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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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An's deutsche Reich, sie denken noch daran,
Daraus vor Jahren fort einst zog der Ah"!
Gern schickt den Sohn der Vater aus dem Haus
"Jn's Reich," daß deutscher Sinn nicht sterbe aus.
Bin auch aus Ungarn, deutscher Leute Kind,
Und denke oft, wie ich sie wiedersind';
Und denke oft, wenn mich der Vater fragt
Um's deutsche Reich, ob man's verschweigt, ob sagt.
Das deutsche Reich! so heißt's "och bei uns allen;
Indessen ist das längstens ja zerfallen!
Nei uns da glaubt daran noch jedes Kind,
Indessen ist das längstens ja in' Wind! -
We n rings die wilden Völker um uns her
Im Ungarland sich brüsteten so sehr,
Und meineten, sie wären unser gleich,
Stolz waren wir, wir dachten an das Reich,
Wo unser Kaiser sitzt auf seinem Thron,
Im Purpurmantel, in der güldnen Kron',
Der deutsche Kaiser! unterm Himmelszelt
Der mächtigste Herr auf der ganzen Welt. --
O trauern wird mein Val^r ob der Mähr!
Wenn ich ihm's sage, wird er jammern sehr,
Daß all' die Pracht und Ruhm und Majestät
Vergessen ist, versunken ist, verweht!

Man soll nicht Wasser zu Wein gießen, deshalb habe ich dieser Selbstcharak¬
teristik des Deutschungarthums nichts hinzuzufügen. Aber erinnern muß ich frei¬
lich nochmals daran, daß sich sein Verhältniß in Ungarn in der Wirklichkeit weit
weniger ideal gestaltete, weil man sich den "wilden Völkern" gegenüber am Ende
doch nur an das Metternichsche Prinzip anlehnen konnte.

Dieses aber konnte den Deutschnngarn nicht einmal consequent denjenigen
Schutz gewähren, den sie als Vertreter der Cultur unbedingt fordern konnten, oder
vielmehr wollte es ihnen denselben nicht gewähren. Es wollte ihnen in letzter
Zeit nicht dieselbe Freiheit gestatten, die man den Stammnngaru und den Slova-
ken unbedenklich zu Theil werden ließ. Diese Naturvölker ließen sich durch die
Polizei nicht bewältige"; nur auf die Deutschen ließ sich die politische Nichtswür¬
digkeit in vollem Maße anwenden. Hätte wahrhaft deutsche Cultur sich frei und
offen zu der Naturkraft der übrige" Nationalitäten gesellen können, so wäre es
mit Oestreich in Ungarn längst vorbei gewesen. Daß die Censur für das Deut¬
sche weit strenger war, als für das Magyarische und Slovakische, ist bekannt.
Als schlagenden Beweis dasür kann ich anführen, daß Aufsätze, welche von deut¬
schen Professoren für die Pesther Zeitung bestimmt und dort gestrichen waren, der
Redaktion der "Sloveusty nvvini" übergeben wurden, wo sie, in's Slovakische über¬
setzt, auch erschienen. Der deutsche Verfasser eines solchen Aufsatzes, welchem
derselbe in meiner Gegenwart von dem Herausgeber dieser Slovaken-Zeitung über¬
bracht und der aufgefordert wurde, einige Zeilen davon vorzulesen, um zu zeigen,


An's deutsche Reich, sie denken noch daran,
Daraus vor Jahren fort einst zog der Ah»!
Gern schickt den Sohn der Vater aus dem Haus
„Jn's Reich," daß deutscher Sinn nicht sterbe aus.
Bin auch aus Ungarn, deutscher Leute Kind,
Und denke oft, wie ich sie wiedersind';
Und denke oft, wenn mich der Vater fragt
Um's deutsche Reich, ob man's verschweigt, ob sagt.
Das deutsche Reich! so heißt's »och bei uns allen;
Indessen ist das längstens ja zerfallen!
Nei uns da glaubt daran noch jedes Kind,
Indessen ist das längstens ja in' Wind! -
We n rings die wilden Völker um uns her
Im Ungarland sich brüsteten so sehr,
Und meineten, sie wären unser gleich,
Stolz waren wir, wir dachten an das Reich,
Wo unser Kaiser sitzt auf seinem Thron,
Im Purpurmantel, in der güldnen Kron',
Der deutsche Kaiser! unterm Himmelszelt
Der mächtigste Herr auf der ganzen Welt. —
O trauern wird mein Val^r ob der Mähr!
Wenn ich ihm's sage, wird er jammern sehr,
Daß all' die Pracht und Ruhm und Majestät
Vergessen ist, versunken ist, verweht!

Man soll nicht Wasser zu Wein gießen, deshalb habe ich dieser Selbstcharak¬
teristik des Deutschungarthums nichts hinzuzufügen. Aber erinnern muß ich frei¬
lich nochmals daran, daß sich sein Verhältniß in Ungarn in der Wirklichkeit weit
weniger ideal gestaltete, weil man sich den „wilden Völkern" gegenüber am Ende
doch nur an das Metternichsche Prinzip anlehnen konnte.

Dieses aber konnte den Deutschnngarn nicht einmal consequent denjenigen
Schutz gewähren, den sie als Vertreter der Cultur unbedingt fordern konnten, oder
vielmehr wollte es ihnen denselben nicht gewähren. Es wollte ihnen in letzter
Zeit nicht dieselbe Freiheit gestatten, die man den Stammnngaru und den Slova-
ken unbedenklich zu Theil werden ließ. Diese Naturvölker ließen sich durch die
Polizei nicht bewältige»; nur auf die Deutschen ließ sich die politische Nichtswür¬
digkeit in vollem Maße anwenden. Hätte wahrhaft deutsche Cultur sich frei und
offen zu der Naturkraft der übrige» Nationalitäten gesellen können, so wäre es
mit Oestreich in Ungarn längst vorbei gewesen. Daß die Censur für das Deut¬
sche weit strenger war, als für das Magyarische und Slovakische, ist bekannt.
Als schlagenden Beweis dasür kann ich anführen, daß Aufsätze, welche von deut¬
schen Professoren für die Pesther Zeitung bestimmt und dort gestrichen waren, der
Redaktion der „Sloveusty nvvini" übergeben wurden, wo sie, in's Slovakische über¬
setzt, auch erschienen. Der deutsche Verfasser eines solchen Aufsatzes, welchem
derselbe in meiner Gegenwart von dem Herausgeber dieser Slovaken-Zeitung über¬
bracht und der aufgefordert wurde, einige Zeilen davon vorzulesen, um zu zeigen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/436>, abgerufen am 26.06.2024.