Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.Wicdoreroberungs- und Unterjochungskricg denken konnten. Aus demselben Grunde hat der VettagvonFr.Luvw. Herbig. -- Inter,Redacteure: I. Kaufmann u. Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. Wicdoreroberungs- und Unterjochungskricg denken konnten. Aus demselben Grunde hat der VettagvonFr.Luvw. Herbig. — Inter,Redacteure: I. Kaufmann u. Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276628"/> <p xml:id="ID_1452" prev="#ID_1451"> Wicdoreroberungs- und Unterjochungskricg denken konnten. Aus demselben Grunde hat der<lb/> größte Theil der deutschen Presse sich von den bekannten Standrcden der östreichischen Depu-<lb/> tirten Sen Vorparlament nicht im mindesten umstimmen lassen, sondern das Recht fortwährend<lb/> auf Seiten der Mailänder und Venetianer gesehen; höchstens hat sie sich jedes Urtheils<lb/> enthalten und auf die einfache Mittheilung der Thatsachen beschränkt. Es ist bedauer¬<lb/> lich, idaß der erste Krieg, den eine deutsche Macht gegen das Ausland führt,, eine so<lb/> höchst unpatriotische Aufnahme beim deutschen Volke finden muß. An wem aber liegt<lb/> die Schuld davon? Sie liegt an dem Mangel an Offenheit — um den mildesten<lb/> Ausdruck zu gebrauchen — den die östreichische Regierung ans der Zeit des »vaien<lb/> reZim« geerbt hat und der besonders ihre Politik gegen Italien bezeichnet. — Li¬<lb/> berale Vertheidiger der Cabinetspolitik haben uns öfters vorgeworfen, daß wir die<lb/> italienische Frage nicht verstünden, aber zugleich eingeräumt: „daß Oestreich Italien<lb/> aufgeben soll und muß, wer wird dies bestreikn?" Es handle sich nur darum, einen<lb/> ehrenvollen und vortheilhaften Frieden zu erfechten, damit die materiellen Interessen<lb/> der übrigen Provinzen, welche durch die plötzliche Losreißung Oberitaliens einen Todes¬<lb/> stoß erhielten, wieder in's Geleise gebracht werden könnten. — Einverstanden. Gegen<lb/> diese Tendenz des Krieges wäre die öffentliche Meinung viel nachsichtiger gewesen. Allein<lb/> wer bürgt dafür, daß die Augen des Cabinets und der Dynastie den Krieg in dem¬<lb/> selben Lichte sehen, wie die liberalen Gegner Italiens? In allen offiziellen Acker¬<lb/> stücken, die von Radetzky, vom Ministerium und dem Kaiser selbst ausgehen, heißen<lb/> die Lombarden bald verrätherische Rebellen, die man züchtigen müsse, bald verirrte Schäf-<lb/> lein, von einer böswilligen Faction aufgewiegelte Unterthanen, die gemüthlichst ein¬<lb/> geladen werden, unter den Schutz der väterlichen Regierung zurückzukehren. Das ist<lb/> keine Sprache, die sich im glorreichen 48gar Frühling nur anhören läßt. Mußte dieser<lb/> Kanzleistyl nicht den Verdacht einflößen, Oestreich wolle sich im Voraus über seine aus¬<lb/> wärtige Politik nicht entschieden aussprechen, sondern baue noch immer auf den Gewinn<lb/> des Spieles, wornach es von einer Freigebung der italienischen Provinzen nichts hätte hören<lb/> wollen. Offenheit wäre klüger und zeitgemäßer gewesen. Wenn das Wiener Cabinet<lb/> in einem offenen Brief an die europäischen Mächte die Unabhängigkeit Venedigs und<lb/> der Lombardei anerkannt, wenn es seinen „legitimistischen" Ansprüchen ans den Besitz<lb/> Oberitaliens feierlich entsagt, zugleich aber erklärt hätte, daß es den Krieg mit allem<lb/> Nachdruck so lange fortführen werde, als die Italiener sich weigern, in ihren Geld-<lb/> Verhältnissen zur Monarchie ein billiges Abkommen zu treffsi, dann wäre das unheim¬<lb/> liche Dunkel, das über dieser Frage schwebt, verschwunden, alle Kabinette hätten ent¬<lb/> schieden die Partei Oestreichs genommen, der Krieg hätte seine gehässige Farbe verloren,<lb/> ja Deutschland, dessen Wohlfahrt beim Ausgang desselben wesentlich betheiligt ist,<lb/> hätte ihn mit gutem Gewissen als einen deutschen Krieg betrachten können. Die<lb/> Italiener, denen das Kriegshandwerk eben auch keine Lustbarkeit ist, wären froh gewe¬<lb/> sen, ihre nationale Unabhängigkeit dnrch Geldopfer und einen billigen Handelsvertrag<lb/> zu erkaufen. Alberto la Spada, der jesuitisch-demagogische König, ist Oestreich mit<lb/> Recht ein Dorn im Auge, aber jene Zeiten sind vorbei, wo man Kriege führte, wie<lb/> Convenienzducllc, aus Aerger oder noiut «I'ii»»lie,ir; Alberto la Spada hätte allen<lb/> Spielraum für seine Wühlereien verloren; den Lombarden war sein Paladinschwert nicht<lb/> mehr unentbehrlich und den Franzosen liegt auch nicht viel daran, das Königreich Sar¬<lb/> dinien zu vergrößern. So wäre die Frage vielleicht schon gelöst. Möge Oestreich nach<lb/> dem ersten Siege, den es über die Piemontesen ersieht, endlich diesen Weg einschlagen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="argument"> VettagvonFr.Luvw. Herbig. — Inter,Redacteure: I. Kaufmann u. Julian Schmidt.<lb/> Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
Wicdoreroberungs- und Unterjochungskricg denken konnten. Aus demselben Grunde hat der
größte Theil der deutschen Presse sich von den bekannten Standrcden der östreichischen Depu-
tirten Sen Vorparlament nicht im mindesten umstimmen lassen, sondern das Recht fortwährend
auf Seiten der Mailänder und Venetianer gesehen; höchstens hat sie sich jedes Urtheils
enthalten und auf die einfache Mittheilung der Thatsachen beschränkt. Es ist bedauer¬
lich, idaß der erste Krieg, den eine deutsche Macht gegen das Ausland führt,, eine so
höchst unpatriotische Aufnahme beim deutschen Volke finden muß. An wem aber liegt
die Schuld davon? Sie liegt an dem Mangel an Offenheit — um den mildesten
Ausdruck zu gebrauchen — den die östreichische Regierung ans der Zeit des »vaien
reZim« geerbt hat und der besonders ihre Politik gegen Italien bezeichnet. — Li¬
berale Vertheidiger der Cabinetspolitik haben uns öfters vorgeworfen, daß wir die
italienische Frage nicht verstünden, aber zugleich eingeräumt: „daß Oestreich Italien
aufgeben soll und muß, wer wird dies bestreikn?" Es handle sich nur darum, einen
ehrenvollen und vortheilhaften Frieden zu erfechten, damit die materiellen Interessen
der übrigen Provinzen, welche durch die plötzliche Losreißung Oberitaliens einen Todes¬
stoß erhielten, wieder in's Geleise gebracht werden könnten. — Einverstanden. Gegen
diese Tendenz des Krieges wäre die öffentliche Meinung viel nachsichtiger gewesen. Allein
wer bürgt dafür, daß die Augen des Cabinets und der Dynastie den Krieg in dem¬
selben Lichte sehen, wie die liberalen Gegner Italiens? In allen offiziellen Acker¬
stücken, die von Radetzky, vom Ministerium und dem Kaiser selbst ausgehen, heißen
die Lombarden bald verrätherische Rebellen, die man züchtigen müsse, bald verirrte Schäf-
lein, von einer böswilligen Faction aufgewiegelte Unterthanen, die gemüthlichst ein¬
geladen werden, unter den Schutz der väterlichen Regierung zurückzukehren. Das ist
keine Sprache, die sich im glorreichen 48gar Frühling nur anhören läßt. Mußte dieser
Kanzleistyl nicht den Verdacht einflößen, Oestreich wolle sich im Voraus über seine aus¬
wärtige Politik nicht entschieden aussprechen, sondern baue noch immer auf den Gewinn
des Spieles, wornach es von einer Freigebung der italienischen Provinzen nichts hätte hören
wollen. Offenheit wäre klüger und zeitgemäßer gewesen. Wenn das Wiener Cabinet
in einem offenen Brief an die europäischen Mächte die Unabhängigkeit Venedigs und
der Lombardei anerkannt, wenn es seinen „legitimistischen" Ansprüchen ans den Besitz
Oberitaliens feierlich entsagt, zugleich aber erklärt hätte, daß es den Krieg mit allem
Nachdruck so lange fortführen werde, als die Italiener sich weigern, in ihren Geld-
Verhältnissen zur Monarchie ein billiges Abkommen zu treffsi, dann wäre das unheim¬
liche Dunkel, das über dieser Frage schwebt, verschwunden, alle Kabinette hätten ent¬
schieden die Partei Oestreichs genommen, der Krieg hätte seine gehässige Farbe verloren,
ja Deutschland, dessen Wohlfahrt beim Ausgang desselben wesentlich betheiligt ist,
hätte ihn mit gutem Gewissen als einen deutschen Krieg betrachten können. Die
Italiener, denen das Kriegshandwerk eben auch keine Lustbarkeit ist, wären froh gewe¬
sen, ihre nationale Unabhängigkeit dnrch Geldopfer und einen billigen Handelsvertrag
zu erkaufen. Alberto la Spada, der jesuitisch-demagogische König, ist Oestreich mit
Recht ein Dorn im Auge, aber jene Zeiten sind vorbei, wo man Kriege führte, wie
Convenienzducllc, aus Aerger oder noiut «I'ii»»lie,ir; Alberto la Spada hätte allen
Spielraum für seine Wühlereien verloren; den Lombarden war sein Paladinschwert nicht
mehr unentbehrlich und den Franzosen liegt auch nicht viel daran, das Königreich Sar¬
dinien zu vergrößern. So wäre die Frage vielleicht schon gelöst. Möge Oestreich nach
dem ersten Siege, den es über die Piemontesen ersieht, endlich diesen Weg einschlagen.
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