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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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liebe Behandlung nickt verdient, um so weniger, als wir gern und laut der Tapfer¬
keit der preußischen Garde die gerechteste Anerkennung zollten. Aber der Grund
jener lag tiefer, er datirte sich von den Berliner Märztagen her. Die Garden
trugen noch die tiefste Erbitterung in sich und warfen uns Alle mit den Berlinern
in einen Topf. Daher beständige Reibereien, täglich Duelle, in welchen die
Klingen der Studenten gar wacker ihre Meisterschaft bewährten. Die Barrikaden¬
männer mußten immer sechs Meilen von der Garde einquartirt werden; drei
Meilen weit wären sie gern gelaufen, um sich mit ihren unversöhnlichen Feinden
zu messen. Die Wuth der Freischärler wurde auf das Höchste gereizt durch die
Behandlung, welche Einzelnen von ihnen in Cvlding widerfuhr. Dort lag die
Garde als Besatzung; Keinem von uns ward verstattet, in die Stadt zu gehen,
wer nothwendig darin zu thun hatte, wurde seiner Waffen beraubt, durch eine
Escorte auf Schritt und Tritt begleitet, wie ein Verbrecher. Dieses empörende
Verfahren veranlaßte uns, von Hadersleben ans eine energische Adresse an den
General Wrangel, der allgemein den Ruhm eines billigen und gerechten Mannes
hat, zu richten und auf Genugthuung zu dringen. Aber diese ward uns nicht,
nicht einmal eine Antwort.

Alles Unangenehme aber versüßte immer wieder bald und schnell der reizende
Wechsel unserer Erlebnisse. Das fröhliche Zusammensein fröhlicher Brüder, die
Romantik des Wachtstubenlebens. Ich hätte es niemals geglaubt, daß man in
der Wachtstube solche genußreiche Stunden verleben könne, wie ich sie erlebt.
Da war lauteste Freude, buntes Gelage, dort am Spieltisch, hier um die dam¬
pfende "KriegSbowle." Heitere Volkslieder, von sanggeübten Kehlen angestimmt,
lockten die schönen Kinder herbei aus der Nachbarschaft, die erst scheu vou fern
dem bunten Treiben zuschauten, dann nach und nach zutraulicher wurden und
zuletzt sich kaum allzu großer Vertraulichkeit zu entwinden vermochten. Die Mar¬
ketenderin hatte mittlerweile nie Zeit und Hände genug, um alle Wünsche zu
erfüllen, um alle bösen Zahler anzukreiden. Ihr sprangen dann einige solide
Dienstwillige bei und versuchten ihr Glück in der Composition fabelhafter Ge¬
tränke, Mischungen aus allen möglichen spirituösen und süßen Stoffen, in welchen
aber das Wasser strengstens verpönt war. Das Spiel war gewöhnlich bald zu
Ende, denn Vermögen war rar und die Lohnung karg. Meistens hatte ein Günst¬
ling des Glücks die Andern alle rein ausgezogen, aber mit lobenswerther Unei-
gennützigkeit "pouirte" er dann den Kameraden einen ungeheuren Weinpunsch.
Immer lauter und fröhlicher ward das Gelage, guten Bürgern ein Gräuel, bis
der Ruf des Postens draußen die Zecher aufschreckte: Ablösung!---Kein
lustigeres, sorgloseres Leben, als das eines Landsknechts!


w. 'S.


liebe Behandlung nickt verdient, um so weniger, als wir gern und laut der Tapfer¬
keit der preußischen Garde die gerechteste Anerkennung zollten. Aber der Grund
jener lag tiefer, er datirte sich von den Berliner Märztagen her. Die Garden
trugen noch die tiefste Erbitterung in sich und warfen uns Alle mit den Berlinern
in einen Topf. Daher beständige Reibereien, täglich Duelle, in welchen die
Klingen der Studenten gar wacker ihre Meisterschaft bewährten. Die Barrikaden¬
männer mußten immer sechs Meilen von der Garde einquartirt werden; drei
Meilen weit wären sie gern gelaufen, um sich mit ihren unversöhnlichen Feinden
zu messen. Die Wuth der Freischärler wurde auf das Höchste gereizt durch die
Behandlung, welche Einzelnen von ihnen in Cvlding widerfuhr. Dort lag die
Garde als Besatzung; Keinem von uns ward verstattet, in die Stadt zu gehen,
wer nothwendig darin zu thun hatte, wurde seiner Waffen beraubt, durch eine
Escorte auf Schritt und Tritt begleitet, wie ein Verbrecher. Dieses empörende
Verfahren veranlaßte uns, von Hadersleben ans eine energische Adresse an den
General Wrangel, der allgemein den Ruhm eines billigen und gerechten Mannes
hat, zu richten und auf Genugthuung zu dringen. Aber diese ward uns nicht,
nicht einmal eine Antwort.

Alles Unangenehme aber versüßte immer wieder bald und schnell der reizende
Wechsel unserer Erlebnisse. Das fröhliche Zusammensein fröhlicher Brüder, die
Romantik des Wachtstubenlebens. Ich hätte es niemals geglaubt, daß man in
der Wachtstube solche genußreiche Stunden verleben könne, wie ich sie erlebt.
Da war lauteste Freude, buntes Gelage, dort am Spieltisch, hier um die dam¬
pfende „KriegSbowle." Heitere Volkslieder, von sanggeübten Kehlen angestimmt,
lockten die schönen Kinder herbei aus der Nachbarschaft, die erst scheu vou fern
dem bunten Treiben zuschauten, dann nach und nach zutraulicher wurden und
zuletzt sich kaum allzu großer Vertraulichkeit zu entwinden vermochten. Die Mar¬
ketenderin hatte mittlerweile nie Zeit und Hände genug, um alle Wünsche zu
erfüllen, um alle bösen Zahler anzukreiden. Ihr sprangen dann einige solide
Dienstwillige bei und versuchten ihr Glück in der Composition fabelhafter Ge¬
tränke, Mischungen aus allen möglichen spirituösen und süßen Stoffen, in welchen
aber das Wasser strengstens verpönt war. Das Spiel war gewöhnlich bald zu
Ende, denn Vermögen war rar und die Lohnung karg. Meistens hatte ein Günst¬
ling des Glücks die Andern alle rein ausgezogen, aber mit lobenswerther Unei-
gennützigkeit „pouirte" er dann den Kameraden einen ungeheuren Weinpunsch.
Immer lauter und fröhlicher ward das Gelage, guten Bürgern ein Gräuel, bis
der Ruf des Postens draußen die Zecher aufschreckte: Ablösung!---Kein
lustigeres, sorgloseres Leben, als das eines Landsknechts!


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[0445] liebe Behandlung nickt verdient, um so weniger, als wir gern und laut der Tapfer¬ keit der preußischen Garde die gerechteste Anerkennung zollten. Aber der Grund jener lag tiefer, er datirte sich von den Berliner Märztagen her. Die Garden trugen noch die tiefste Erbitterung in sich und warfen uns Alle mit den Berlinern in einen Topf. Daher beständige Reibereien, täglich Duelle, in welchen die Klingen der Studenten gar wacker ihre Meisterschaft bewährten. Die Barrikaden¬ männer mußten immer sechs Meilen von der Garde einquartirt werden; drei Meilen weit wären sie gern gelaufen, um sich mit ihren unversöhnlichen Feinden zu messen. Die Wuth der Freischärler wurde auf das Höchste gereizt durch die Behandlung, welche Einzelnen von ihnen in Cvlding widerfuhr. Dort lag die Garde als Besatzung; Keinem von uns ward verstattet, in die Stadt zu gehen, wer nothwendig darin zu thun hatte, wurde seiner Waffen beraubt, durch eine Escorte auf Schritt und Tritt begleitet, wie ein Verbrecher. Dieses empörende Verfahren veranlaßte uns, von Hadersleben ans eine energische Adresse an den General Wrangel, der allgemein den Ruhm eines billigen und gerechten Mannes hat, zu richten und auf Genugthuung zu dringen. Aber diese ward uns nicht, nicht einmal eine Antwort. Alles Unangenehme aber versüßte immer wieder bald und schnell der reizende Wechsel unserer Erlebnisse. Das fröhliche Zusammensein fröhlicher Brüder, die Romantik des Wachtstubenlebens. Ich hätte es niemals geglaubt, daß man in der Wachtstube solche genußreiche Stunden verleben könne, wie ich sie erlebt. Da war lauteste Freude, buntes Gelage, dort am Spieltisch, hier um die dam¬ pfende „KriegSbowle." Heitere Volkslieder, von sanggeübten Kehlen angestimmt, lockten die schönen Kinder herbei aus der Nachbarschaft, die erst scheu vou fern dem bunten Treiben zuschauten, dann nach und nach zutraulicher wurden und zuletzt sich kaum allzu großer Vertraulichkeit zu entwinden vermochten. Die Mar¬ ketenderin hatte mittlerweile nie Zeit und Hände genug, um alle Wünsche zu erfüllen, um alle bösen Zahler anzukreiden. Ihr sprangen dann einige solide Dienstwillige bei und versuchten ihr Glück in der Composition fabelhafter Ge¬ tränke, Mischungen aus allen möglichen spirituösen und süßen Stoffen, in welchen aber das Wasser strengstens verpönt war. Das Spiel war gewöhnlich bald zu Ende, denn Vermögen war rar und die Lohnung karg. Meistens hatte ein Günst¬ ling des Glücks die Andern alle rein ausgezogen, aber mit lobenswerther Unei- gennützigkeit „pouirte" er dann den Kameraden einen ungeheuren Weinpunsch. Immer lauter und fröhlicher ward das Gelage, guten Bürgern ein Gräuel, bis der Ruf des Postens draußen die Zecher aufschreckte: Ablösung!---Kein lustigeres, sorgloseres Leben, als das eines Landsknechts! w. 'S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/445>, abgerufen am 26.06.2024.