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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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behalten. Die Konservativen sind also, was ihre politischen Interessen betrifft,
Föderalisten, die Radicalen, die aus radicale Weise mit der Vergangenheit brechen
wollen, sind Vertreter der Centralisation. Die Macht dieser Centralisation können
sie aber nur in sich selber finden; sie stellen daher die Theorie von der Souverä¬
nität, der Alleinberechtigung nud so zu sagen der Allmacht der constituirenden
Frankfurter Versammlung auf, während die Konservativen neben ihr noch andere
gleichberechtigte Gewalten, die Regierungen und die Einzelstände, anerkennen. Ein
Blick auf die beiden principiellen Fragen, die bisher die Versammlung beschäftigt
haben, wird dies Verhältniß deutlicher machen.

Die mißliche Stellung des preußischen Theils der deutschen Bundestruppen
zu den Mainzer Bürgern ist seit langer Zeit bekannt. Die preußischen Junker
und die rohen preußischen Bauersöhne werden jedenfalls das Ihrige dazu beige¬
tragen haben, dieses Mißverhältniß nach Möglichkeit zu steigern, daß aber die Schuld
auf beiden Seiten ziemlich gleich liegt, muß Jeder einsehen, der eine beliebige
Nummer der Mainzer radicalen Zeitung aufschlägt und die infamen Jnvcctiven
darin liest, die sich nicht nur gegen den preußischen Staat, sondern gegen das
gesammte preußische Volk richten. Aus diesem Conflict entstanden innere Unruhen,
und ein Mainzer Republikaner, Herr Zijz, stellte bei dem Parlament den Antrag,
die Sache zu untersuchen und natürlich wieder einigen Donner und Blitz gegen
Preußen loszulassen. Der selige Fünfziger-Ausschuß war bekanntlich in solchen
Fällen mit Commissionen, Deputationen und Decrcten sofort bei der Hand gewe¬
sen, und man erwählte auch hier wieder Herrn Robert Blum, der sich in ähn¬
lichen Geschichten durch haarsträubende Berichte hervorgethan hatte, zu einem der
Deputirten. Nur ist zu bemerken, daß während der Fünfziger-Ausschuß in der Regel
nur zwei bis drei Deputirte absandte, das Parlament, im Gefühl seiner größern Würde,
fünf Mitglieder dazu ernannte. Indeß das Resultat der Mission war ein anderes als
die Radicalen erwartet hatten; einmal mußte man handgreiflich erkennen, daß die
Schuld denn doch zum Theil auf den Mainzern liege, sodann stellte die conservative
Partei die Frage auf: wie kommen wir, die zur Entwerfung der deutschen Ver¬
fassung zusammengetretene Constituante, wie kommen wir dazu, die Polizei in un¬
sere Hände zu nehmen? Die in dieser Frage eingeschlossene Ansicht drang durch;
die Versammlung ging zur motivirten Tagesordnung über, motivirt, insofern der
executivcn Bundes-Centralgewalt, also zunächst dem Bundestag, die weitern Ma߬
nahmen überlassen wurden.

Die radicale Partei, die sich wie eine Art Pariser Nationalconvent nach dem
10. August betrachtete, schrie natürlich über Verrath; sie äußerte die Absicht, aus
dieser cvrrumpirten Versammlung aufzutreten; sie hat es aber unterlassen und
hat Recht daran gethan, denn es wäre ihr sonst ein Triumph über ihre Gegner,
den sie in den nächsten Tagen erfechten sollte, entgangen.

Schon der Fünfziger-Ausschuß hatte gegen das Attentat Preußens, sich selbst-


behalten. Die Konservativen sind also, was ihre politischen Interessen betrifft,
Föderalisten, die Radicalen, die aus radicale Weise mit der Vergangenheit brechen
wollen, sind Vertreter der Centralisation. Die Macht dieser Centralisation können
sie aber nur in sich selber finden; sie stellen daher die Theorie von der Souverä¬
nität, der Alleinberechtigung nud so zu sagen der Allmacht der constituirenden
Frankfurter Versammlung auf, während die Konservativen neben ihr noch andere
gleichberechtigte Gewalten, die Regierungen und die Einzelstände, anerkennen. Ein
Blick auf die beiden principiellen Fragen, die bisher die Versammlung beschäftigt
haben, wird dies Verhältniß deutlicher machen.

Die mißliche Stellung des preußischen Theils der deutschen Bundestruppen
zu den Mainzer Bürgern ist seit langer Zeit bekannt. Die preußischen Junker
und die rohen preußischen Bauersöhne werden jedenfalls das Ihrige dazu beige¬
tragen haben, dieses Mißverhältniß nach Möglichkeit zu steigern, daß aber die Schuld
auf beiden Seiten ziemlich gleich liegt, muß Jeder einsehen, der eine beliebige
Nummer der Mainzer radicalen Zeitung aufschlägt und die infamen Jnvcctiven
darin liest, die sich nicht nur gegen den preußischen Staat, sondern gegen das
gesammte preußische Volk richten. Aus diesem Conflict entstanden innere Unruhen,
und ein Mainzer Republikaner, Herr Zijz, stellte bei dem Parlament den Antrag,
die Sache zu untersuchen und natürlich wieder einigen Donner und Blitz gegen
Preußen loszulassen. Der selige Fünfziger-Ausschuß war bekanntlich in solchen
Fällen mit Commissionen, Deputationen und Decrcten sofort bei der Hand gewe¬
sen, und man erwählte auch hier wieder Herrn Robert Blum, der sich in ähn¬
lichen Geschichten durch haarsträubende Berichte hervorgethan hatte, zu einem der
Deputirten. Nur ist zu bemerken, daß während der Fünfziger-Ausschuß in der Regel
nur zwei bis drei Deputirte absandte, das Parlament, im Gefühl seiner größern Würde,
fünf Mitglieder dazu ernannte. Indeß das Resultat der Mission war ein anderes als
die Radicalen erwartet hatten; einmal mußte man handgreiflich erkennen, daß die
Schuld denn doch zum Theil auf den Mainzern liege, sodann stellte die conservative
Partei die Frage auf: wie kommen wir, die zur Entwerfung der deutschen Ver¬
fassung zusammengetretene Constituante, wie kommen wir dazu, die Polizei in un¬
sere Hände zu nehmen? Die in dieser Frage eingeschlossene Ansicht drang durch;
die Versammlung ging zur motivirten Tagesordnung über, motivirt, insofern der
executivcn Bundes-Centralgewalt, also zunächst dem Bundestag, die weitern Ma߬
nahmen überlassen wurden.

Die radicale Partei, die sich wie eine Art Pariser Nationalconvent nach dem
10. August betrachtete, schrie natürlich über Verrath; sie äußerte die Absicht, aus
dieser cvrrumpirten Versammlung aufzutreten; sie hat es aber unterlassen und
hat Recht daran gethan, denn es wäre ihr sonst ein Triumph über ihre Gegner,
den sie in den nächsten Tagen erfechten sollte, entgangen.

Schon der Fünfziger-Ausschuß hatte gegen das Attentat Preußens, sich selbst-


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[0402] behalten. Die Konservativen sind also, was ihre politischen Interessen betrifft, Föderalisten, die Radicalen, die aus radicale Weise mit der Vergangenheit brechen wollen, sind Vertreter der Centralisation. Die Macht dieser Centralisation können sie aber nur in sich selber finden; sie stellen daher die Theorie von der Souverä¬ nität, der Alleinberechtigung nud so zu sagen der Allmacht der constituirenden Frankfurter Versammlung auf, während die Konservativen neben ihr noch andere gleichberechtigte Gewalten, die Regierungen und die Einzelstände, anerkennen. Ein Blick auf die beiden principiellen Fragen, die bisher die Versammlung beschäftigt haben, wird dies Verhältniß deutlicher machen. Die mißliche Stellung des preußischen Theils der deutschen Bundestruppen zu den Mainzer Bürgern ist seit langer Zeit bekannt. Die preußischen Junker und die rohen preußischen Bauersöhne werden jedenfalls das Ihrige dazu beige¬ tragen haben, dieses Mißverhältniß nach Möglichkeit zu steigern, daß aber die Schuld auf beiden Seiten ziemlich gleich liegt, muß Jeder einsehen, der eine beliebige Nummer der Mainzer radicalen Zeitung aufschlägt und die infamen Jnvcctiven darin liest, die sich nicht nur gegen den preußischen Staat, sondern gegen das gesammte preußische Volk richten. Aus diesem Conflict entstanden innere Unruhen, und ein Mainzer Republikaner, Herr Zijz, stellte bei dem Parlament den Antrag, die Sache zu untersuchen und natürlich wieder einigen Donner und Blitz gegen Preußen loszulassen. Der selige Fünfziger-Ausschuß war bekanntlich in solchen Fällen mit Commissionen, Deputationen und Decrcten sofort bei der Hand gewe¬ sen, und man erwählte auch hier wieder Herrn Robert Blum, der sich in ähn¬ lichen Geschichten durch haarsträubende Berichte hervorgethan hatte, zu einem der Deputirten. Nur ist zu bemerken, daß während der Fünfziger-Ausschuß in der Regel nur zwei bis drei Deputirte absandte, das Parlament, im Gefühl seiner größern Würde, fünf Mitglieder dazu ernannte. Indeß das Resultat der Mission war ein anderes als die Radicalen erwartet hatten; einmal mußte man handgreiflich erkennen, daß die Schuld denn doch zum Theil auf den Mainzern liege, sodann stellte die conservative Partei die Frage auf: wie kommen wir, die zur Entwerfung der deutschen Ver¬ fassung zusammengetretene Constituante, wie kommen wir dazu, die Polizei in un¬ sere Hände zu nehmen? Die in dieser Frage eingeschlossene Ansicht drang durch; die Versammlung ging zur motivirten Tagesordnung über, motivirt, insofern der executivcn Bundes-Centralgewalt, also zunächst dem Bundestag, die weitern Ma߬ nahmen überlassen wurden. Die radicale Partei, die sich wie eine Art Pariser Nationalconvent nach dem 10. August betrachtete, schrie natürlich über Verrath; sie äußerte die Absicht, aus dieser cvrrumpirten Versammlung aufzutreten; sie hat es aber unterlassen und hat Recht daran gethan, denn es wäre ihr sonst ein Triumph über ihre Gegner, den sie in den nächsten Tagen erfechten sollte, entgangen. Schon der Fünfziger-Ausschuß hatte gegen das Attentat Preußens, sich selbst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/402>, abgerufen am 26.06.2024.