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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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so geschieht dies stets in der Form des Enthusiasmus; in dieser Form ist aber
kein wesentlicher Inhalt, und die enthusiastische Anerkennung der Republik bekundet
noch keine republikanische Gesinnung.

Die Probleme der Republik waren zunächst: Herstellung der wirklichen Volks¬
regierung, d. h. Autonomie der Gemeinden, und die sociale Frage. Von dem
ersten ist bis jetzt noch nicht die Rede gewesen und damit deutlich genug gezeigt,
daß wenigstens der republikanische Instinkt noch nicht besonders ausgebildet ist.
Die zweite wurde allerdings berührt; L. Blaue schlug die Bildung eines Arbeiter-
Ministeriums vor; eine Maßregel, die in dem gar nicht revolutionären, gar nicht
socialistischen Sachsen bereits angebahnt ist, die in dem höchst unrepublikanischen
Preußen vorbereitet wird. Natürlich ist ein solches Institut uoch nicht im ent¬
ferntesten die Losung des Problems, aber es ist wenigstens ein Manifest, daß
man sich ernstlich mit demselben beschäftigen will. Was antwortete ihm das Ge¬
sinde! des itncien IVAIMV? Von" 6to8 orlvvi-e, Ur. ^U88v! Deine Profession ist
die sociale Frage, und darum willst du, daß wir uns damit beschäftigen. Das
ist der Ernst dieser Volksvertreter! Mit dem Leichtsinn eines alten Kavaliers aus
den Zeiten der Regence, mit der Behaglichkeit eines wohlgenährten Bourgeois
der Dynastie Orleans erledigte man die Frage, die auf das tiefste in das Herz
der Gesellschaft eingreift, durch einen Witz!

Diese Frivolität mußte zu einem neuen Verbrechen leiten. Das Attentat der
communistischen Clubs gegen die Nationalversammlung ist gescheitert; der größere
Theil der Verbrecher wartet in den Gefängnissen von Vincennes seiner Strafe,
und wenn auch Blauqui wie ein zweiter Marat ans den verschiedenen Spelunken
von Paris seine Drohbriefe gegen die "Tyrannei" schlendert und auf alle Erst¬
geburt in Aegypten lästert, so ist doch die moralische Macht der Demagogen gebrochen.

Aber ich frage: wodurch unterscheidet sich das Attentat des 15. Mat von
dem des 24. Februar? Dort stürmte eine Horde tugendhafter Bürger die Natio¬
nalversammlung und zwang sie, die Republik zu proclamiren, hier geschah dasselbe.
Der Sieg ändert an der Sache nichts; der Inhalt der Revolution ebensowenig,
denn in beide" Fällen war der Sinn der Revolution nur ein negativer, den alten
Zustand der Dinge umzustürzen. Mit der Vertreibung des Königs und der Mi¬
nister ist eben so wenig die .echte Republik hergestellt, als mit der Vertreibung der
Egoisten der Communismus.

Man meine nicht etwa, ich wolle in der ganzen communistischen Bewegung
einen Funken von Menschenverstand suchen. Im Gegentheil hat nie eine sinn¬
losere Rotte das Heiligthum der Gesetze entweiht, als dieser schmutzige Haufen,
der damit anfangen wollte, zur Herstellung der Gleichheit die Besitzende" zu Pro¬
letariern zu machen, die Bettelei oder den Diebstahl zum legitimen Zustand der
Republik zu erweitern. Aber haben die Männer des 24. Februar ein Recht, die
Männer des 15. Mai zu richten? Ein anderes Recht, als das der Gewalt?


so geschieht dies stets in der Form des Enthusiasmus; in dieser Form ist aber
kein wesentlicher Inhalt, und die enthusiastische Anerkennung der Republik bekundet
noch keine republikanische Gesinnung.

Die Probleme der Republik waren zunächst: Herstellung der wirklichen Volks¬
regierung, d. h. Autonomie der Gemeinden, und die sociale Frage. Von dem
ersten ist bis jetzt noch nicht die Rede gewesen und damit deutlich genug gezeigt,
daß wenigstens der republikanische Instinkt noch nicht besonders ausgebildet ist.
Die zweite wurde allerdings berührt; L. Blaue schlug die Bildung eines Arbeiter-
Ministeriums vor; eine Maßregel, die in dem gar nicht revolutionären, gar nicht
socialistischen Sachsen bereits angebahnt ist, die in dem höchst unrepublikanischen
Preußen vorbereitet wird. Natürlich ist ein solches Institut uoch nicht im ent¬
ferntesten die Losung des Problems, aber es ist wenigstens ein Manifest, daß
man sich ernstlich mit demselben beschäftigen will. Was antwortete ihm das Ge¬
sinde! des itncien IVAIMV? Von« 6to8 orlvvi-e, Ur. ^U88v! Deine Profession ist
die sociale Frage, und darum willst du, daß wir uns damit beschäftigen. Das
ist der Ernst dieser Volksvertreter! Mit dem Leichtsinn eines alten Kavaliers aus
den Zeiten der Regence, mit der Behaglichkeit eines wohlgenährten Bourgeois
der Dynastie Orleans erledigte man die Frage, die auf das tiefste in das Herz
der Gesellschaft eingreift, durch einen Witz!

Diese Frivolität mußte zu einem neuen Verbrechen leiten. Das Attentat der
communistischen Clubs gegen die Nationalversammlung ist gescheitert; der größere
Theil der Verbrecher wartet in den Gefängnissen von Vincennes seiner Strafe,
und wenn auch Blauqui wie ein zweiter Marat ans den verschiedenen Spelunken
von Paris seine Drohbriefe gegen die „Tyrannei" schlendert und auf alle Erst¬
geburt in Aegypten lästert, so ist doch die moralische Macht der Demagogen gebrochen.

Aber ich frage: wodurch unterscheidet sich das Attentat des 15. Mat von
dem des 24. Februar? Dort stürmte eine Horde tugendhafter Bürger die Natio¬
nalversammlung und zwang sie, die Republik zu proclamiren, hier geschah dasselbe.
Der Sieg ändert an der Sache nichts; der Inhalt der Revolution ebensowenig,
denn in beide» Fällen war der Sinn der Revolution nur ein negativer, den alten
Zustand der Dinge umzustürzen. Mit der Vertreibung des Königs und der Mi¬
nister ist eben so wenig die .echte Republik hergestellt, als mit der Vertreibung der
Egoisten der Communismus.

Man meine nicht etwa, ich wolle in der ganzen communistischen Bewegung
einen Funken von Menschenverstand suchen. Im Gegentheil hat nie eine sinn¬
losere Rotte das Heiligthum der Gesetze entweiht, als dieser schmutzige Haufen,
der damit anfangen wollte, zur Herstellung der Gleichheit die Besitzende» zu Pro¬
letariern zu machen, die Bettelei oder den Diebstahl zum legitimen Zustand der
Republik zu erweitern. Aber haben die Männer des 24. Februar ein Recht, die
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[0351] so geschieht dies stets in der Form des Enthusiasmus; in dieser Form ist aber kein wesentlicher Inhalt, und die enthusiastische Anerkennung der Republik bekundet noch keine republikanische Gesinnung. Die Probleme der Republik waren zunächst: Herstellung der wirklichen Volks¬ regierung, d. h. Autonomie der Gemeinden, und die sociale Frage. Von dem ersten ist bis jetzt noch nicht die Rede gewesen und damit deutlich genug gezeigt, daß wenigstens der republikanische Instinkt noch nicht besonders ausgebildet ist. Die zweite wurde allerdings berührt; L. Blaue schlug die Bildung eines Arbeiter- Ministeriums vor; eine Maßregel, die in dem gar nicht revolutionären, gar nicht socialistischen Sachsen bereits angebahnt ist, die in dem höchst unrepublikanischen Preußen vorbereitet wird. Natürlich ist ein solches Institut uoch nicht im ent¬ ferntesten die Losung des Problems, aber es ist wenigstens ein Manifest, daß man sich ernstlich mit demselben beschäftigen will. Was antwortete ihm das Ge¬ sinde! des itncien IVAIMV? Von« 6to8 orlvvi-e, Ur. ^U88v! Deine Profession ist die sociale Frage, und darum willst du, daß wir uns damit beschäftigen. Das ist der Ernst dieser Volksvertreter! Mit dem Leichtsinn eines alten Kavaliers aus den Zeiten der Regence, mit der Behaglichkeit eines wohlgenährten Bourgeois der Dynastie Orleans erledigte man die Frage, die auf das tiefste in das Herz der Gesellschaft eingreift, durch einen Witz! Diese Frivolität mußte zu einem neuen Verbrechen leiten. Das Attentat der communistischen Clubs gegen die Nationalversammlung ist gescheitert; der größere Theil der Verbrecher wartet in den Gefängnissen von Vincennes seiner Strafe, und wenn auch Blauqui wie ein zweiter Marat ans den verschiedenen Spelunken von Paris seine Drohbriefe gegen die „Tyrannei" schlendert und auf alle Erst¬ geburt in Aegypten lästert, so ist doch die moralische Macht der Demagogen gebrochen. Aber ich frage: wodurch unterscheidet sich das Attentat des 15. Mat von dem des 24. Februar? Dort stürmte eine Horde tugendhafter Bürger die Natio¬ nalversammlung und zwang sie, die Republik zu proclamiren, hier geschah dasselbe. Der Sieg ändert an der Sache nichts; der Inhalt der Revolution ebensowenig, denn in beide» Fällen war der Sinn der Revolution nur ein negativer, den alten Zustand der Dinge umzustürzen. Mit der Vertreibung des Königs und der Mi¬ nister ist eben so wenig die .echte Republik hergestellt, als mit der Vertreibung der Egoisten der Communismus. Man meine nicht etwa, ich wolle in der ganzen communistischen Bewegung einen Funken von Menschenverstand suchen. Im Gegentheil hat nie eine sinn¬ losere Rotte das Heiligthum der Gesetze entweiht, als dieser schmutzige Haufen, der damit anfangen wollte, zur Herstellung der Gleichheit die Besitzende» zu Pro¬ letariern zu machen, die Bettelei oder den Diebstahl zum legitimen Zustand der Republik zu erweitern. Aber haben die Männer des 24. Februar ein Recht, die Männer des 15. Mai zu richten? Ein anderes Recht, als das der Gewalt?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/351>, abgerufen am 26.06.2024.