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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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directer Wahl. Merkt auf, Mroß, und Ihr Herren alle, die Ihr seine Mit-
deputirten sein werdet! Jeder Kreis wählt einen Deputirten durch Wahlmänner,
durch je einen ans 500 Einwohner. Gesetzt nun ein Kreis, der keine größere
Stadt in sich schließt, z. B. der Kreis von Michael Mroß enthielte 25,000 Ein¬
wohner, also 50 oder (da ausnahmsweise schon die Ortschaften von 300 Einwoh¬
nern einen Wahlmauu für sich allein zu wählen berechtigt sind) "0 Wahlmänner
so würden von dieser Anzahl dnrch die kleinen Städte des Kreises, circa 7 bis 15,
also im Durchschnitt .10 gewählt werden; wieder 7 bis 15, also circa 10 Wahlen
werden ans Rittergutsbesitzer fallen, weil sie beliebt sind oder durch ihre Beamten,
Knechte und Tagearbciter sich eine Majorität verschaffen. Rechnen wir ferner,
daß etwa 5 Wahlen auf Geistliche oder sonst wohin fallen, so bleiben circa 35
Stimme" für bäuerliche Wahlmänner. Es sind also von 60 Wählmännern im

Durchschnitt . . .

>0 Bürger,
10 Rittergutsbesitzer.
5 Geistliche, Beamte :c.
35 Bauern, Gärtner und kleinere Insassen.
00.

Da sich nun die Stimmen der Bürger und Rittergutsbesitzer noch außerdem
selten in einem Kandidaten vereinigen werden, so bilden die Landbewohner rin
35 Stimmen eine entschiedene, unüberwindliche Majorität. Bei einem festen Zu¬
sammenhalten der 35, welches sich bei Landleuten fast ohne Verabredung macht,
jedenfalls aus der leisesten Animosität gegen Städter oder Rittergutsbesitzer folgt,
ist es unmöglich, daß irgend eine Partei ihren Kandidaten gegen diese Phalanx
durchsetze. Die 35 Wahlmänner kommen aus ihren entlegenen Ortschaften erst
am Morgen der Wahl in der Kreisstadt zusammen, bei dem Wahlact selbst darf
kein Kandidat zu den Wahlmännern sprechen und ein früheres schriftliches Be¬
werber bei den Einzelnen würde wenig nützen, ja Mißtrauen erregen. So ist
das Resultat einer Kreiswahl nichts Anderes, als das Resultat eiuer viertelstün-
digen Verabredung auf dem Wege zur Kreisstadt oder auf den Bänken einer
Schänke; und ist unter den 35 bäuerlichen Wählern irgend ein Wortfechtcr oder
Strudelkopf, welcher mit Entschiedenheit auf seine lederne" Hosen schlägt, so ist
zehn gege" eins zu wette", daß er zum Deputirten gewählt wird.

Dagegen directe Wahlen i" demselben Kreise. 25,000 Menschen geben un¬
gefähr 6000 Wahlmänner, also am Wahltage eine Versammlung vou 5000 Män¬
ner". Diesen muß der Kandidat sich vorstelle", er soll a" seine Person, seine
Thätigkeit erinnern, meinetwegen auch sein Glaubensbekenntniß ablegen. Nun
aber weiß jeder Vvlksführer, daß es leichter ist, eine entscheidende Majorität unter
5000, als unter 50 zu gewinnen; im ersten Fall ist es das Fortreißen zu einer
Ansicht, im zweiten Fall ein indnstriöses Ueberrede", welches die Stimmen erwirbt.
Daß die Wahl dadurch eine gute werden müsse, ist allerdings nicht zu verbürgen;


directer Wahl. Merkt auf, Mroß, und Ihr Herren alle, die Ihr seine Mit-
deputirten sein werdet! Jeder Kreis wählt einen Deputirten durch Wahlmänner,
durch je einen ans 500 Einwohner. Gesetzt nun ein Kreis, der keine größere
Stadt in sich schließt, z. B. der Kreis von Michael Mroß enthielte 25,000 Ein¬
wohner, also 50 oder (da ausnahmsweise schon die Ortschaften von 300 Einwoh¬
nern einen Wahlmauu für sich allein zu wählen berechtigt sind) »0 Wahlmänner
so würden von dieser Anzahl dnrch die kleinen Städte des Kreises, circa 7 bis 15,
also im Durchschnitt .10 gewählt werden; wieder 7 bis 15, also circa 10 Wahlen
werden ans Rittergutsbesitzer fallen, weil sie beliebt sind oder durch ihre Beamten,
Knechte und Tagearbciter sich eine Majorität verschaffen. Rechnen wir ferner,
daß etwa 5 Wahlen auf Geistliche oder sonst wohin fallen, so bleiben circa 35
Stimme» für bäuerliche Wahlmänner. Es sind also von 60 Wählmännern im

Durchschnitt . . .

>0 Bürger,
10 Rittergutsbesitzer.
5 Geistliche, Beamte :c.
35 Bauern, Gärtner und kleinere Insassen.
00.

Da sich nun die Stimmen der Bürger und Rittergutsbesitzer noch außerdem
selten in einem Kandidaten vereinigen werden, so bilden die Landbewohner rin
35 Stimmen eine entschiedene, unüberwindliche Majorität. Bei einem festen Zu¬
sammenhalten der 35, welches sich bei Landleuten fast ohne Verabredung macht,
jedenfalls aus der leisesten Animosität gegen Städter oder Rittergutsbesitzer folgt,
ist es unmöglich, daß irgend eine Partei ihren Kandidaten gegen diese Phalanx
durchsetze. Die 35 Wahlmänner kommen aus ihren entlegenen Ortschaften erst
am Morgen der Wahl in der Kreisstadt zusammen, bei dem Wahlact selbst darf
kein Kandidat zu den Wahlmännern sprechen und ein früheres schriftliches Be¬
werber bei den Einzelnen würde wenig nützen, ja Mißtrauen erregen. So ist
das Resultat einer Kreiswahl nichts Anderes, als das Resultat eiuer viertelstün-
digen Verabredung auf dem Wege zur Kreisstadt oder auf den Bänken einer
Schänke; und ist unter den 35 bäuerlichen Wählern irgend ein Wortfechtcr oder
Strudelkopf, welcher mit Entschiedenheit auf seine lederne» Hosen schlägt, so ist
zehn gege» eins zu wette», daß er zum Deputirten gewählt wird.

Dagegen directe Wahlen i» demselben Kreise. 25,000 Menschen geben un¬
gefähr 6000 Wahlmänner, also am Wahltage eine Versammlung vou 5000 Män¬
ner». Diesen muß der Kandidat sich vorstelle», er soll a» seine Person, seine
Thätigkeit erinnern, meinetwegen auch sein Glaubensbekenntniß ablegen. Nun
aber weiß jeder Vvlksführer, daß es leichter ist, eine entscheidende Majorität unter
5000, als unter 50 zu gewinnen; im ersten Fall ist es das Fortreißen zu einer
Ansicht, im zweiten Fall ein indnstriöses Ueberrede», welches die Stimmen erwirbt.
Daß die Wahl dadurch eine gute werden müsse, ist allerdings nicht zu verbürgen;


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[0359] directer Wahl. Merkt auf, Mroß, und Ihr Herren alle, die Ihr seine Mit- deputirten sein werdet! Jeder Kreis wählt einen Deputirten durch Wahlmänner, durch je einen ans 500 Einwohner. Gesetzt nun ein Kreis, der keine größere Stadt in sich schließt, z. B. der Kreis von Michael Mroß enthielte 25,000 Ein¬ wohner, also 50 oder (da ausnahmsweise schon die Ortschaften von 300 Einwoh¬ nern einen Wahlmauu für sich allein zu wählen berechtigt sind) »0 Wahlmänner so würden von dieser Anzahl dnrch die kleinen Städte des Kreises, circa 7 bis 15, also im Durchschnitt .10 gewählt werden; wieder 7 bis 15, also circa 10 Wahlen werden ans Rittergutsbesitzer fallen, weil sie beliebt sind oder durch ihre Beamten, Knechte und Tagearbciter sich eine Majorität verschaffen. Rechnen wir ferner, daß etwa 5 Wahlen auf Geistliche oder sonst wohin fallen, so bleiben circa 35 Stimme» für bäuerliche Wahlmänner. Es sind also von 60 Wählmännern im Durchschnitt . . . >0 Bürger, 10 Rittergutsbesitzer. 5 Geistliche, Beamte :c. 35 Bauern, Gärtner und kleinere Insassen. 00. Da sich nun die Stimmen der Bürger und Rittergutsbesitzer noch außerdem selten in einem Kandidaten vereinigen werden, so bilden die Landbewohner rin 35 Stimmen eine entschiedene, unüberwindliche Majorität. Bei einem festen Zu¬ sammenhalten der 35, welches sich bei Landleuten fast ohne Verabredung macht, jedenfalls aus der leisesten Animosität gegen Städter oder Rittergutsbesitzer folgt, ist es unmöglich, daß irgend eine Partei ihren Kandidaten gegen diese Phalanx durchsetze. Die 35 Wahlmänner kommen aus ihren entlegenen Ortschaften erst am Morgen der Wahl in der Kreisstadt zusammen, bei dem Wahlact selbst darf kein Kandidat zu den Wahlmännern sprechen und ein früheres schriftliches Be¬ werber bei den Einzelnen würde wenig nützen, ja Mißtrauen erregen. So ist das Resultat einer Kreiswahl nichts Anderes, als das Resultat eiuer viertelstün- digen Verabredung auf dem Wege zur Kreisstadt oder auf den Bänken einer Schänke; und ist unter den 35 bäuerlichen Wählern irgend ein Wortfechtcr oder Strudelkopf, welcher mit Entschiedenheit auf seine lederne» Hosen schlägt, so ist zehn gege» eins zu wette», daß er zum Deputirten gewählt wird. Dagegen directe Wahlen i» demselben Kreise. 25,000 Menschen geben un¬ gefähr 6000 Wahlmänner, also am Wahltage eine Versammlung vou 5000 Män¬ ner». Diesen muß der Kandidat sich vorstelle», er soll a» seine Person, seine Thätigkeit erinnern, meinetwegen auch sein Glaubensbekenntniß ablegen. Nun aber weiß jeder Vvlksführer, daß es leichter ist, eine entscheidende Majorität unter 5000, als unter 50 zu gewinnen; im ersten Fall ist es das Fortreißen zu einer Ansicht, im zweiten Fall ein indnstriöses Ueberrede», welches die Stimmen erwirbt. Daß die Wahl dadurch eine gute werden müsse, ist allerdings nicht zu verbürgen;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/359>, abgerufen am 26.06.2024.