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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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wird finster und wer die meisten Hiebe bekommen hat, heißt am andern Morgen
der Friedensstörer. Ihr sorgt männlich dafür, daß Ihr der nicht seid.

In der italienischen Frage seid Ihr leider ganz indifferent. Von den italieni¬
schen Bilderhändlern kauft Ihr nichts, das Heiligenbild in Eurer Stube erhaltet
Ihr für 10 Silbergroschen in Oel gemalt dnrch einen Maler Eurer Gegend;
wozu braucht Ihr Italien? Panslavische Ideen habt Ihr auch nicht, Ihr hegt
keine Sympathien weder für die Gorallen, welche mit Mäusefallen durch Euer
Dorf ziehen, noch für die böhmischen Leinwandhändler. Wie aber denkt Ihr
über Posen, mein Bursch? Seid Ihr für Reorganisation unter preußischem
Schutz oder für gänzliche Ablösung des Großherzogthums? -- Das ist der Punkt,
wo ich Euch mißtraue. Ihr liebt die Polen nicht, das ist eine alte Abneigung
der oberschlesischen Polacken. Und Ihr seid als Soldat in Posen gewesen, und
wißt, wie sie's dort treiben. Dort sind's die Gutsherren, die Grafen, welche
Krakel machen und nach Freiheit schreien, und wenn die Zeit kommt, wo sie
Sensen brauchen, so sagt der Graf zum Bauer, "nichts Graf, nichts Graf, dein
Bruder, dein Brüderchen;" wenn's aber vorbei ist, schert er sich den Teufel um
den Bauer, nein, das ist unwahr, er schert den Bauer selbst. So denkt Ihr,
und das ist ein wunder Fleck in Eurer Politik. Denn ich versichere Euch jetzt
ernsthaft, der Posner Graf, der seine Sensen für die Freiheit zusammenruft, hat
dazu grade so viel Berechtigung, als Ihr habt, in Berlin Konstitution zu ma¬
chen; Ihr seid Beide Ritter einer unklaren Empfindsamkeit, die sich in die Po¬
litik des Liberalismus geflüchtet hat, seit man sie an Königen und Düsseldorfer
Malern abgeschmackt findet.

Ihr geht jetzt nach Berlin. Michael Mroß, Ihr werdet dort viel Neues
sehn, vom weißen Saal an bis zu den wunderbaren Nachtstühlen, in welche das
frische Wasser von selbst läuft. Hütet Euch, Mroß; Berlin ist eine große ver¬
führerische Stadt, Alles ist dort zu kaufen und zu verkaufen, auch Menschen, und
Alles hat seine Taxe. So kostet z. B. ein Vater mit einem Regenschirm für den
Nachmittag 8 gute Groschen, eine Mutter mit einer Straußenfeder für die Nacht
1 Thaler. Ich sage Euch das nur, damit Ihr selbst Euch nicht zu billig ver¬
kauft. Doch da thu' ich Euch Unrecht, Ihr werdet Euch umsonst weggeben, noch
dazu, ohne es zu wissen. Armer Bursch, jeden Morgen beim Beginn der Sitzun¬
gen werdet Ihr die Aermel aufstreifen und die Ellenbogen aufstemmen, um Eure
Sache zu verfechten, und jeden Mittag werdet Ihr thatlos entschlummern, bis
Euch der Hunger aufweckt. Und aus der Art, wie Ihr beim Abstimmen aufsteht
und sitzen bleibt, werden wir sehen, welche Jagdpartei Euch, den Stier des An¬
naberges, eingefangen hat. Wie mir ein Vogel in's Ohr singt, wird es ein Jä¬
ger sein, der nicht glaubt, daß man Könige braucht, um Silbergroschen zu machen.

Aendern wir den Ton. Seht, Michael Mroß, auch ich stamme aus dem
Strohdach eines Bauernhauses und so oft ich neben dem verständigen, erfahrenen


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wird finster und wer die meisten Hiebe bekommen hat, heißt am andern Morgen
der Friedensstörer. Ihr sorgt männlich dafür, daß Ihr der nicht seid.

In der italienischen Frage seid Ihr leider ganz indifferent. Von den italieni¬
schen Bilderhändlern kauft Ihr nichts, das Heiligenbild in Eurer Stube erhaltet
Ihr für 10 Silbergroschen in Oel gemalt dnrch einen Maler Eurer Gegend;
wozu braucht Ihr Italien? Panslavische Ideen habt Ihr auch nicht, Ihr hegt
keine Sympathien weder für die Gorallen, welche mit Mäusefallen durch Euer
Dorf ziehen, noch für die böhmischen Leinwandhändler. Wie aber denkt Ihr
über Posen, mein Bursch? Seid Ihr für Reorganisation unter preußischem
Schutz oder für gänzliche Ablösung des Großherzogthums? — Das ist der Punkt,
wo ich Euch mißtraue. Ihr liebt die Polen nicht, das ist eine alte Abneigung
der oberschlesischen Polacken. Und Ihr seid als Soldat in Posen gewesen, und
wißt, wie sie's dort treiben. Dort sind's die Gutsherren, die Grafen, welche
Krakel machen und nach Freiheit schreien, und wenn die Zeit kommt, wo sie
Sensen brauchen, so sagt der Graf zum Bauer, „nichts Graf, nichts Graf, dein
Bruder, dein Brüderchen;" wenn's aber vorbei ist, schert er sich den Teufel um
den Bauer, nein, das ist unwahr, er schert den Bauer selbst. So denkt Ihr,
und das ist ein wunder Fleck in Eurer Politik. Denn ich versichere Euch jetzt
ernsthaft, der Posner Graf, der seine Sensen für die Freiheit zusammenruft, hat
dazu grade so viel Berechtigung, als Ihr habt, in Berlin Konstitution zu ma¬
chen; Ihr seid Beide Ritter einer unklaren Empfindsamkeit, die sich in die Po¬
litik des Liberalismus geflüchtet hat, seit man sie an Königen und Düsseldorfer
Malern abgeschmackt findet.

Ihr geht jetzt nach Berlin. Michael Mroß, Ihr werdet dort viel Neues
sehn, vom weißen Saal an bis zu den wunderbaren Nachtstühlen, in welche das
frische Wasser von selbst läuft. Hütet Euch, Mroß; Berlin ist eine große ver¬
führerische Stadt, Alles ist dort zu kaufen und zu verkaufen, auch Menschen, und
Alles hat seine Taxe. So kostet z. B. ein Vater mit einem Regenschirm für den
Nachmittag 8 gute Groschen, eine Mutter mit einer Straußenfeder für die Nacht
1 Thaler. Ich sage Euch das nur, damit Ihr selbst Euch nicht zu billig ver¬
kauft. Doch da thu' ich Euch Unrecht, Ihr werdet Euch umsonst weggeben, noch
dazu, ohne es zu wissen. Armer Bursch, jeden Morgen beim Beginn der Sitzun¬
gen werdet Ihr die Aermel aufstreifen und die Ellenbogen aufstemmen, um Eure
Sache zu verfechten, und jeden Mittag werdet Ihr thatlos entschlummern, bis
Euch der Hunger aufweckt. Und aus der Art, wie Ihr beim Abstimmen aufsteht
und sitzen bleibt, werden wir sehen, welche Jagdpartei Euch, den Stier des An¬
naberges, eingefangen hat. Wie mir ein Vogel in's Ohr singt, wird es ein Jä¬
ger sein, der nicht glaubt, daß man Könige braucht, um Silbergroschen zu machen.

Aendern wir den Ton. Seht, Michael Mroß, auch ich stamme aus dem
Strohdach eines Bauernhauses und so oft ich neben dem verständigen, erfahrenen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/357>, abgerufen am 26.06.2024.