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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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einen entschiedenen Blick, zwei kräftige Fäuste, vielleicht am Hinterkopf den Hornkamm
im langgestrichenen Haar, kurz einen echten Kampfhahn auf Kirmes und Abla߬
märkten. Das Gerücht erzählt von Euch, Ihr wäret der verschrobenste Querkopf,
der größte Prozessircr und Schreier in Eurer Gegend. Wir wissen, daß das
Verleumdung Eurer Feinde ist. Ob Ihr in dem frommen Verein gegen Brannt¬
weingenuß seid? Nein, ich erinnere mich, von dem seid Ihr abgefallen, seit Euer
Pfarrer auf der Kanzel behauptete, er habe den Brauntweinteufel um Mitternacht
in Euer Haus wanken sehen, mit einer Mistgabel und einer Schnapsflasche be¬
waffnet. Ihr wußtet, der Pfarrer hatte schlecht gesehn.

Wie steht's mit Eurem politischen Glaubensbekenntniß, Michael Mroß? --
Ihr fahrt eilig mit der Hand in die Tasche; ich verstehe Euch. Eigentlich seid
Ihr gegen den König und die Monarchie. Denn der König hat Euch schon man¬
chen Groschen abgefordert, geschenkt hat er Euch noch gar nichts. Doch die Sache
hat einen Haken. Ihr wißt, auf jedem Geldstück vom Thaler bis zum Silber-
groschen steht des Königs Bild, weiß oder röthlich, es ist einmal doch sein Bild
und er läßt das Geld machen; nur auf deu Pfennigen ist sein Bild nicht. Das
überlegt Ihr und deshalb schließt Ihr: wenn der König aufhörte zu sein, so
würde ja auch das Geld aufhören müssen vom Thaler bis zum Silbergroschen
und man könnte nachher nur Pfennige machen. Das ist klar und deshalb werdet
Ihr vorläufig für das Königthum stimmen, aber mit recht viel Freiheit, wie Ihr
sagt, oder wie die Gelehrten schön und verständlich sagen, für Monarchie auf den
breitesten demokratischen Grundlagen. Wenn Ihr diese Redensart nicht versteht,
so darf man deshalb nicht schlecht von Euch denken; die klugen Hasenfüße, welche
sie erfunden haben, verstehen von Politik fast eben so viel, als Ihr.

Ihr seid also für die Freiheit gegen den Landrath, gegen den Gensdarmen,
gegen den Schulzen, jetzt auch gegen den Pfarrer seit der Geschichte mit dem
Branntwein, wo man Euch zwang, vor dem Altar zu beschwören, was kein ehr¬
licher Mann zu halten vermag; kurz Ihr seid für die Freiheit ohne Ausnahme,
sowohl für die Preßfreiheit dem furchtsamen Amtmann gegenüber, als für die
Freiheit des Raff- und Leseholzes in den "herrschaftlichen" Wäldern.

Seid Ihr für Judenemancipation? Ihr lächelt zweideutig und schüttelt mit
dem Kopf. Ja Ihr seid's, im Allgemeinen, nur den Moses Heymann nehmt Ihr
aus, dem Ihr noch das Geld schuldig seid für den letzten Saathafer, und den
kleinen Samusche, der Euch mit zwei Packeten Tabak durchgegangen ist.

Desto liberaler seid Ihr in Bezug auf Frankfurt. Dies ist nicht dasselbe
Frankfurt, wohin sie das Holz auf der Oder flößen; es gibt noch ein anderes;
dort beräth man über die Einheit Deutschlands. Euch ist das ganz recht, in
der Theorie seid Ihr immer für Einheit und Einigkeit, und bis 9 Uhr Abends
stimmt dazu in der Regel die Praxis. Erst nach 9 Uhr geschieht's, daß in der
Schenke -- weiß der Henker, wie -- doch dann werft Ihr das Licht um, es


einen entschiedenen Blick, zwei kräftige Fäuste, vielleicht am Hinterkopf den Hornkamm
im langgestrichenen Haar, kurz einen echten Kampfhahn auf Kirmes und Abla߬
märkten. Das Gerücht erzählt von Euch, Ihr wäret der verschrobenste Querkopf,
der größte Prozessircr und Schreier in Eurer Gegend. Wir wissen, daß das
Verleumdung Eurer Feinde ist. Ob Ihr in dem frommen Verein gegen Brannt¬
weingenuß seid? Nein, ich erinnere mich, von dem seid Ihr abgefallen, seit Euer
Pfarrer auf der Kanzel behauptete, er habe den Brauntweinteufel um Mitternacht
in Euer Haus wanken sehen, mit einer Mistgabel und einer Schnapsflasche be¬
waffnet. Ihr wußtet, der Pfarrer hatte schlecht gesehn.

Wie steht's mit Eurem politischen Glaubensbekenntniß, Michael Mroß? —
Ihr fahrt eilig mit der Hand in die Tasche; ich verstehe Euch. Eigentlich seid
Ihr gegen den König und die Monarchie. Denn der König hat Euch schon man¬
chen Groschen abgefordert, geschenkt hat er Euch noch gar nichts. Doch die Sache
hat einen Haken. Ihr wißt, auf jedem Geldstück vom Thaler bis zum Silber-
groschen steht des Königs Bild, weiß oder röthlich, es ist einmal doch sein Bild
und er läßt das Geld machen; nur auf deu Pfennigen ist sein Bild nicht. Das
überlegt Ihr und deshalb schließt Ihr: wenn der König aufhörte zu sein, so
würde ja auch das Geld aufhören müssen vom Thaler bis zum Silbergroschen
und man könnte nachher nur Pfennige machen. Das ist klar und deshalb werdet
Ihr vorläufig für das Königthum stimmen, aber mit recht viel Freiheit, wie Ihr
sagt, oder wie die Gelehrten schön und verständlich sagen, für Monarchie auf den
breitesten demokratischen Grundlagen. Wenn Ihr diese Redensart nicht versteht,
so darf man deshalb nicht schlecht von Euch denken; die klugen Hasenfüße, welche
sie erfunden haben, verstehen von Politik fast eben so viel, als Ihr.

Ihr seid also für die Freiheit gegen den Landrath, gegen den Gensdarmen,
gegen den Schulzen, jetzt auch gegen den Pfarrer seit der Geschichte mit dem
Branntwein, wo man Euch zwang, vor dem Altar zu beschwören, was kein ehr¬
licher Mann zu halten vermag; kurz Ihr seid für die Freiheit ohne Ausnahme,
sowohl für die Preßfreiheit dem furchtsamen Amtmann gegenüber, als für die
Freiheit des Raff- und Leseholzes in den „herrschaftlichen" Wäldern.

Seid Ihr für Judenemancipation? Ihr lächelt zweideutig und schüttelt mit
dem Kopf. Ja Ihr seid's, im Allgemeinen, nur den Moses Heymann nehmt Ihr
aus, dem Ihr noch das Geld schuldig seid für den letzten Saathafer, und den
kleinen Samusche, der Euch mit zwei Packeten Tabak durchgegangen ist.

Desto liberaler seid Ihr in Bezug auf Frankfurt. Dies ist nicht dasselbe
Frankfurt, wohin sie das Holz auf der Oder flößen; es gibt noch ein anderes;
dort beräth man über die Einheit Deutschlands. Euch ist das ganz recht, in
der Theorie seid Ihr immer für Einheit und Einigkeit, und bis 9 Uhr Abends
stimmt dazu in der Regel die Praxis. Erst nach 9 Uhr geschieht's, daß in der
Schenke — weiß der Henker, wie — doch dann werft Ihr das Licht um, es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/356>, abgerufen am 26.06.2024.