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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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zu beschleunigen; wir meinen -- die Gütermäkler. Diesen würdigen Herren, die
nicht um einer Kleinigkeit willen etwas riskiren, lag daran, daß ihr Gewinn ein
beträchtlicher und schneller sei; dieses aber konnten sie nur aus Kosten ihrer Unter¬
thanen erreichen. Daher wurden die Giebigkeiten auf das Genaueste eingetrieben
und die Reluitioneu und Pachtschillinge auf das höchste gespannt, die Beamten
auf das reins angewiesen und so Erträgnißausweise erzielt, die mit Hilfe scham¬
loser ZeitnngSanpreisnngen und dnrch den Beistand reichbezahlter Agenten einen
ansehnlichen Verkaufsgewinn in Aussicht stellten. Das mußten die Unterthanen
solcher Herren bald heraus haben, daß ihr Verhältniß, wenn auch ein patriarcha¬
lisches, so doch kein glückliches sei.

Es bedürfte daher nicht erst der Märzereignisse, um jeden, der sich nicht
absichtlich selbst täuschen wollte, zu überzeugen, daß die Lage der Gutsbesitzer
eine kritische geworden. Mit bangen Besorgnissen blickten sie daher in die Zu¬
kunft, denn Verluste waren zu befürchten und viele wollten sie um jeden Preis
abwenden. Auch die Regierung mußte einsehen, daß Kollisionen eintreten wür¬
den, welche die Ruhe und Sicherheit gefährden könnten. Ueber Auftrag des Mi¬
nisteriums des Innern ward also gleich in den ersten Tagen des April beim hie¬
sigen Gubernium eine Commission aus Gubernialräthen, ständischen Abgeordneten,
nichtadeligen Gutsbesitzern und Vertrauensmännern -- so lautete der Ministerial-
Austrag --- zusammengesetzt, um die Regelung der Urbarialbezüge für das lau¬
fende Jahr zu berathen und dem Ministerium die geeigneten Vorschläge hierüber
zu machen.

Man hätte denken sollen, die Gutsbesitzer würden sich zu Gemüthe führen,
daß eine Revolution Alles zertrümmert, was ihrem Prinzipe entgegen ist; man
hätte glauben sollen, sie würden verstehen, daß in Zeiten, wie die unsrigen,
schnell aufgegeben werden müsse, was nicht mehr erhalten werden kann; daß,
wo Alles Opfer bringt, solche auch von ihnen gefordert werden können; daß sie
bei der Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung auf dem flachen Lande wesentlich
interessirt seien, weil nnr unter dieser Bedingung die Entschädigungsfrage schnell
zur Verhandlung und Entscheidung kommen kann, daß ihnen siedet jetzt noch die
Ueberzeugung des Landmannes, Entschädigung schuldig zu sein, zu Hilfe komme,
daß aber, wenn die Unterthanen sich an den neuen Zustand gewöhnt haben
werden und unter dem Einflüsse einer freien Presse diese Ueberzeugung und
somit die Aussicht auf eine billige Entschädigung immer mehr schwinden müsse.
Man hat ferner erwarten können, die Gutsbesitzer würden sich die Ohnmacht der
Regierung und somit die Wahrscheinlichkeit vor Augen halten, daß von Seite
ihrer Unterthanen Widerstand eintreten könnte, der es gefährlich machen müsse, ihr
grundherrliches Gefälle einzutreiben; sie würden daher nach dem Beispiele der
badischen Kammern darauf antragen, daß gegen Vorbehalt einer auf dem Wege
der Gesetzgebung auszumittelnden Entschädigung alle ihre ans dem nexus "Mi-


zu beschleunigen; wir meinen — die Gütermäkler. Diesen würdigen Herren, die
nicht um einer Kleinigkeit willen etwas riskiren, lag daran, daß ihr Gewinn ein
beträchtlicher und schneller sei; dieses aber konnten sie nur aus Kosten ihrer Unter¬
thanen erreichen. Daher wurden die Giebigkeiten auf das Genaueste eingetrieben
und die Reluitioneu und Pachtschillinge auf das höchste gespannt, die Beamten
auf das reins angewiesen und so Erträgnißausweise erzielt, die mit Hilfe scham¬
loser ZeitnngSanpreisnngen und dnrch den Beistand reichbezahlter Agenten einen
ansehnlichen Verkaufsgewinn in Aussicht stellten. Das mußten die Unterthanen
solcher Herren bald heraus haben, daß ihr Verhältniß, wenn auch ein patriarcha¬
lisches, so doch kein glückliches sei.

Es bedürfte daher nicht erst der Märzereignisse, um jeden, der sich nicht
absichtlich selbst täuschen wollte, zu überzeugen, daß die Lage der Gutsbesitzer
eine kritische geworden. Mit bangen Besorgnissen blickten sie daher in die Zu¬
kunft, denn Verluste waren zu befürchten und viele wollten sie um jeden Preis
abwenden. Auch die Regierung mußte einsehen, daß Kollisionen eintreten wür¬
den, welche die Ruhe und Sicherheit gefährden könnten. Ueber Auftrag des Mi¬
nisteriums des Innern ward also gleich in den ersten Tagen des April beim hie¬
sigen Gubernium eine Commission aus Gubernialräthen, ständischen Abgeordneten,
nichtadeligen Gutsbesitzern und Vertrauensmännern — so lautete der Ministerial-
Austrag —- zusammengesetzt, um die Regelung der Urbarialbezüge für das lau¬
fende Jahr zu berathen und dem Ministerium die geeigneten Vorschläge hierüber
zu machen.

Man hätte denken sollen, die Gutsbesitzer würden sich zu Gemüthe führen,
daß eine Revolution Alles zertrümmert, was ihrem Prinzipe entgegen ist; man
hätte glauben sollen, sie würden verstehen, daß in Zeiten, wie die unsrigen,
schnell aufgegeben werden müsse, was nicht mehr erhalten werden kann; daß,
wo Alles Opfer bringt, solche auch von ihnen gefordert werden können; daß sie
bei der Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung auf dem flachen Lande wesentlich
interessirt seien, weil nnr unter dieser Bedingung die Entschädigungsfrage schnell
zur Verhandlung und Entscheidung kommen kann, daß ihnen siedet jetzt noch die
Ueberzeugung des Landmannes, Entschädigung schuldig zu sein, zu Hilfe komme,
daß aber, wenn die Unterthanen sich an den neuen Zustand gewöhnt haben
werden und unter dem Einflüsse einer freien Presse diese Ueberzeugung und
somit die Aussicht auf eine billige Entschädigung immer mehr schwinden müsse.
Man hat ferner erwarten können, die Gutsbesitzer würden sich die Ohnmacht der
Regierung und somit die Wahrscheinlichkeit vor Augen halten, daß von Seite
ihrer Unterthanen Widerstand eintreten könnte, der es gefährlich machen müsse, ihr
grundherrliches Gefälle einzutreiben; sie würden daher nach dem Beispiele der
badischen Kammern darauf antragen, daß gegen Vorbehalt einer auf dem Wege
der Gesetzgebung auszumittelnden Entschädigung alle ihre ans dem nexus «Mi-


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[0345] zu beschleunigen; wir meinen — die Gütermäkler. Diesen würdigen Herren, die nicht um einer Kleinigkeit willen etwas riskiren, lag daran, daß ihr Gewinn ein beträchtlicher und schneller sei; dieses aber konnten sie nur aus Kosten ihrer Unter¬ thanen erreichen. Daher wurden die Giebigkeiten auf das Genaueste eingetrieben und die Reluitioneu und Pachtschillinge auf das höchste gespannt, die Beamten auf das reins angewiesen und so Erträgnißausweise erzielt, die mit Hilfe scham¬ loser ZeitnngSanpreisnngen und dnrch den Beistand reichbezahlter Agenten einen ansehnlichen Verkaufsgewinn in Aussicht stellten. Das mußten die Unterthanen solcher Herren bald heraus haben, daß ihr Verhältniß, wenn auch ein patriarcha¬ lisches, so doch kein glückliches sei. Es bedürfte daher nicht erst der Märzereignisse, um jeden, der sich nicht absichtlich selbst täuschen wollte, zu überzeugen, daß die Lage der Gutsbesitzer eine kritische geworden. Mit bangen Besorgnissen blickten sie daher in die Zu¬ kunft, denn Verluste waren zu befürchten und viele wollten sie um jeden Preis abwenden. Auch die Regierung mußte einsehen, daß Kollisionen eintreten wür¬ den, welche die Ruhe und Sicherheit gefährden könnten. Ueber Auftrag des Mi¬ nisteriums des Innern ward also gleich in den ersten Tagen des April beim hie¬ sigen Gubernium eine Commission aus Gubernialräthen, ständischen Abgeordneten, nichtadeligen Gutsbesitzern und Vertrauensmännern — so lautete der Ministerial- Austrag —- zusammengesetzt, um die Regelung der Urbarialbezüge für das lau¬ fende Jahr zu berathen und dem Ministerium die geeigneten Vorschläge hierüber zu machen. Man hätte denken sollen, die Gutsbesitzer würden sich zu Gemüthe führen, daß eine Revolution Alles zertrümmert, was ihrem Prinzipe entgegen ist; man hätte glauben sollen, sie würden verstehen, daß in Zeiten, wie die unsrigen, schnell aufgegeben werden müsse, was nicht mehr erhalten werden kann; daß, wo Alles Opfer bringt, solche auch von ihnen gefordert werden können; daß sie bei der Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung auf dem flachen Lande wesentlich interessirt seien, weil nnr unter dieser Bedingung die Entschädigungsfrage schnell zur Verhandlung und Entscheidung kommen kann, daß ihnen siedet jetzt noch die Ueberzeugung des Landmannes, Entschädigung schuldig zu sein, zu Hilfe komme, daß aber, wenn die Unterthanen sich an den neuen Zustand gewöhnt haben werden und unter dem Einflüsse einer freien Presse diese Ueberzeugung und somit die Aussicht auf eine billige Entschädigung immer mehr schwinden müsse. Man hat ferner erwarten können, die Gutsbesitzer würden sich die Ohnmacht der Regierung und somit die Wahrscheinlichkeit vor Augen halten, daß von Seite ihrer Unterthanen Widerstand eintreten könnte, der es gefährlich machen müsse, ihr grundherrliches Gefälle einzutreiben; sie würden daher nach dem Beispiele der badischen Kammern darauf antragen, daß gegen Vorbehalt einer auf dem Wege der Gesetzgebung auszumittelnden Entschädigung alle ihre ans dem nexus «Mi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/345>, abgerufen am 26.06.2024.