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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Partei in der Verfassungsfrage stimmen werden. Sie haben jedenfalls das Recht,
ihren Verfassungsentwurf eben so auf gesetzlichem Wege -- dem der Discussion
und der Abstimmung -- zu realisiren, als ihre Gegner. Wenn sie aber die An¬
nahme jenes Punkts als eine Bedingung ihrer Mitwirkung hinstellen; wenn sie
für den Fall einer anderweitigen Entscheidung, mit ihrem Austritt und ihrem
Aufruf an das Volk drohen, so ist das eine Usurpation, der mit den Waffen des
Gesetzes, nöthigenfalls mit Bayonetten, begegnet werden muß.

3) Es klingt sonderbar, wenn dieselbe Partei, welche die Existenz und
die Berechtigung der Einzelstaaten unbedingt bestreitet, eben diesen Einzelstaaten
für die Revolutionirung ihrer bisherigen Zustände volle Autonomie zugesteht.
Entweder sind die Staaten souverän, dann kann es die Nationalversammlung nicht
sein; oder sie sind es nicht, dann muß die Centralgewalt das Recht haben, dem
Bürgerkrieg in ihnen Einhalt zu thun, dem Gesetze nöthigenfalls durch die Bun¬
destruppen Geltung zu verschaffen. Denn jener Passus bezieht sich doch offenbar
auf die Vorgänge in Baden und bestreitet der badischen Negierung das Recht,
durch fremde, d. h. durch Bundestruppen ihre eignen Republikaner zu unterwerfen.

Ich will mich an diesen Widerspruch nicht halten. Als Ausschuß der demo¬
kratischen Partei würde die Versammlung consequent sein, wenn sie den Eingriffen
der Monarchisten die Waffen des Bundes entgegensetzte, die sie gegen die Ein¬
griffe der Demokraten nicht anwendet. Ich will von meinem Standpunkt sprechen,

Ich glaube, die Einzelstaaten müssen, so lange sie noch nicht durch sich selbst
aufgelöst sind, das Recht haben, sich selbstständig eine Verfassung zu geben. Aber
wie wird die Majorität eines Staats bestimmt? Zunächst durch die Stände; im
Fall einer Appellation an's Volk dnrch neue Wahlen und daun wieder dnrch
die neugewählten Stände. Es gibt keinen andern Weg.

Wenn die Stände eines Landes die Einführung der Republik beschließen;
wenn bei einer Appellation an das Volk dieselbe Ansicht die herrschende der neuen
Kammer wird -- dann hat nach meiner Ansicht die Bundes - Centralgewalt kein
Recht, sich einzumischen. Sie hat nur das Recht der Vermittelung, der Ausglei¬
chung der verschiedenen Ansprüche.

Wenn aber in irgend einem Landestheil ein bewaffneter Aufstand sich erhebt,
so ist zunächst die von den Ständen gestützte Regierung die Vertreterin der Ma¬
jorität, und sie hat das Recht, im Fall sie nicht überall die nöthigen Streitmittel
zur Disposition hat, die Centralgewalt im Interesse der öffentlichen Ordnung
um Unterstützung anzugehen. So hat die badische Regierung gehandelt, und sie
war vollständig in ihrem Recht. Hat die republikanische Partei in Baden wirklich
die Majorität, wohlan, so richte sie ihre Wahlen nach ihrer Ueberzeugung ein
und sie wird aus gesetzlichen! Wege ihre Ansprüche erfüllen.

4) In diesem Punkt herrscht die abscheulichste Verwirrung. In dem
blindesten Fanatismus wendet diese Partei, die sonst nicht genug gegen die ver-


Partei in der Verfassungsfrage stimmen werden. Sie haben jedenfalls das Recht,
ihren Verfassungsentwurf eben so auf gesetzlichem Wege — dem der Discussion
und der Abstimmung — zu realisiren, als ihre Gegner. Wenn sie aber die An¬
nahme jenes Punkts als eine Bedingung ihrer Mitwirkung hinstellen; wenn sie
für den Fall einer anderweitigen Entscheidung, mit ihrem Austritt und ihrem
Aufruf an das Volk drohen, so ist das eine Usurpation, der mit den Waffen des
Gesetzes, nöthigenfalls mit Bayonetten, begegnet werden muß.

3) Es klingt sonderbar, wenn dieselbe Partei, welche die Existenz und
die Berechtigung der Einzelstaaten unbedingt bestreitet, eben diesen Einzelstaaten
für die Revolutionirung ihrer bisherigen Zustände volle Autonomie zugesteht.
Entweder sind die Staaten souverän, dann kann es die Nationalversammlung nicht
sein; oder sie sind es nicht, dann muß die Centralgewalt das Recht haben, dem
Bürgerkrieg in ihnen Einhalt zu thun, dem Gesetze nöthigenfalls durch die Bun¬
destruppen Geltung zu verschaffen. Denn jener Passus bezieht sich doch offenbar
auf die Vorgänge in Baden und bestreitet der badischen Negierung das Recht,
durch fremde, d. h. durch Bundestruppen ihre eignen Republikaner zu unterwerfen.

Ich will mich an diesen Widerspruch nicht halten. Als Ausschuß der demo¬
kratischen Partei würde die Versammlung consequent sein, wenn sie den Eingriffen
der Monarchisten die Waffen des Bundes entgegensetzte, die sie gegen die Ein¬
griffe der Demokraten nicht anwendet. Ich will von meinem Standpunkt sprechen,

Ich glaube, die Einzelstaaten müssen, so lange sie noch nicht durch sich selbst
aufgelöst sind, das Recht haben, sich selbstständig eine Verfassung zu geben. Aber
wie wird die Majorität eines Staats bestimmt? Zunächst durch die Stände; im
Fall einer Appellation an's Volk dnrch neue Wahlen und daun wieder dnrch
die neugewählten Stände. Es gibt keinen andern Weg.

Wenn die Stände eines Landes die Einführung der Republik beschließen;
wenn bei einer Appellation an das Volk dieselbe Ansicht die herrschende der neuen
Kammer wird — dann hat nach meiner Ansicht die Bundes - Centralgewalt kein
Recht, sich einzumischen. Sie hat nur das Recht der Vermittelung, der Ausglei¬
chung der verschiedenen Ansprüche.

Wenn aber in irgend einem Landestheil ein bewaffneter Aufstand sich erhebt,
so ist zunächst die von den Ständen gestützte Regierung die Vertreterin der Ma¬
jorität, und sie hat das Recht, im Fall sie nicht überall die nöthigen Streitmittel
zur Disposition hat, die Centralgewalt im Interesse der öffentlichen Ordnung
um Unterstützung anzugehen. So hat die badische Regierung gehandelt, und sie
war vollständig in ihrem Recht. Hat die republikanische Partei in Baden wirklich
die Majorität, wohlan, so richte sie ihre Wahlen nach ihrer Ueberzeugung ein
und sie wird aus gesetzlichen! Wege ihre Ansprüche erfüllen.

4) In diesem Punkt herrscht die abscheulichste Verwirrung. In dem
blindesten Fanatismus wendet diese Partei, die sonst nicht genug gegen die ver-


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[0426] Partei in der Verfassungsfrage stimmen werden. Sie haben jedenfalls das Recht, ihren Verfassungsentwurf eben so auf gesetzlichem Wege — dem der Discussion und der Abstimmung — zu realisiren, als ihre Gegner. Wenn sie aber die An¬ nahme jenes Punkts als eine Bedingung ihrer Mitwirkung hinstellen; wenn sie für den Fall einer anderweitigen Entscheidung, mit ihrem Austritt und ihrem Aufruf an das Volk drohen, so ist das eine Usurpation, der mit den Waffen des Gesetzes, nöthigenfalls mit Bayonetten, begegnet werden muß. 3) Es klingt sonderbar, wenn dieselbe Partei, welche die Existenz und die Berechtigung der Einzelstaaten unbedingt bestreitet, eben diesen Einzelstaaten für die Revolutionirung ihrer bisherigen Zustände volle Autonomie zugesteht. Entweder sind die Staaten souverän, dann kann es die Nationalversammlung nicht sein; oder sie sind es nicht, dann muß die Centralgewalt das Recht haben, dem Bürgerkrieg in ihnen Einhalt zu thun, dem Gesetze nöthigenfalls durch die Bun¬ destruppen Geltung zu verschaffen. Denn jener Passus bezieht sich doch offenbar auf die Vorgänge in Baden und bestreitet der badischen Negierung das Recht, durch fremde, d. h. durch Bundestruppen ihre eignen Republikaner zu unterwerfen. Ich will mich an diesen Widerspruch nicht halten. Als Ausschuß der demo¬ kratischen Partei würde die Versammlung consequent sein, wenn sie den Eingriffen der Monarchisten die Waffen des Bundes entgegensetzte, die sie gegen die Ein¬ griffe der Demokraten nicht anwendet. Ich will von meinem Standpunkt sprechen, Ich glaube, die Einzelstaaten müssen, so lange sie noch nicht durch sich selbst aufgelöst sind, das Recht haben, sich selbstständig eine Verfassung zu geben. Aber wie wird die Majorität eines Staats bestimmt? Zunächst durch die Stände; im Fall einer Appellation an's Volk dnrch neue Wahlen und daun wieder dnrch die neugewählten Stände. Es gibt keinen andern Weg. Wenn die Stände eines Landes die Einführung der Republik beschließen; wenn bei einer Appellation an das Volk dieselbe Ansicht die herrschende der neuen Kammer wird — dann hat nach meiner Ansicht die Bundes - Centralgewalt kein Recht, sich einzumischen. Sie hat nur das Recht der Vermittelung, der Ausglei¬ chung der verschiedenen Ansprüche. Wenn aber in irgend einem Landestheil ein bewaffneter Aufstand sich erhebt, so ist zunächst die von den Ständen gestützte Regierung die Vertreterin der Ma¬ jorität, und sie hat das Recht, im Fall sie nicht überall die nöthigen Streitmittel zur Disposition hat, die Centralgewalt im Interesse der öffentlichen Ordnung um Unterstützung anzugehen. So hat die badische Regierung gehandelt, und sie war vollständig in ihrem Recht. Hat die republikanische Partei in Baden wirklich die Majorität, wohlan, so richte sie ihre Wahlen nach ihrer Ueberzeugung ein und sie wird aus gesetzlichen! Wege ihre Ansprüche erfüllen. 4) In diesem Punkt herrscht die abscheulichste Verwirrung. In dem blindesten Fanatismus wendet diese Partei, die sonst nicht genug gegen die ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/426>, abgerufen am 26.06.2024.