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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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ob er seine Gedanken in dieser seltsamen Form wieder erkenne, las die Abhandlung
in so komischem Tone vor, daß die Anwesenden in ein lantes Gelächter ausbrachen.

Hieraus ersieht man bereits, daß die Deutschen sich einigermaßen mit den
Slovaken vereinigt hatten. Denn verhehlen wir es nicht: wie schön und groß
auch die Stellung der Magyaren gegen die östreichische Regierung war, so war
sie doch im Innern des Landes den übrigen Nationalitäten gegenüber keineswegs
edel. Ihre Stellung läßt sich genau bezeichnen als die des Adels in Ungarn.
Obgleich es auch, namentlich in den Karpathen, adlige Slovaken gibt, obgleich
wenigstens jeder deutsche Beamte Vorrechte besitzt, welche ihn dem Adel sehr nahe
stellen, so nimmt doch der Ungar im Allgemeinen eine aristokratische Stellung ein,
und alle Opfer, welche das hochherzige Magyarenthum in letzter Zeit gebracht hat,
haben dies nicht verhindern könne". Die Häupter der Slovaken sind es sich sehr
klar bewußt, daß sie eine vollständige Demokratie wollen, n"d mir scheint, daß
der lange Druck, welcher auf ihrem Volke gelastet hat, und der unter den Slova¬
ken selbst eine wirkliche Aristokratie nicht hat aufkommen lassen, ihren Bestrebun¬
gen sehr in die Hände gearbeitet haben muß. Ich kenne keinen slovakischen Hel¬
den, ich weiß nichts von einer slovakischen Geschichte, und dennoch steht jetzt offenbar
ein slovakischcs Volk in Ungarn den Magyaren gegenüber. Kommt es zum Kampfe,
so kann dies nur der Kampf einer vollständigen Demokratie mit der Aristokratie
sein. Die Erhebung der slovakischen Nationalität ging vor einigen Jahren aus
von dem Kampfe gegen die Unterdrückungen, welche große magyarische Grundbe¬
sitzer sich gegen ihre slovakischen Bauern zu Schulden kommen ließen.

Seur, der Herausgeber der oben erwähnten slovakischen Nationalzeitung in
Preßburg, ist der Sohn eines Schulmeisters in den Karpathen und er hat lange
Federkämpfe mit dem Magnaten geführt, welchem sein Geburtsort gehört und
der eines der bedeutendsten Häupter der ungarischen Opposition Oestreich gegen¬
über ist.

Die Erhebung der slovakischen Nationalität (daß dieselbe schon seit einigen
Jahren stattgefunden hat, ist eine Thatsache, wenn gleich man in Deutschland we¬
nig davon weiß und wenn gleich es bis jetzt schien, als möchten die Ungarn sie
am liebsten ignoriren) wurde anfänglich jedenfalls von der östreichischen Regierung
begünstigt. Die Herausgabe der Nationalzeituug fand nur bei den Magyaren
Widerstand.

Sehr bemerkenswerth aber ist es, daß durch die slovakische Bewegung die
Slaven in Ungarn nicht nur den Magyaren gegenübergetreten sind, sondern sich
auch zugleich von dem czechischen Einflüsse emancipirt haben.

Die Slaven in Ungarn nämlich, wenn sie überhaupt ihr Slaventhum nicht
ganz vergessen hatten, schrieben czechisch, bis mit einem Schlage Seur bei Be¬
gründung seiner Nationalzeitung das Slovakische zur Schriftsprache erhob. Da
dasselbe sehr ungleich in Ungarn gesprochen wurde, so legte er den Karpathen-


ob er seine Gedanken in dieser seltsamen Form wieder erkenne, las die Abhandlung
in so komischem Tone vor, daß die Anwesenden in ein lantes Gelächter ausbrachen.

Hieraus ersieht man bereits, daß die Deutschen sich einigermaßen mit den
Slovaken vereinigt hatten. Denn verhehlen wir es nicht: wie schön und groß
auch die Stellung der Magyaren gegen die östreichische Regierung war, so war
sie doch im Innern des Landes den übrigen Nationalitäten gegenüber keineswegs
edel. Ihre Stellung läßt sich genau bezeichnen als die des Adels in Ungarn.
Obgleich es auch, namentlich in den Karpathen, adlige Slovaken gibt, obgleich
wenigstens jeder deutsche Beamte Vorrechte besitzt, welche ihn dem Adel sehr nahe
stellen, so nimmt doch der Ungar im Allgemeinen eine aristokratische Stellung ein,
und alle Opfer, welche das hochherzige Magyarenthum in letzter Zeit gebracht hat,
haben dies nicht verhindern könne». Die Häupter der Slovaken sind es sich sehr
klar bewußt, daß sie eine vollständige Demokratie wollen, n»d mir scheint, daß
der lange Druck, welcher auf ihrem Volke gelastet hat, und der unter den Slova¬
ken selbst eine wirkliche Aristokratie nicht hat aufkommen lassen, ihren Bestrebun¬
gen sehr in die Hände gearbeitet haben muß. Ich kenne keinen slovakischen Hel¬
den, ich weiß nichts von einer slovakischen Geschichte, und dennoch steht jetzt offenbar
ein slovakischcs Volk in Ungarn den Magyaren gegenüber. Kommt es zum Kampfe,
so kann dies nur der Kampf einer vollständigen Demokratie mit der Aristokratie
sein. Die Erhebung der slovakischen Nationalität ging vor einigen Jahren aus
von dem Kampfe gegen die Unterdrückungen, welche große magyarische Grundbe¬
sitzer sich gegen ihre slovakischen Bauern zu Schulden kommen ließen.

Seur, der Herausgeber der oben erwähnten slovakischen Nationalzeitung in
Preßburg, ist der Sohn eines Schulmeisters in den Karpathen und er hat lange
Federkämpfe mit dem Magnaten geführt, welchem sein Geburtsort gehört und
der eines der bedeutendsten Häupter der ungarischen Opposition Oestreich gegen¬
über ist.

Die Erhebung der slovakischen Nationalität (daß dieselbe schon seit einigen
Jahren stattgefunden hat, ist eine Thatsache, wenn gleich man in Deutschland we¬
nig davon weiß und wenn gleich es bis jetzt schien, als möchten die Ungarn sie
am liebsten ignoriren) wurde anfänglich jedenfalls von der östreichischen Regierung
begünstigt. Die Herausgabe der Nationalzeituug fand nur bei den Magyaren
Widerstand.

Sehr bemerkenswerth aber ist es, daß durch die slovakische Bewegung die
Slaven in Ungarn nicht nur den Magyaren gegenübergetreten sind, sondern sich
auch zugleich von dem czechischen Einflüsse emancipirt haben.

Die Slaven in Ungarn nämlich, wenn sie überhaupt ihr Slaventhum nicht
ganz vergessen hatten, schrieben czechisch, bis mit einem Schlage Seur bei Be¬
gründung seiner Nationalzeitung das Slovakische zur Schriftsprache erhob. Da
dasselbe sehr ungleich in Ungarn gesprochen wurde, so legte er den Karpathen-


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[0437] ob er seine Gedanken in dieser seltsamen Form wieder erkenne, las die Abhandlung in so komischem Tone vor, daß die Anwesenden in ein lantes Gelächter ausbrachen. Hieraus ersieht man bereits, daß die Deutschen sich einigermaßen mit den Slovaken vereinigt hatten. Denn verhehlen wir es nicht: wie schön und groß auch die Stellung der Magyaren gegen die östreichische Regierung war, so war sie doch im Innern des Landes den übrigen Nationalitäten gegenüber keineswegs edel. Ihre Stellung läßt sich genau bezeichnen als die des Adels in Ungarn. Obgleich es auch, namentlich in den Karpathen, adlige Slovaken gibt, obgleich wenigstens jeder deutsche Beamte Vorrechte besitzt, welche ihn dem Adel sehr nahe stellen, so nimmt doch der Ungar im Allgemeinen eine aristokratische Stellung ein, und alle Opfer, welche das hochherzige Magyarenthum in letzter Zeit gebracht hat, haben dies nicht verhindern könne». Die Häupter der Slovaken sind es sich sehr klar bewußt, daß sie eine vollständige Demokratie wollen, n»d mir scheint, daß der lange Druck, welcher auf ihrem Volke gelastet hat, und der unter den Slova¬ ken selbst eine wirkliche Aristokratie nicht hat aufkommen lassen, ihren Bestrebun¬ gen sehr in die Hände gearbeitet haben muß. Ich kenne keinen slovakischen Hel¬ den, ich weiß nichts von einer slovakischen Geschichte, und dennoch steht jetzt offenbar ein slovakischcs Volk in Ungarn den Magyaren gegenüber. Kommt es zum Kampfe, so kann dies nur der Kampf einer vollständigen Demokratie mit der Aristokratie sein. Die Erhebung der slovakischen Nationalität ging vor einigen Jahren aus von dem Kampfe gegen die Unterdrückungen, welche große magyarische Grundbe¬ sitzer sich gegen ihre slovakischen Bauern zu Schulden kommen ließen. Seur, der Herausgeber der oben erwähnten slovakischen Nationalzeitung in Preßburg, ist der Sohn eines Schulmeisters in den Karpathen und er hat lange Federkämpfe mit dem Magnaten geführt, welchem sein Geburtsort gehört und der eines der bedeutendsten Häupter der ungarischen Opposition Oestreich gegen¬ über ist. Die Erhebung der slovakischen Nationalität (daß dieselbe schon seit einigen Jahren stattgefunden hat, ist eine Thatsache, wenn gleich man in Deutschland we¬ nig davon weiß und wenn gleich es bis jetzt schien, als möchten die Ungarn sie am liebsten ignoriren) wurde anfänglich jedenfalls von der östreichischen Regierung begünstigt. Die Herausgabe der Nationalzeituug fand nur bei den Magyaren Widerstand. Sehr bemerkenswerth aber ist es, daß durch die slovakische Bewegung die Slaven in Ungarn nicht nur den Magyaren gegenübergetreten sind, sondern sich auch zugleich von dem czechischen Einflüsse emancipirt haben. Die Slaven in Ungarn nämlich, wenn sie überhaupt ihr Slaventhum nicht ganz vergessen hatten, schrieben czechisch, bis mit einem Schlage Seur bei Be¬ gründung seiner Nationalzeitung das Slovakische zur Schriftsprache erhob. Da dasselbe sehr ungleich in Ungarn gesprochen wurde, so legte er den Karpathen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/437>, abgerufen am 26.06.2024.