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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Für Deutschland dürste unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Besiegung
der Pariser Kommunisten ein günstiges Ereigniß genannt werden können. Bei
der furchtbaren Verwirrung unserer politischen Verhältnisse konnte ein Krieg, aus
Deutschlands Boden und unter dem Schein eines Principien-Kriegs
geführt, nur zum Verderben unserer guten Sache gereichen. Die Wahrscheinlich¬
keit eines solchen Krieges war aber damals um ein Bedeutendes größer als jetzt.

Von einem Kriege in Italien rede ich nicht. Bei einem solchen konnten wir
hoffen, in unserm eignen Lande ungestört zu bleiben, um so mehr, da er nur
von dem östreichischen Cabinet, von dem Hause Habsburg-Lothringen, nicht von
dem östreichischen Volke geführt sein, da er überdies auch selbst das Cabinet wahr¬
scheinlich zum schleunigen Frieden veranlaßt haben würde.

Anders steht es mit dem Kriege zur Wiederherstellung Polens oder zur
Einführung einer deutschen Republik. Fassen wir zunächst die letztre Chance in's
Ange.

Hätten die Terroristen in Paris gesiegt, so wäre eine neue Schilderhebung
der deutschen Republikaner und eine allgemeine Invasion französischer Freischaaren
erfolgt. Wenn man die politische Impotenz unserer jetzigen Regierungen, unseres
Bundestages und -- das souveräne Volk möge es mir verzeihen! -- unserer Na¬
tionalversammlung bedenkt, so kann man sich vorstellen, was daraus hätte werden
sollen. Entweder ein Sieg der militärischen Reaction oder eine Anarchie, gegen
welche das jetzige Chaos eitel Ordnung und Gesetz zu nennen wäre.

Wäre der Pariser Ausbruch nicht erfolgt, so bliebe das Bestehen der Lamar-
tine'schen Regierung, und somit das Verhältniß der deutschen Aufwiegler zu den
französischen Machthabern in Frage gestellt, und die Unsicherheit der Verhältnisse,
die Furcht der Philister und die versteckten Umtriebe der Demagogen wieder in
Permanenz erklärt.

Jetzt steht die Sache anders. Die deutschen Feinde der gesetzlichen Ordnung
sind nun auch die Feinde der französischen Regierung, und diese hat nach dem
Siege über die Anarchisten Macht genug, energische Maßregeln gegen das um¬
gekehrte Koblenz zu ergreifen.

Noch gefährlicher stand es mit der polnischen Frage, theils, weil hier die
Sympathien der französischen Nation einen breitern Umfang und eine legitimere
Begründung hatten, theils weil hier der deutsche Doctrinarismus und die deut¬
sche Kleinstädterei, die sich so gerne hinter kosmopolitischen Phrasen versteckt, einen
größern Spielraum sanden. Mau erinnere sich, daß Leute wie Herr Venedey,
der sonst doch erklärte, "die Republik solle nur über seine Leiche ihren Weg neh¬
men," in dieser Frage nur allzu geneigt waren, ein Bündniß der deutschen Völker
mit den Polen gegen ihre Regierungen hervorzurufen. Der Enthusiasmus für
den polnischen Reichstag ist romantischer, lüstrischer, mit Einem Wort noch con-


Für Deutschland dürste unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Besiegung
der Pariser Kommunisten ein günstiges Ereigniß genannt werden können. Bei
der furchtbaren Verwirrung unserer politischen Verhältnisse konnte ein Krieg, aus
Deutschlands Boden und unter dem Schein eines Principien-Kriegs
geführt, nur zum Verderben unserer guten Sache gereichen. Die Wahrscheinlich¬
keit eines solchen Krieges war aber damals um ein Bedeutendes größer als jetzt.

Von einem Kriege in Italien rede ich nicht. Bei einem solchen konnten wir
hoffen, in unserm eignen Lande ungestört zu bleiben, um so mehr, da er nur
von dem östreichischen Cabinet, von dem Hause Habsburg-Lothringen, nicht von
dem östreichischen Volke geführt sein, da er überdies auch selbst das Cabinet wahr¬
scheinlich zum schleunigen Frieden veranlaßt haben würde.

Anders steht es mit dem Kriege zur Wiederherstellung Polens oder zur
Einführung einer deutschen Republik. Fassen wir zunächst die letztre Chance in's
Ange.

Hätten die Terroristen in Paris gesiegt, so wäre eine neue Schilderhebung
der deutschen Republikaner und eine allgemeine Invasion französischer Freischaaren
erfolgt. Wenn man die politische Impotenz unserer jetzigen Regierungen, unseres
Bundestages und — das souveräne Volk möge es mir verzeihen! — unserer Na¬
tionalversammlung bedenkt, so kann man sich vorstellen, was daraus hätte werden
sollen. Entweder ein Sieg der militärischen Reaction oder eine Anarchie, gegen
welche das jetzige Chaos eitel Ordnung und Gesetz zu nennen wäre.

Wäre der Pariser Ausbruch nicht erfolgt, so bliebe das Bestehen der Lamar-
tine'schen Regierung, und somit das Verhältniß der deutschen Aufwiegler zu den
französischen Machthabern in Frage gestellt, und die Unsicherheit der Verhältnisse,
die Furcht der Philister und die versteckten Umtriebe der Demagogen wieder in
Permanenz erklärt.

Jetzt steht die Sache anders. Die deutschen Feinde der gesetzlichen Ordnung
sind nun auch die Feinde der französischen Regierung, und diese hat nach dem
Siege über die Anarchisten Macht genug, energische Maßregeln gegen das um¬
gekehrte Koblenz zu ergreifen.

Noch gefährlicher stand es mit der polnischen Frage, theils, weil hier die
Sympathien der französischen Nation einen breitern Umfang und eine legitimere
Begründung hatten, theils weil hier der deutsche Doctrinarismus und die deut¬
sche Kleinstädterei, die sich so gerne hinter kosmopolitischen Phrasen versteckt, einen
größern Spielraum sanden. Mau erinnere sich, daß Leute wie Herr Venedey,
der sonst doch erklärte, „die Republik solle nur über seine Leiche ihren Weg neh¬
men," in dieser Frage nur allzu geneigt waren, ein Bündniß der deutschen Völker
mit den Polen gegen ihre Regierungen hervorzurufen. Der Enthusiasmus für
den polnischen Reichstag ist romantischer, lüstrischer, mit Einem Wort noch con-


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[0353] Für Deutschland dürste unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Besiegung der Pariser Kommunisten ein günstiges Ereigniß genannt werden können. Bei der furchtbaren Verwirrung unserer politischen Verhältnisse konnte ein Krieg, aus Deutschlands Boden und unter dem Schein eines Principien-Kriegs geführt, nur zum Verderben unserer guten Sache gereichen. Die Wahrscheinlich¬ keit eines solchen Krieges war aber damals um ein Bedeutendes größer als jetzt. Von einem Kriege in Italien rede ich nicht. Bei einem solchen konnten wir hoffen, in unserm eignen Lande ungestört zu bleiben, um so mehr, da er nur von dem östreichischen Cabinet, von dem Hause Habsburg-Lothringen, nicht von dem östreichischen Volke geführt sein, da er überdies auch selbst das Cabinet wahr¬ scheinlich zum schleunigen Frieden veranlaßt haben würde. Anders steht es mit dem Kriege zur Wiederherstellung Polens oder zur Einführung einer deutschen Republik. Fassen wir zunächst die letztre Chance in's Ange. Hätten die Terroristen in Paris gesiegt, so wäre eine neue Schilderhebung der deutschen Republikaner und eine allgemeine Invasion französischer Freischaaren erfolgt. Wenn man die politische Impotenz unserer jetzigen Regierungen, unseres Bundestages und — das souveräne Volk möge es mir verzeihen! — unserer Na¬ tionalversammlung bedenkt, so kann man sich vorstellen, was daraus hätte werden sollen. Entweder ein Sieg der militärischen Reaction oder eine Anarchie, gegen welche das jetzige Chaos eitel Ordnung und Gesetz zu nennen wäre. Wäre der Pariser Ausbruch nicht erfolgt, so bliebe das Bestehen der Lamar- tine'schen Regierung, und somit das Verhältniß der deutschen Aufwiegler zu den französischen Machthabern in Frage gestellt, und die Unsicherheit der Verhältnisse, die Furcht der Philister und die versteckten Umtriebe der Demagogen wieder in Permanenz erklärt. Jetzt steht die Sache anders. Die deutschen Feinde der gesetzlichen Ordnung sind nun auch die Feinde der französischen Regierung, und diese hat nach dem Siege über die Anarchisten Macht genug, energische Maßregeln gegen das um¬ gekehrte Koblenz zu ergreifen. Noch gefährlicher stand es mit der polnischen Frage, theils, weil hier die Sympathien der französischen Nation einen breitern Umfang und eine legitimere Begründung hatten, theils weil hier der deutsche Doctrinarismus und die deut¬ sche Kleinstädterei, die sich so gerne hinter kosmopolitischen Phrasen versteckt, einen größern Spielraum sanden. Mau erinnere sich, daß Leute wie Herr Venedey, der sonst doch erklärte, „die Republik solle nur über seine Leiche ihren Weg neh¬ men," in dieser Frage nur allzu geneigt waren, ein Bündniß der deutschen Völker mit den Polen gegen ihre Regierungen hervorzurufen. Der Enthusiasmus für den polnischen Reichstag ist romantischer, lüstrischer, mit Einem Wort noch con-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/353>, abgerufen am 26.06.2024.