngmann, des Verfassers des böhmischen Wörterbuchs, gedachte des Grenzboten, II.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/447>, abgerufen am 26.06.2024.