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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Es ist einberufen durch den Bundestag, wenn anch auf die Anregung des Vor¬
parlaments; es ist abgeschickt vou den einzelnen Staaten (weshalb hätten sonst
Staaten unter 50,000 Einwohnern auch das Recht der Wahl?) nach einem von
diesen Staaten, allerdings auf Grundlage der Bnndestagsbestimmungen, festge¬
setzten Wahlreglement; es schließt sich also schon durch seine Existenz dem rechtlich
Bestehenden an und hat alle Ursache, auf demselben fvrtzubauen.

Es ist ferner eine Illusion oder eine Lüge, wenn man behauptet, die frü¬
heren Gewalten beständen seit der Revolution nicht mehr in Kraft. Es gibt frei¬
lich einzelne Punkte, wo die Macht aller gesetzlichen Autorität in Frage gestellt
ist -- ich nenne z. B. Berlin, Breslau, Wien -- aber bei weitem der größere
Theil des deutschen Vaterlandes hat sich mit voller Ueberzeugung, mit voller
Freiheit der rechtliche" Ordnung gefügt. Als ein rühmliches Beispiel führe ich
das Königreich Sachsen an. Weil der Fünfziger-Ausschuß in der närrischen Illu¬
sion schwebte, die allein anerkannte Behörde in Deutschland zu sein, während keine
seiner Deputationen oder seiner Decrete sich irgend welcher Wirksamkeit erfreute,
brachte er sich selber in eine schiefe Stellung, und es ist eben so weise als legal
von der Majorität des neuen Parlaments, wenn sie sich keine größere Autorität
beilegt, als sie besitzt.

Endlich erscheint es sonderbar, für künftig abzufassende Beschlüsse im Voraus
eine Geltung zu verlangen, die sich doch erst nach der Art und Weise dieser Be¬
schlüsse richten wird. Werden dieselben vernünftig sein, so ist ja durchaus kein
Grund vorhanden, daß die große Majorität der einzelnen Staaten -- deren De¬
putate auf dieselbe Weise aus dem "Volk" hervorgegangen sind, als die Na
tionalvertreter zu Frankfurt, sich ihnen nicht fügen sollte. Wenn sie aber nuper
nünftig sind, so wäre es ja nur ein Vortheil für das Gemeinwohl, wenn sie in
zweiter Instanz -- in den Einzelständen -- modificirt würden. Es kommt doch
nicht ans die abstracte Einheit an, sondern auf die vernünftig construirte Einheit-
ganz abgesehen davon, daß wir denn doch in Deutschland keinen Vendvekrieg "l-,.
1793 hervorrufen wollen, daß wir es doch nicht für wünschenswerth halte", ein
Drittel des deutschen Volkes möglicher Weise durch die übrigen zwei Drittel
mit Gewalt zur Raison gebracht zu sehen. Man führe mir nicht den Sonder-
bUndstrieg an; hier war einmal die eidgenössts.le Partei verfassungsmäßig in ih¬
rem Recht, sie harte sodann die gesunde Vernunft handgreiflich für sich, "ut
die Partei ihrer Gegner hatte nur ni"e Scheinexistenz. Ohne das Zusammen¬
treffen all dieser Umstände wäre der Svnderbundsüicg ein Unglück für die Schweiz
gewesen; er würde es in tausendfach höherem Grade für Deutschland sein, wo die
Verwickelung der Verhältnisse sich mit den einfachen Schweizer Verhältnissen gar
nicht vergleichen läßt.

2) Dieser Punkt fände die wenigsten Bedenken, wenn er weiter nichts
wäre, als ein Programm, in welchem Sinne die Mitglieder der demokratischen


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Es ist einberufen durch den Bundestag, wenn anch auf die Anregung des Vor¬
parlaments; es ist abgeschickt vou den einzelnen Staaten (weshalb hätten sonst
Staaten unter 50,000 Einwohnern auch das Recht der Wahl?) nach einem von
diesen Staaten, allerdings auf Grundlage der Bnndestagsbestimmungen, festge¬
setzten Wahlreglement; es schließt sich also schon durch seine Existenz dem rechtlich
Bestehenden an und hat alle Ursache, auf demselben fvrtzubauen.

Es ist ferner eine Illusion oder eine Lüge, wenn man behauptet, die frü¬
heren Gewalten beständen seit der Revolution nicht mehr in Kraft. Es gibt frei¬
lich einzelne Punkte, wo die Macht aller gesetzlichen Autorität in Frage gestellt
ist — ich nenne z. B. Berlin, Breslau, Wien — aber bei weitem der größere
Theil des deutschen Vaterlandes hat sich mit voller Ueberzeugung, mit voller
Freiheit der rechtliche» Ordnung gefügt. Als ein rühmliches Beispiel führe ich
das Königreich Sachsen an. Weil der Fünfziger-Ausschuß in der närrischen Illu¬
sion schwebte, die allein anerkannte Behörde in Deutschland zu sein, während keine
seiner Deputationen oder seiner Decrete sich irgend welcher Wirksamkeit erfreute,
brachte er sich selber in eine schiefe Stellung, und es ist eben so weise als legal
von der Majorität des neuen Parlaments, wenn sie sich keine größere Autorität
beilegt, als sie besitzt.

Endlich erscheint es sonderbar, für künftig abzufassende Beschlüsse im Voraus
eine Geltung zu verlangen, die sich doch erst nach der Art und Weise dieser Be¬
schlüsse richten wird. Werden dieselben vernünftig sein, so ist ja durchaus kein
Grund vorhanden, daß die große Majorität der einzelnen Staaten — deren De¬
putate auf dieselbe Weise aus dem „Volk" hervorgegangen sind, als die Na
tionalvertreter zu Frankfurt, sich ihnen nicht fügen sollte. Wenn sie aber nuper
nünftig sind, so wäre es ja nur ein Vortheil für das Gemeinwohl, wenn sie in
zweiter Instanz — in den Einzelständen — modificirt würden. Es kommt doch
nicht ans die abstracte Einheit an, sondern auf die vernünftig construirte Einheit-
ganz abgesehen davon, daß wir denn doch in Deutschland keinen Vendvekrieg »l-,.
1793 hervorrufen wollen, daß wir es doch nicht für wünschenswerth halte», ein
Drittel des deutschen Volkes möglicher Weise durch die übrigen zwei Drittel
mit Gewalt zur Raison gebracht zu sehen. Man führe mir nicht den Sonder-
bUndstrieg an; hier war einmal die eidgenössts.le Partei verfassungsmäßig in ih¬
rem Recht, sie harte sodann die gesunde Vernunft handgreiflich für sich, »ut
die Partei ihrer Gegner hatte nur ni»e Scheinexistenz. Ohne das Zusammen¬
treffen all dieser Umstände wäre der Svnderbundsüicg ein Unglück für die Schweiz
gewesen; er würde es in tausendfach höherem Grade für Deutschland sein, wo die
Verwickelung der Verhältnisse sich mit den einfachen Schweizer Verhältnissen gar
nicht vergleichen läßt.

2) Dieser Punkt fände die wenigsten Bedenken, wenn er weiter nichts
wäre, als ein Programm, in welchem Sinne die Mitglieder der demokratischen


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[0425] Es ist einberufen durch den Bundestag, wenn anch auf die Anregung des Vor¬ parlaments; es ist abgeschickt vou den einzelnen Staaten (weshalb hätten sonst Staaten unter 50,000 Einwohnern auch das Recht der Wahl?) nach einem von diesen Staaten, allerdings auf Grundlage der Bnndestagsbestimmungen, festge¬ setzten Wahlreglement; es schließt sich also schon durch seine Existenz dem rechtlich Bestehenden an und hat alle Ursache, auf demselben fvrtzubauen. Es ist ferner eine Illusion oder eine Lüge, wenn man behauptet, die frü¬ heren Gewalten beständen seit der Revolution nicht mehr in Kraft. Es gibt frei¬ lich einzelne Punkte, wo die Macht aller gesetzlichen Autorität in Frage gestellt ist — ich nenne z. B. Berlin, Breslau, Wien — aber bei weitem der größere Theil des deutschen Vaterlandes hat sich mit voller Ueberzeugung, mit voller Freiheit der rechtliche» Ordnung gefügt. Als ein rühmliches Beispiel führe ich das Königreich Sachsen an. Weil der Fünfziger-Ausschuß in der närrischen Illu¬ sion schwebte, die allein anerkannte Behörde in Deutschland zu sein, während keine seiner Deputationen oder seiner Decrete sich irgend welcher Wirksamkeit erfreute, brachte er sich selber in eine schiefe Stellung, und es ist eben so weise als legal von der Majorität des neuen Parlaments, wenn sie sich keine größere Autorität beilegt, als sie besitzt. Endlich erscheint es sonderbar, für künftig abzufassende Beschlüsse im Voraus eine Geltung zu verlangen, die sich doch erst nach der Art und Weise dieser Be¬ schlüsse richten wird. Werden dieselben vernünftig sein, so ist ja durchaus kein Grund vorhanden, daß die große Majorität der einzelnen Staaten — deren De¬ putate auf dieselbe Weise aus dem „Volk" hervorgegangen sind, als die Na tionalvertreter zu Frankfurt, sich ihnen nicht fügen sollte. Wenn sie aber nuper nünftig sind, so wäre es ja nur ein Vortheil für das Gemeinwohl, wenn sie in zweiter Instanz — in den Einzelständen — modificirt würden. Es kommt doch nicht ans die abstracte Einheit an, sondern auf die vernünftig construirte Einheit- ganz abgesehen davon, daß wir denn doch in Deutschland keinen Vendvekrieg »l-,. 1793 hervorrufen wollen, daß wir es doch nicht für wünschenswerth halte», ein Drittel des deutschen Volkes möglicher Weise durch die übrigen zwei Drittel mit Gewalt zur Raison gebracht zu sehen. Man führe mir nicht den Sonder- bUndstrieg an; hier war einmal die eidgenössts.le Partei verfassungsmäßig in ih¬ rem Recht, sie harte sodann die gesunde Vernunft handgreiflich für sich, »ut die Partei ihrer Gegner hatte nur ni»e Scheinexistenz. Ohne das Zusammen¬ treffen all dieser Umstände wäre der Svnderbundsüicg ein Unglück für die Schweiz gewesen; er würde es in tausendfach höherem Grade für Deutschland sein, wo die Verwickelung der Verhältnisse sich mit den einfachen Schweizer Verhältnissen gar nicht vergleichen läßt. 2) Dieser Punkt fände die wenigsten Bedenken, wenn er weiter nichts wäre, als ein Programm, in welchem Sinne die Mitglieder der demokratischen 54*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/425>, abgerufen am 26.06.2024.