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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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unsinnig aber und abgeschmackt wird sie bei einer Majorität unter 5000 Männern,
da, wo durch die Feierlichkeit des Moments, durch ein lautes Aussprechen über
die höchsten Interessen des Volkes, die Seelen der Wählenden im gesunden Selbst¬
gefühl erhoben sind, nie und nirgend werden. Es wird eine Wahl sein aus offe¬
nem Markt, im reinen Licht des Tages, während Ihr, Michael Mroß, das Pro-
duct einer stupiden Verschwörung beim Talglicht Eurer Schänken seid. Und so
gilt hier, wie überall, der Grundsatz, eine halbe mit Klauseln und Vorsichtsma߬
regeln umstellte Freiheit bringt Verwirrung und jede Art von Unsegen, das Gute
folgt nur aus der vollständigen Ausbildung eines großen Princips.

Daß wir diese Erfahrung bei der Versammlung machen, welche die wichtigste
ist, die Preußen je gehabt hat, wäre ein furchtbares Unglück, wenn nicht ein
Trost bliebe. Die Verhältnisse liegen so, daß gegenwärtig durch die öffentliche
Meinung Regierungen und Rathgeber fortgerissen werden, wir haben keinen Mann
in ganz Deutschland, der stark genug wäre, deu Volkswillen aufzuhalten oder aus
seiner Richtung zu bringen. Habt Ihr je von den mächtigen Stürmen in der
östlichen Steppe gehört, Michael Mroß? Diese Stürme sind so stark, daß sie
große Schafherden mit ihren Treibern fortreißen in einer Richtung, Meilen weit,
Tage lang. Merkt, mein Bursche, Ihr und Viele Euresgleichen sind die Schaf¬
herde, Ihr und Eure Treiber müßt dahin, wohin der lebhafte Drang unserer
öffentlichen Meinung jagt. Weder der Sturm, noch die Herde weiß, wo das Ende
des Jagens sein wird, aber Beide können nicht mehr auseinander. Und wollt
Ihr wissen, Michael Mroß, wer ich bin? Ich bin einer von den Namenlosen, die
Euch den Wind machen ^ .




unsinnig aber und abgeschmackt wird sie bei einer Majorität unter 5000 Männern,
da, wo durch die Feierlichkeit des Moments, durch ein lautes Aussprechen über
die höchsten Interessen des Volkes, die Seelen der Wählenden im gesunden Selbst¬
gefühl erhoben sind, nie und nirgend werden. Es wird eine Wahl sein aus offe¬
nem Markt, im reinen Licht des Tages, während Ihr, Michael Mroß, das Pro-
duct einer stupiden Verschwörung beim Talglicht Eurer Schänken seid. Und so
gilt hier, wie überall, der Grundsatz, eine halbe mit Klauseln und Vorsichtsma߬
regeln umstellte Freiheit bringt Verwirrung und jede Art von Unsegen, das Gute
folgt nur aus der vollständigen Ausbildung eines großen Princips.

Daß wir diese Erfahrung bei der Versammlung machen, welche die wichtigste
ist, die Preußen je gehabt hat, wäre ein furchtbares Unglück, wenn nicht ein
Trost bliebe. Die Verhältnisse liegen so, daß gegenwärtig durch die öffentliche
Meinung Regierungen und Rathgeber fortgerissen werden, wir haben keinen Mann
in ganz Deutschland, der stark genug wäre, deu Volkswillen aufzuhalten oder aus
seiner Richtung zu bringen. Habt Ihr je von den mächtigen Stürmen in der
östlichen Steppe gehört, Michael Mroß? Diese Stürme sind so stark, daß sie
große Schafherden mit ihren Treibern fortreißen in einer Richtung, Meilen weit,
Tage lang. Merkt, mein Bursche, Ihr und Viele Euresgleichen sind die Schaf¬
herde, Ihr und Eure Treiber müßt dahin, wohin der lebhafte Drang unserer
öffentlichen Meinung jagt. Weder der Sturm, noch die Herde weiß, wo das Ende
des Jagens sein wird, aber Beide können nicht mehr auseinander. Und wollt
Ihr wissen, Michael Mroß, wer ich bin? Ich bin einer von den Namenlosen, die
Euch den Wind machen ^ .




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[0360] unsinnig aber und abgeschmackt wird sie bei einer Majorität unter 5000 Männern, da, wo durch die Feierlichkeit des Moments, durch ein lautes Aussprechen über die höchsten Interessen des Volkes, die Seelen der Wählenden im gesunden Selbst¬ gefühl erhoben sind, nie und nirgend werden. Es wird eine Wahl sein aus offe¬ nem Markt, im reinen Licht des Tages, während Ihr, Michael Mroß, das Pro- duct einer stupiden Verschwörung beim Talglicht Eurer Schänken seid. Und so gilt hier, wie überall, der Grundsatz, eine halbe mit Klauseln und Vorsichtsma߬ regeln umstellte Freiheit bringt Verwirrung und jede Art von Unsegen, das Gute folgt nur aus der vollständigen Ausbildung eines großen Princips. Daß wir diese Erfahrung bei der Versammlung machen, welche die wichtigste ist, die Preußen je gehabt hat, wäre ein furchtbares Unglück, wenn nicht ein Trost bliebe. Die Verhältnisse liegen so, daß gegenwärtig durch die öffentliche Meinung Regierungen und Rathgeber fortgerissen werden, wir haben keinen Mann in ganz Deutschland, der stark genug wäre, deu Volkswillen aufzuhalten oder aus seiner Richtung zu bringen. Habt Ihr je von den mächtigen Stürmen in der östlichen Steppe gehört, Michael Mroß? Diese Stürme sind so stark, daß sie große Schafherden mit ihren Treibern fortreißen in einer Richtung, Meilen weit, Tage lang. Merkt, mein Bursche, Ihr und Viele Euresgleichen sind die Schaf¬ herde, Ihr und Eure Treiber müßt dahin, wohin der lebhafte Drang unserer öffentlichen Meinung jagt. Weder der Sturm, noch die Herde weiß, wo das Ende des Jagens sein wird, aber Beide können nicht mehr auseinander. Und wollt Ihr wissen, Michael Mroß, wer ich bin? Ich bin einer von den Namenlosen, die Euch den Wind machen ^ .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/360>, abgerufen am 26.06.2024.